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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Brand in Eftalou
24.August 2009 - Biblische Katastrophe
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Attika brennt; das flammende Inferno frisst sich einen Weg durch ein
prächtiges, waldreiches Stück Natur, mit haushohen Nadelbäumen, durch
ein Gebiet, dem man einst den Namen „Lungen von Athen“ gab. Das Feuer
hinterlässt Häuser in Schutt und Asche und bedroht den nördlichen
Stadtrand von Athen. Diese Tragödie ereilt das Land gerade mal 2 Jahre
nach den katastrophalen Bränden auf der Halbinsel Peleponnes, die ca. 70
Todesopfer gefordert haben.
Am
Sonntag verfolgte ich den erbarmungslosen Kampf gegen das Flammenmeer am
Bildschirm, und mir fiel sofort auf, dass es überwiegend Zivilisten
waren, die sich dort, mit allem was ihnen in die Hände kam, also mit den
primitivsten Hilfsmitteln, der Feuersbrunst entgegenstellten und so
versuchten, ihre Besitztümer - und auch das ihrer Nachbarn - irgendwie
zu retten. Hilflos musste ich zusehen, wie die verzweifelten Menschen
mit Gartenschläuchen, Wassereimern, Sand, Schaufeln, Decken und
Kleidungsstücken gegen die lodernden Feuer kämpften.
Ausgebrochen ist das Feuer am späten Freitagabend, breitete sich am
folgenden Tag rasend schnell aus, und erst am Sonntag erkannte man das
riesige Ausmaß der Katastrophe. Am Morgen dieses Tages wurde dann auch
endlich die Regierung wach, Ministerpräsident Karamanlis ließ sich im
Armeehubschrauber über das Brandgebiet fliegen und berief in seinem
Athener Amtssitz eine Krisensitzung nach der anderen ein. Der
sozialdemokratische Oppositionsführer Papandreou jedoch stattete gleich
einem der bedrohten Dörfer einen Besuch ab. Es dauerte lange, bis die
Regierung handelte, indem sie Polizei und Armee dazu aufrief, der
Feuerwehr zu helfen, die unmöglich die unzähligen Brandherde, die sich
mittlerweile kilometerweit ausgebreitet hatten, unter Kontrolle bringen
konnten. Ich weiß nicht, wer die Milchwagen und Züge in Bewegung setzte,
um Wassermassen an die Unglücksstellen zu bringen.
Noch am Morgen und am Nachmittag des nächsten Tages kämpften die Bürger
weiter, und an den wenigen Orten, an denen sich Feuerwehr und Polizei
einfanden, zog man Hand in Hand zu Felde gegen das Inferno. Die Menschen
wurden eindringlich aufgefordert, zu fliehen, aber der Großteil weigerte
sich, und selbst Frauen und Großmütter blieben, um dabei mitzuhelfen,
das zu retten, was zu retten war. Ihre Entscheidung war richtig, denn in
welchem Ausmaß hätten sich die Feuer ausgebreitet, wenn sie nicht
gekämpft hätten? So viele Orte standen da ohne jegliche Unterstützung
durch Brandwehr oder Löschflugzeuge. Dieser bürgerliche Ungehorsam
machte diese Menschen somit zu Helden.
Tagsüber waren es Korrespondenten, die auf den verschiedenen TV-Kanälen
über die Katastrophe berichteten. Doch als die Sonne untergegangen war,
ging der Medienzirkus los, denn die Bürger riefen in den Studios an, um
ihrer Wut und Verzweiflung Luft zu machen. Die Moderatoren hatten große
Schwierigkeiten, dem zornigen Wortschwall der Anrufer Herr zu werden,
und manch einer wurde einfach abgehängt. Aber ich bitte Sie, die
Menschen sind doch zu verstehen, oder, wie würden Sie reagieren, wenn
man Sie einfach nach Athen evakuieren will, ohne das auch nur irgendeine
Betreuung dort geregelt ist?
