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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Eine weiße Maulbeere

Eine weiße Maulbeere

 

16.Juni 2009 - Unter dem Maulbeerbaum

Aus dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski 

 

Was war wohl von ihren Besitztümern das Kostbarste, was die Griechin Desdemona Stephanidis (eine Hauptfigur aus dem Buch „Middlesex“ von Jeffrey Eugenides) mitnahm, als sie mit ihrem Bruder Eleutherios aus dem brennenden Smyrna im Jahre 1922 nach Amerika floh? Nun, es war ein Kistchen mit Seidenraupen.

 

Seide wurde früher an mehreren Orten in Griechenland hergestellt, jetzt allerdings nur noch in der kleinen, im nordöstlichen Teil Griechenlands gelegenen Stadt Soufli, so dass diese alte Tradition der Seidenherstellung nicht ganz verloren gegangen ist. Auch das einzige Seidenmuseum befindet sich Soufli.

 

Im 19. Jahrhundert erlebte die griechische Seidenindustrie ihre Blüte, starb dann einen stillen Tod mit Ausbruch des 2. Weltkriegs und des Bürgerkriegs. Hinzu kam das Vordringen der synthetischen industriellen Kunstfasern im 20. Jahrhundert.

 

Lesvos bleibt ungenannt im Zusammenhang mit der Seidenherstellung, nicht so die Nachbarinsel Chios, auf der zur Zeit der Herrschaft der Genueser (14.-16. Jahrhundert) Seidenwürmer gezüchtet und Seidenstoffe produziert wurden, wenn auch in bescheidener Menge. Auch in Athen und Thessaloniki standen Fabriken. Das byzantinische Städtchen Mistra (auch Mystras, Mistras) auf dem Peleponnes, war bekannt für seine Seide, so wie eigentlich das gesamte Gebiet, denn im Mittelalter war für den Peleponnes auch der Name Morea geläufig, der von dem griechischen Wort für Maulbeerbaum, der Nahrung der Seidenraupe, abgeleitet wurde. Die eine Quelle besagt, dass die Gegend dort voller Maulbeerbäume stand, eine andere führt die Namensgebung darauf zurück, dass die Halbinsel auf einer Landkarte betrachtet, dem Gewächs ähnelt.

 

Fakt ist, dass ausschließlich die Blätter des Weißen Maulbeerbaums den Seidenraupen als Futter dienen. Speziell nur zu diesem Zweck angebaut, ist der Baum beinah, zusammen mit der Seide, in Griechenland in Vergessenheit geraten. Es ist schon erstaunlich, dass dieser unscheinbare Baum, die Grundlage für einen der feinsten Stoffe ist, den die Menschheit je hergestellt hat.

 

Nur vereinzelt ist der Maulbeerbaum auf Lesvos zu finden. Selbst im Bergdorf Sikaminéa, das seinen altgriechischen Namen trägt (Volksmund: skamnia) erweist sich die Suche als schwierig. Ich erzählte Ihnen an dieser Stelle früher bereits mal, dass neben unserer Außendusche ein Zweig aus der Erde ragt, der sich zu meiner Überraschung als Weißer Maulbeerbaum entpuppte. Inzwischen kann ich mich während des Duschens an seinen Früchten erfreuen.

 

Neben weißen Maulbeeren, gibt es auch Bäume, die rote Früchte tragen. Es hat Jahre gedauert, bis ich jetzt endlich einen solchen fand, und auch diese probieren konnte, mit dem Ergebnis, dass sie mir persönlich besser schmecken: Sie sind viel fruchtiger und nicht ganz so süß, wie die weißen Exemplare! Beliebt sind die Maulbeeren auf Lesvos jedoch nicht, sie werden auch kaum erwähnt. Ich habe jedenfalls noch nicht erlebt, dass mir hier irgendwer ein Produkt aus Maulbeeren angeboten hat. Eine einfache Erklärung dafür, dass die rote Frucht abgelehnt wird, kann sein, dass sie Flecken hinterlässt, die nicht mehr zu entfernen sind. Parken Sie mal Ihr Auto unter einem Roten Maulbeerbaum und sie werden die Katastrophe mit eigenen Augen sehen.

 

In dem malerischen Küstenort Skala Sikmaninéas steht ein gewaltiger Maulbeerbaum und überdacht die berühmte Taverne „H SKAMNIA“. Dieser Baum ist jedoch so alt, dass er keine Früchte mehr trägt, was auch gut so ist, denn anderenfalls, wäre ihr Ouzo rot, all die kulinarischen Köstlichkeiten in rotem Saft getränkt und sie müssten eine Serviette auf dem Kopf tragen, um nicht als rotgeflecktes Marsmännchen unter dem Baum vorzukommen.

 

In der Türkei werden die vitaminreichen roten Früchte noch abgeerntet. So kann es sein, dass Sie dort einmal mitbekommen, wie Frauen darin fröhlich die Beeren pflücken. Ich selbst habe eine solche Ernte noch nicht mitgemacht, kann mir aber vorstellen, dass es mit dem so stark färbendem Saft dabei recht lustig zugehen muss.

 

Es ist wirklich bedauerlich, dass hier auf der Insel diese Früchte so ignoriert werden, sind sie doch ein natürliches Heilmittel bei Blutarmut, Müdigkeit, Stress und vorzeitiger Haarergrauung. In China, Japan und Korea ist der Saft aus Maulbeeren derzeit ein ganz populärer Gesundheitstrank, zumal er 3 Monate (!) im Kühlschrank aufbewahrt werden kann, ohne dass er verdirbt. Aus den Früchten stellt man außerdem Eis, Marmelade und Gelee her.

 

Die betriebsame Zeit des Einmachens und Trocknens der verschiedenen Früchte ist jetzt wieder angebrochen: Die Erdbeeren sind schon fast alle abgeerntet, gegessen oder eingemacht, die Kirschen wurden in der Hitze blitzschnell dick und rot, die Aprikosen bekommen rosa Bäckchen, die Pflaumen werden langsam gelb und reif, aus den Knospen der Kapern bilden sich künstlerische Blüten, Oregano und Thymian blühen und müssen rasch gepflückt werden. Tja, und nun ist auch die Zeit für die Maulbeerernte, und ich kann mir nur allzu gut vorstellen, dass in früheren Zeiten eine Hausfrau mit eigenem Garten eine Menge Maulbeeren essen musste, um nicht in Stress zu geraten...

 

Das eingangs erwähnte Buch „Middlesex“ ("Mehr Info") macht neugierig auf das Thema Seidenherstellung. Aber ich bin schon genug damit beschäftigt, all die Früchte zu verarbeiten, geschweige denn, demnächst auch noch mit der Produktion von Seide zu beginnen...

 

 

Copyright ©Julie Smit 2009