|
BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Assómatos zur Zeit der Siesta
25.Mai 2009 - Das Geheimnis des Ikarianischen Lebens
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Können Sie sich vorstellen, auf einer griechischen Insel zu leben und
100 Jahre alt zu werden? Keinen Stress, ein kleines eigenes
Gemüsegärtchen bewirtschaften, immer auf das strahlend blaue Meer
schauen zu können, wann immer Ihnen der Sinn danach steht, wundervolle
Spaziergänge durch die Bergwelt zu machen, wildes Gemüse ernten, Feigen
und Nüsse sammeln, mit Freunden im Kafenion sitzen, mittags ein
Nickerchen machen und – ganz wichtig – sich nach der Ikarianischen Art
und Weise zu ernähren.
So,
jetzt hab ich Ihnen bereits
"Das Geheimnis des Ikarianischen Lebens"
verraten. Auf diese Weise haben Sie, laut dem amerikanischen
Gesundheitsguru Dan Buettner, gute Chancen auf eine gesunde Lebensweise
und Langlebigkeit. 4 Gebiete in der Welt hat der Forscher, Autor,
Pädagoge, als
"Blaue Zonen"
erklärt. An diesen Plätzen soll die Umwelt förderlich für eine hohe
Lebenserwartung sein. Neben der griechischen Insel Ikaria, nennt
Buettner die Halbinsel Nicoya in Costa Rica, Okinawa (eine Insel 250
Seemeilen von Japan entfernt) und Loma Linda, eine Stadt in Kalifornien.
Die Ergebnisse seiner Untersuchungen fasste Buettner in einem Buch
zusammen, das letztes Jahr erschienen ist und übersetzt soviel heißt,
wie: „Die Blaue Zone - Ein Ratgeber für ein längeres Leben, von
Menschen, die am längsten gelebt haben“ (
"The
Blue Zone – Lessons for living longer from the people who´ve lived the
longest"
).
All
die genannten Regionen haben ihre Geheimnisse, und das von Ikaria liegt
nicht nur in der gesunden Ernährung, sondern auch im sozialen Leben und
in der Bewegung. Die „Ikarianische Diät“ ist eine Variante der
klassischen „Mittelmeer-Diät“: Viel Gemüse (hauptsächlich wild wachsend
und Bohnen), wenig Zucker und Fleisch, nicht so viel Getreide und Fisch
wie in der „Mittelmeer-Diät, dafür mehr Kartoffeln und Ziegenmilch,
regelmäßig nahrhaften Honig, Kräutertee, Rotwein aus eigener Herstellung
und natürlich viel Olivenöl.
Bei
der erwähnten Bewegung, sollten Sie nicht davon ausgehen, dass sich alle
Bewohner solch eines kleinen griechischen Dorfes regelmäßig auf einem
Heimtrainer abstrampeln, sich zur allmorgendlichen Gymnastik auf dem
Dorfplatz versammeln, wie das in Japan praktiziert wird, oder gar ein
jeder Mitglied im hiesigen Fußballverein ist. Vielmehr sind die Griechen
ja dafür bekannt, dass sie sich eigentlich viel zu wenig bewegen. Eine
jede Strecke, und sei es nur die zum 10 Meter entfernten Supermarkt,
wird motorisiert zurückgelegt. Für die Einheimischen hier auf Lesvos ist
es unbegreiflich, wie man auf die Insel kommen kann, um zu wandern, und
noch immer kommt es vor, dass sie ihr Auto neben Touristen, die zu Fuß
gehen, stoppen und anbieten, sie mitzunehmen, zwar nicht mehr ganz so
häufig, wie es mal war, da man auch hier so langsam realisiert, dass
Spazierengehen förderlich für die Gesundheit ist.
