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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Herbstliches Abendlicht im Hafen von Molyvos
13.Oktober 2009 - Kalo Ftinopero!
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Nicht nur die Gastfreundschaft zeichnet die Griechen aus, sondern sie
begegnen einem auch immer mit den unterschiedlichsten guten Wünschen:
„Kali mera“ = Guten Morgen, „Kali apojevma“ = Guten Nachmittag, „Kalo
vradi“ = Guten Abend, „Kali nichta“ = Gute Nacht, dies nur die Wünsche
für einen Tag. Damit aber nicht genug, denn es ist genau so üblich Sie
mit guten Wünschen in die Woche und in den neuen Monat zu begleiten. An
einem jeden Montag schallt Ihnen ein „Kalo efdomada“ = Eine gute Woche!,
und am 1. eines Monats ein „Kalo mina“= Einen guten Monat!, entgegen.
Am
Ende des Sommers, wenn das Meer noch zum Schwimmen einlädt und das
Thermometer sich noch nicht weit von der 30 Grad-Marke entfernt hat,
hört man schon hier und da ein „Kalo chimona“ = Einen guten Winter! Ich
sage Ihnen, dass es bestimmt nicht mehr lange dauert, und sie werden uns
ein „Kalo Christojenna“ = Fröhliche Weihnachten“ entgegen rufen. Dann,
mitten im Winter, weil man es ja auch kaum abwarten kann, ist der Gruß
schon wieder „Kalo kalokeri“ = Einen guten Sommer!. Tja, und darum
erscheint es mir schon sehr seltsam, dass niemand einen guten Herbst
wünscht = „Kalo ftinopero“.
Ich
liebe die Jahreszeiten. Niemals würde es mich an einen Platz auf der
Erde treiben, an dem es keine saisonalen Veränderungen gibt, wie z.B. in
die Tropen. Ist es Herbst, gehe ich völlig in ihm auf: Dieses
fantastische Licht, die laue See, das gefärbte Laub, und dann dieser
unverwechselbare faszinierende Geruch von überreifen Feigen und Trauben,
verbunden mit dem der feuchten Erde und der süßen Quitten.
Ist
es im Sommer das knisternde Kaminfeuer, das ich vermisse, ist es im
Winter die flirrende Hitze und die Abkühlung im glasklaren Meer. Es ist
doch einfach herrlich, dass alles seine Zeit hat. Nach dem Herbst kommt
der Winter, vielleicht sogar mit etwas Schnee, aber sicherlich mit
behaglichen Stunden vor dem prasselnden offenen Kaminchen, und gerade
dann, wenn man genug davon hat, hält der Frühling, als Vorbote des
Sommers, wieder Einzug.
Aber ich muss es immer wieder sagen, dass der Herbst und der Frühling
für mich die schönsten Jahreszeiten sind. Mein Glück ist es, dass diese
hier auf Lesvos recht lang sind. Das erste Anzeichen dafür, dass der
Herbst nicht mehr weit ist, sind die Feigen, die Ende August zu reifen
beginnen. Je nach Witterung, dauert es dann eine Weile, bis der Herbst
sich manifestiert: Es wird kalt, ein wenig Regen fällt, Pilze schießen
ab Ende September aus dem Boden (manchmal aber auch erst im November).
Tja, und wenn Sie bedenken, dass die Griechen sagen, dass es erst im
Februar richtig Winter wird, können Sie sich vorstellen, über welch
langen Zeitraum sich der Herbst erstreckt.
Für
den Frühling gilt dies auch: Die erste Frühlingsblume, die lila Anemone,
entfaltet ganz vorsichtig ihre Blütenblätter im Dezember. Und dann, wenn
es für die Griechen mitten im Winter ist, zeigt sie sich in voller
Pracht mit all den anderen Frühlingsblumen und den blühenden Bäumen.
