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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Hier an der Küste…

Hier an der Küste…

 

1.November 2009 - Willkommen in der Hölle von Lesvos

Aus dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski  

 

Vor ein paar Wochen stattete ein hoher Würdenträger der griechischen Regierung dem geschlossenen Internierungslager für Flüchtlinge in Pagani, etwas außerhalb von Mytilini, einen Besuch ab und dabei äußerte er schockiert: „Hier sieht es aus, wie in Dantes Hölle!“ Nun, in dem Werk „Die göttliche Komödie“ von Dante Aligheri (1265-1321), schreibt dieser, dass über der Pforte zur Hölle eine Inschrift zu finden ist, in der auch dieser Satz steht: „“Lasst, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren“.

 

Der Vergleich mit Dantes Inferno hinkt schon von daher, dass dort Heiden schmoren, während in Mytilini derzeit gläubige Muslime festsitzen. Aber dann: Dante setzt den König Minos in seiner „Göttlichen Komödie“ an den Eingang zum 2. Kreis der Hölle (insges. gibt’s 9Kreise) und lässt ihn über die Seele der Verdammten urteilen und ihnen einen Platz in der Unterwelt zuweisen, genau wie es die griechische Regierung mit den Flüchtlingen handhabt. So schicken sie Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern oder Angehörige hier gestrandet sind, nach Agiassos ins Auffanglager, dabei ist doch das einzige, was ein jeder von denen, die aus großer Not aus der Heimat geflohen sind, will, dass er weiter nach Athen kommen kann, dem „Tor nach Europa“.

 

Dantes Hölle ist voller Sünder, aber ich glaube nicht, dass all die Flüchtlinge im Auffanglager Pagani habgierig und geizig sind, oder gar Alchimisten, Lästerer, Gewalttäter und Mörder, obwohl es unter ihnen auch böswillige Menschen gibt, die sich unter die „echten“ Asylsuchenden mengen, um so illegal ins Land zu kommen, was der Mord an dem griechischen Schauspielers Nikos Sergianopoulos zeigt: Der Georgier hat sich in einer Gruppe aus Flüchtlingen über Samos eingeschleust, obwohl er früher bereits des Landes, wegen anderer kleiner Vergehen, verwiesen wurde.

 

In den letzten Wochen kam es zu gewalttätigen Protesten der Flüchtlinge in Mytilini, um so auf die menschenunwürdigen Zustände, denen sie nun schon solange ausgesetzt sind, aufmerksam zu machen. Man muss sich einmal bewusst machen, dass mittlerweile um die 700 Personen in einem Lager eingeschlossen sind, das aber eigentlich nur für 200 Platz hat. Ich denke, jeder von Ihnen hat genügend Phantasie, um sich vorzustellen, was das hinsichtlich Platz, Hygiene, Verpflegung etc. bedeutet. Nun, da kann man dem Vergleich mit Dantes mittelalterlicher Hölle zustimmen. Hinzu kommt noch, dass in der vergangenen Woche Teile des Zentrums von Insassen in Brand gesetzt wurden.

 

Seit September sucht nun die Regierung nach Lösungen. So verschiffte man eine große Anzahl Flüchtlinge nach Athen. Natürlich wollte ein jeder einen Platz, und so kam manch einer auf die Idee, die dort tätigen Ärzte anzuflehen, ihnen eine Krankheit zu attestieren, um so einen Platz in die „Freiheit“ zu ergattern. Ein Arzt, der dies verweigerte, wurde tätlich angegriffen. Die Folge: Der Arzt verließ das Flüchtlingslager und all die anderen Helfer fühlen sich dort nun des Lebens nicht mehr sicher. Auch die Polizei fühlt sich bedroht, ist innerhalb des Lagers abgezogen und hält nur noch außerhalb Wache, zumal sie von den Insassen beschuldigt wird, einen 17-jährigen geschlagen zu haben.

 

Nach Monaten des Kampfes wurde das Flüchtlingszentrum nun an diesem Wochenende geschlossen. Ob dies jedoch eine Lösung ist, wage ich zu bezweifeln, denn alle Flüchtlinge, die jetzt hier auf Lesvos ankommen – und der Strom wird nicht abreißen – werden nach Chios gebracht, wo sie bestimmt auch niemand mit offenen Armen empfangen wird, denn dort wird man ja schon mit den Asylsuchenden überschwemmt, die über die Türkei kommen. Wie lange wird es wohl dauern, bis die gleichen Missstände wie hier dort herrschen?

 

Denkt man an die Hölle, so denkt man an ein brennendes Inferno, aber am vergangenen Dienstag gab es ein höllisches Inferno auf dem Wasser: Ein kleines Boot mit 17 Menschen an Bord kenterte. Es waren Flüchtlinge aus Afghanistan und ein „Asylbewerber“ aus der Türkei, der, gerade aus dem Gefängnis entlassen, keine Arbeit in seiner Heimat finden konnte, und für eine gute Stange Geld die Flüchtlinge nach Griechenland schmuggelte. Das Boot lief auf einen Felsen in der Nähe des kleinen Hafendorfes Skala Sykaminia, und 3 Frauen und 5 Kinder fanden den Tod. Ein 14-jähriger Junge verlor so seine Mutter und seine 2

Brüder, ein bereits in Deutschland lebender Mann, der in dieser illegalen Route einen Weg sah, seine Angehörigen schneller wieder in die Arme schließen zu können, als auf die langwierige legale bürokratische Art und Weise, hat nun Frau und Kind für immer verloren. Ungeklärt ist bislang noch, ob der Ehemann der Frau, die ebenfalls mit ihren beiden Kindern ertrunken ist, als vermisst gilt oder zu der Gruppe der Überlebenden gehört.

 

Menschen, die solch eine lebensgefährliche Reise auf sich nehmen, versuchen so auch einer Hölle zu entkommen. Sie kommen aus dem Sudan, aus Afghanistan, Pakistan, Palästina und anderen solcher Länder, wo sie unter höllischen Umständen leben müssen, Umstände die von gierigen Machthabern errichtet wurden, die, ginge es nach Dante, in den tiefsten Punkt der Hölle, dem Eissee Cocytus, geschmissen werden würden, dort wo alle kahlen Schädel der Verräter schwimmen.

 

Wie traurig und erschütternd ist es, dass es auf dieser Welt so viele Höllen gibt, aus der die Menschen fliehen müssen, um dann – was sie zu Beginn ihrer hoffnungsvollen Reise nicht wissen können – von einer Hölle in die andere zu gelangen. Und dennoch, das Flüchtlingszentrum bei Mytilini mit Dantes Hölle zu vergleichen, ist ein wenig übertrieben, vor allem wenn man einen Blick in die Heimat der Fliehenden wirft...

 

 

Copyright ©Julie Smit 2009