Zurecht ist diesen Menschen der Kragen geplatzt. Einem Bericht der BBC
zufolge, hat Griechenland immer noch viel zu wenig Personal und
Ausrüstung, um Bränden in dieser Größenordnung gegenübertreten zu
können. Es ist doch wirklich beschämend und traurig, dass die Regierung
rein gar nichts aus der Katastrophe vor 2 Jahren gelernt hat, und die
einzige Vorsorge, die seitdem getroffen wurde, die ist, dass die
Kommunen angewiesen wurden, ab dem Frühjahr das Gras an den Rändern der
öffentlichen Verkehrswege kurz zu halten...
Na,
machen die es sich einfach? Aufträge erteilen ja, aber wenn die
Gemeinden um Hilfe rufen, dann werden sie nur äußerst selten in ihrer
Not unterstützt. Auch der Bürgermeister von Molyvos schickte letzte
Woche einen schriftlichen Hilferuf an die Hauptstadt. Er machte darin
klar, dass die Gemeinde angesichts der nunmehr unzähligen Brände
dringend Brandbekämpfungsmittel benötigt und bat eindringlich um
personelle Unterstützung, damit der Brandstifter endlich auf frischer
Tat geschnappt werden kann, denn die Feuer lodern weiterhin regelmäßig
um Molyvos herum auf. Bislang ist – Gott sei Dank – weder ein Mensch
noch ein Haus zu Schaden gekommen, aber muss es erst dazu kommen? Muss
es erst aus dem Ruder laufen, wie jetzt in Attika?
Vor
einigen Wochen konnte ich selbst die traurige und erschreckende
Erfahrung machen, wie es ist, einem solch prasselnden Flammenmeer
gegenüber zu stehen, als zwischen dem Hotel Panselinos und der Pizzeria
Eftalou ein Feuer ausbrach. Es war so beängstigend, und wie erleichtert
war ich dann, als Touristen und Passanten es mit vereinten Kräften
schafften, das Feuer auszuschlagen.
Das
Internet gibt allerlei Tipps, was zu tun ist, wenn Flammen Ihr Haus
bedrohen. Alle Holzmöbel und leicht entflammbaren Gegenstände müssen an
ein geschütztes Eckchen im Freien getragen werden. Gestapeltes Brennholz
vor dem Haus, morsche Äste an Bäumen sollten entfernt, tja, am besten
gleich die ganzen Bäume gefällt werden. Auch die Menschen in Attika sah
ich so vorgehen. Weiter rät man: Drehen Sie das Gas ab, schließen Sie
die Türen (aber nicht abschließen, damit die Feuerwehr rein kommt) und
klappen Sie Fensterläden zu. Die Lampen müssen Sie aber anmachen, damit
das Haus trotz Rauch sichtbar bleibt. Jetzt Eimer mit Wasser füllen und
den Gartenschlauch anschließen. Zuletzt bleibt noch, Wertgegenstände,
wichtige Sachen und Dokumente zusammensuchen und ins Auto packen, das
für eine evtl. Flucht bereit stehen sollte.
Eine Studie von Nikolas Zirogiannis für die Amherst Universität
Massachusetts, nach den Bränden 2007, hat ergeben, dass Olivenhaine die
Ausbreitung von Bränden blockieren kann und eine große
Bevölkerungsdichte ebenfalls Schutz darstellt. Genauso ist erwiesen,
dass Bürgerhilfe von großem Nutzen sein kann.
Also, ich schlage vor, dass ein jeder Bürger in Griechenland einen
Crashkurs in Sachen Brandbekämpfung bekommt, Kurse und diesbezügliche
Informationen online gestellt werden, die Medien darüber berichten, so
dass die breite Öffentlichkeit viel mehr über Brandschutz erfährt. Damit
ist sie dann weniger abhängig von einer versagenden Regierung und einer
Unterbesetzung von Feuerwehrleuten.
Copyright ©Julie Smit 2009 |