Eigentlich haben wir ja, laut der griechischen Mythologie, die dunklen
Jahreszeiten der Göttin Demeter zu verdanken: Der Gott der Unterwelt,
Hades, brauchte eine Frau. Er und Zeus entschieden sich für Persephone,
die Tochter der Demeter. Diese suchte sie dann vergeblich überall und
war dermaßen traurig, dass sie allen Pflanzen verbot zu wachsen, den
Bäumen Früchte zu tragen und den Tieren, sich zu vermehren. Tja, nun
musste Zeus sich was einfallen lassen. Er bestimmte, dass Persephone
zurückkehren dürfte, wenn sie noch nichts in der Unterwelt gegessen
habe. Hades war sehr unglücklich, denn er hatte sie nicht essend
gesehen, aber dann meldete sich ein Denunziant namens Askalaphos, dass
er gesehen habe, wie sie 4 Granatapfelkerne zu sich nahm.(Es wird auch
an anderer Stelle berichtet, dass Hades selbst ihr den köstlichen
Granatapfel angeboten habe und sie nicht widerstehen konnte). Zeus war
der Ansicht, dass dies ja wohl keine richtige Mahlzeit sei, und so kam
es zu folgendem Kompromiss: 4 Monate (für jeden Kern 1 Monat) musste
Persephone mit Hades in der Unterwelt leben und 8 Monate durfte sie mit
Ihrer Mutter auf der Erde verbringen.(Die Zahl der Kerne variiert in den
verschiedenen Überlieferungen zwischen 2 und 7).
Aber selbst, wenn wir davon ausgehen, dass Persephone nur 2 Kerne
gegessen hat, stimmt doch da was nicht, denn dann dürfte ja 2 Monate
nichts gedeihen. Vielleicht hatte Demeter ja schon was den heutigen
griechischen Politikern voraus und hat sich bestechen lassen, denn
Tatsache ist, dass hier auf Lesvos in jedem Monat etwas blüht und reift:
Im Oktober sind es die Quitten und Granatäpfel und die Erdbeeren blitzen
rot im (Erdbeer-)Baum, im November sind die meisten Kastanien und Oliven
reif für die Ernte, die bis in den Januar dauern kann, im Dezember
erfreuen uns die ersten Anemonen, und Pilzsucher vermelden die ersten
Funde von Wiesenchampignons, weiter geht’s mit den anderen Pilzsorten,
die nach den ersten Regenschauern aus dem Boden schießen und in den
Herbst- und ersten Wintermonaten zu finden sind. Im Januar verzaubert
die Mandelblüte die Insel, Orangen, Mandarinen, Zitronen hängen
leuchtend an den Baumzweigen und im Februar blühen dann noch viele
andere Bäume. In den nassen Monaten erwartet uns das saftige Grün der
vielen Chorta-Sorten, tja und im März wird man eh ganz verrückt vor
Freude, über die bunte Pracht der Frühlingsblumen und kann es kaum
erwarten, dass man ganz bald Wilden Spargel ernten kann, der seine
Stängel schon jetzt in den Himmel streckt. So, wo liegt die Natur nun
hier brach dar, in den dunklen Monaten?
Ach, ich muss ja noch hinzufügen, dass im Winter die Felder ja auch noch
voll sind, mit diversen Kohlsorten, Spinat, Salat, Kichererbsen. Einen
Acker, auf dem Winter nichts reift, gibt’s hier nicht, und geerntet wird
auf Lesvos das ganze Jahr hindurch. Also, entweder ist Persephone schon
lange nicht mehr im Hades gewesen, und Demeter hat keinen Grund mehr
traurig zu sein, oder die Griechen haben ihr wirklich den einen und
anderen gutgefüllten Geldumschlag unter dem Tisch zugespielt, dass all
die Dinge so reichlich wachsen...
Nach einem warmen herrlichen Spätsommer sollen wir – laut
Wettervorhersage – nun endlich herbstliche Temperaturen bekommen, und
wer weiß, vielleicht wird all das was jetzt grünt, blüht, wächst und
gedeiht demnächst mit Regen gesegnet. Der zart rosa gefärbte Abendhimmel
kündigt jedenfalls schon an. Eine meiner Lieblingsjahreszeiten ist
definitiv angebrochen. Kalo ftinopero!
Copyright ©Julie Smit 2009 |