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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Das „Stall-Kirchlein“ Agia Georgios“
18.Mai 2009 - High-Heels verboten
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Wenn man einen Wettlauf von Frauen auf Stöckelschuhen organisieren
würden, der an der Burg von Molyvos startet, die kopfsteingepflasterten
Gassen herunter führt und in der Dorfmitte endet, so bin ich überzeugt,
dass die Siegerin eine Griechin wäre.
Verblüfft und voller Bewunderung beobachte ich die sonntäglichen
Prozessionen, wenn der Pope eine Horde von Frauen anführt, die Stilettos
oder anderes Schuhwerk mit hohen Absätzen tragen. Voller Anmut laufen
Sie darauf durch die holprigen Sträßchen, und fast könnte man meinen,
sie seien barfuss.
Auch ich eroberte früher die Welt auf hohen Hacken, selbst die Levadas
auf Madeira. Aber ich erinnere mich, dass ich sie in Rhodos-Stadt,
ausgezogen habe, dort wo die Wege in mittelalterlichem Flair, grau und
warm gepflastert sind. Nein, nicht weil ich Sorge hatte, das Pflaster zu
beschädigen, zu jung und sorglos war ich da, ich hab es gemacht, weil es
einfach ein schöneres Gefühl war, mit nackten Füßen über die Steine zu
laufen.
Solch antiken Sträßchen sind einfach gemacht, um darauf – wie in der
Antike – mit Ledersandalen zu wandeln. Im alten Griechenland und zu
Zeiten des alten Roms kannte man keine High-Heels. In Mode kamen diese
im Jahre 1533, nachdem Katharina de Medici den französischen König
Heinrich II. ehelichte. Sie war ausgesprochen klein und dürr und musste
sich auf anderem Wege Respekt verschaffen. Also ließ sie sich Absätze an
die Schuhe schustern, um mit wahrer Größe ins Ehebündnis zu stöckeln.
Mary Tudor, die jüngste Tochter von Heinrich VII. folgte diesem Trend
und bevorzugte Schuhe mit hohen Absätzen.
Nun
zu mir, die ich hier auf Lesvos auf dem Land lebe. Im Sommer sieht man
mich Flip-Flops, und im Winter bekleiden die seit einiger Zeit im Trend
liegenden unkomplizierten „Crocs“ meine Füße. Zugegeben, es ist nicht
das eleganteste Schuhwerk, aber doch ideal für das Landleben hier, und
wenn ich ins Dörfle oder auf eine Feier gehe, dann kram ich meine
High-Heels aus dem Schrank.
Lesvos ist eine Insel der Fischer und Bauern. Oh, wie krass ist der
Unterschied, wenn ich mal nur nach Athen auf den Flughafen komme und
dort die Menschen modebewusst gekleidet und die Damen auf ihren
Stöckelschuhen sehe. Der „Zentrale Archäologische Rat“ in Athen (KAS)
hat im antiken „Herodes Atticus Amphitheater“ sowie auf der Akropolis
das Tragen von Stöckelschuhen künftig ebenso verboten wie das
Kaugummikauen. Archäologen haben festgestellt, dass die Absätze Ursache
für zahlreiche Kratzer und Brüche im Marmorboden sind, und mit harter
Arbeit mussten kiloweise Kaugummi von den Stufen entfernt werden.
Ich
denke nicht, dass so ein Verbot auf Lesvos, das nicht über soviel
altertümliche Stätten verfügt, erforderlich ist. Für den „Versteinerten
Wald“ bei Sigri stellen hohe Hacken keine Gefahr da. Niemand wird auf
die Mammutbäume klettern, oder? Außerdem ist es ja eh verboten, diese
Bäume überhaupt zu berühren. Die Burgen von Molyvos und Mytilini
verfügen nicht über Marmorböden und das frühchristliche Kirchlein „Agia
Georgios“, bei Ypsilometopo, hat erst gar keinen Boden, der beschädigt
werden könnte. Das fast vergessene Kapellchen ist schon eine ganze Zeit
entweiht worden, da es geraume Zeit als Viehstall genutzt wurde. In
einer Ecke erinnern klägliche Überbleibsel von einem Mosaikboden an eine
vergangene glorreichere Zeit. Der Rest wurde zerstört durch die Hufe von
Hunderten von Ziegen und Schafen. Wie ich sagte: Eine
landwirtschaftliche Insel!
Anstatt sich mit Berechnungen über Schäden, die durch High-Heels
entstanden sind, zu beschäftigen, sollte sich der Archäologische Dienst
vielleicht besser der Vernachlässigung der vorhandenen antiken Stätten
widmen, und der Freilegung der geschichtlichen Plätzen, um die man sich
überhaupt noch nicht geschert hat.
Auf
Lesvos, zum Beispiel, gibt es einige verlorene Schätze: Die antiken
Stätten von Alt-Ántissa und Pírgi, die Burgruine von Sigri, alte Mühlen,
die unbekannten Gräber von Paliós, die alten römischen Wasserwege, etc.
(12 historische Kirchen von Lesvos stehen auf der Liste der 100 meist
gefährdeten Kulturdenkmäler von „World Monuments Fund –WMF“ (
http://www.wmf.org/watch_2008.html
),
und wenn wir das Kapitel „Lesbos and the genius loci“, über die
Geschichte von Lesvos, aus dem Buch „Classic bearings von Peter Green
lesen, dann können wir erahnen, wie
viele Schätze noch unter der Inselerde verborgen sind.
(
‘Classical
Bearings’ )
Ich
habe die Burg von Mytilini noch nicht von innen gesehen, also weiß ich
auch nicht ob man – wie in der Burg von Molyvos - auf irdenen Boden
stehen wird, wenn man sich am 4. Juli von dem Konzert der „Scorpions“
begeistern lässt. Im Kastell von Molyvos ist es eigentlich ein großes
Feld innerhalb der Burgmauern vor einer Tribüne. Vielleicht gab es da
vor langer Zeit auch mal Böden aus Stein oder Marmor aber wenn, dann hat
man sie von dort weggetragen, um damit andere Gebäude zu bauen. Also
sind sie dort herzlich willkommen mit Ihren High-Heels, lassen Sie nur
das Kaugummi daheim.
Zuletzt noch ein Hinweis an die Touristen, die hohe Absätze lieben und
die kopfsteingepflasterten Gassen von Molyvos als Herausforderung sehen:
Den nächsten Schuster gibt es erst in Kalloni!
Copyright ©Julie Smit 2009 |