Die
Bevölkerung im Norden von Lesvos, dem touristischen Teil, lebt auch
lange nicht so gesund, wie die Menschen auf Ikaria, immer noch zieht man
einen „Auto-Spaziergang“ vor. Häufig hört man in Molyvos von Bewohnern,
die Last mit Herz- und Gefäßkrankheiten haben und ein Alter von 60
Jahren nicht erreichen. Tja, und wenn man dann bedenkt, dass ein Drittel
der Bevölkerung von der Insel Ikaria, 90 Jahre alt geworden ist... Aber
eigentlich kann Molyvos doch an den Maßstäben eines Bergdorfes gemessen
werden, denn die Wege sind steil, und eine jede Strecke in die Dorfmitte
ist mit vielen Schritten auf und ab verbunden. Meine volle Bewunderung
haben die alten Menschen, die ihre Einkäufe und Besuche zu Fuß
erledigen, die kopfsteingepflasterten Gassen und Treppen langsam rauf
und runter, während die jüngeren Leute sie mit dem Motorrad oder Auto
überholen.
Ein
weiterer Punkt für ein gesundes Leben: Das Bewirtschaften eines eigenen
kleinen Gartens. Nicht nur im Hinblick auf die Ernte von nahrhaftem Obst
und Gemüse, sondern auch, weil man damit regelmäßig in Bewegung bleibt:
Umgraben, pflanzen, Unkraut ziehen, ernten. Ein täglicher Spaziergang
und Gartenarbeit sind ausreichend, um fit zu bleiben.
Der
nächste Faktor für den guten Ikarischen Lebensstil ist die Siesta,
früher im griechischen Alltag nicht wegzudenken. Doch die Touristen
kamen und diese Gewohnheit geriet in den Urlaubsorten immer mehr in
Vergessenheit. Kommt man heute zur Mittagszeit nach Molyvos, so ist es
lebhaft auf den Straßen. Die Dörfer auf Ikaria jedoch sind in dieser
Zeit wie ausgestorben, ein jeder hält in diesen Stunden sein Nickerchen.
Dazu muss noch gesagt werden, dass die Griechen ihre Hauptmahlzeit am
Mittag zu sich nehmen und ein Schläfchen danach ja wohl mehr als
verlockend ist.
Der
erstaunlichste Faktor der guten Ikarischen Lebensform ist das soziale
Leben. Hier in Griechenland sind die Familienbande noch immer sehr eng
geknüpft, und nicht selten leben 3 Generationen unter einem Dach.
Altersheime sind praktisch unbekannt in Griechenland. Großeltern spielen
hier eine wichtige Rolle bei der Kindererziehung und im Haushalt, so
dass die alten Menschen immer noch wichtige soziale Aufgaben haben. Für
die Menschen auf Ikaria ist alleine wohnen einfach ungesund. Einige
Griechen behaupten auch, dass der regelmäßige Kirchenbesuch zum
Älterwerden beiträgt... (vielleicht ist es der zusätzlich zu Fuß
zurückgelegte Weg?).
Im
Bezug auf das Essen ist die „Blaue Zone-Botschaft“ klar: Die Ernährung
soll aus überwiegend frischen Produkten bestehen, die Küche soll
abwechslungsreich sein und das bieten, was die Jahreszeit hergibt. Die „Ikarische
Diät“ besteht überwiegend aus heimischen Produkten, wie es sie auch auf
Lesvos gibt. Trotzdem tendiert man hier doch zur typischen
„Mittelmeer-Diät“, mit mehr Fisch und Getreide. In letzter Zeit prangern
Wissenschaftler immer häufiger die beunruhigenden Auswirkungen des
modernen Lebens auf die Ernährung hin, denn die gesunden Essgewohnheiten
werden verdrängt durch Tiefkühlprodukte (z.B. Pizza) und Fast-Food ist
auch in Griechenland schon lange kein Fremdwort mehr, schon gar nicht in
den Touristengebieten. Zum Glück hat sich Lesvos in dieser Beziehung
noch nicht der Neuzeit angepasst, und hier müssen (wollen) selbst die
Urlauber vorlieb nehmen mit der traditionellen griechischen Küche, die
fast in jeder Taverne angeboten wird.
Nun, vielleicht werden hier auf der Insel nicht so viele Leute 90 Jahre
alt, wie auf Ikaria, aber ich möchte wetten, dass in den Bergdörfern,
dort wo man noch die frühere griechische ländliche Lebensweise pflegt,
ein Drittel der Bewohner sicherlich die 80 erreicht. Lesvos ist bestimmt
eine hellblaue Zone...
Copyright ©Julie Smit 2009 |