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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Turmhaus in Sigri
3.Juni 2009 - Kreationen aus Stein
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Auch wenn Sie längere Zeit auf der Insel verbringen, so vergeht nicht
ein Tag, an dem Sie nicht mit Steinen in Berührung kommen, denn sie sind
wirklich all überall. Ist man am Strand, kann man aus dem Kiesel
wunderschöne bunte Steine fischen, und will man im Garten ein Röslein
pflanzen, so stößt man mit seiner Schaufel garantiert auf ein
unbewegliches steinernes Hindernis. Steine werden hier ein Teil des
Lebens: Mäuerchen zieren die Gärten, stützen Olivenhaine, viele
traditionelle Häuser sind aus Naturstein gebaut, die Landschaft ist
übersät von riesigen Gesteinsbrocken und in den Bergen funkeln
farbenprächtige Felsformationen.
Lesvos war einst eine Insel mit Vulkanen, die nicht nur Feuer gespuckt
sondern auch enorme Geröllmassen über die Landschaft geschleudert haben.
So liegt das Plateau von Skalochóri wie eine Mondlandschaft dar, massige
Felsen auf ihr verstreut, als hätten Zyklopen gerade dort geknickert,
oder denken Sie nur einmal an das Wahrzeichen von Pétra, dem schroffen
Kirchenfelsen, auf dem die „Panagia Glykofiloúsa“ steht (Stein = griech.
Pétra). Mysteriöse kleine Steinhaufen zieren die Hochebene von Michou,
und wie schön und beliebt sind die schwarzgrauen Kieselstrände in
Eftalou (der überwiegend mit weißen Steinchen bedeckte Strand in Skala
Kydonia ist weniger bekannt).
Die
Gebirgszüge oberhalb von Plomári nennt man auch „Kristallberge“, da sie
viele Bergkristalle und andere Halbedelsteine verstecken. An den
südlichen Stränden der Insel ist deshalb auch das größte Vorkommen von
farbenprächtigen Kieselsteinen. Im Westen sorgen die versteinerten Bäume
dafür, dass bunt gefärbte Steinchen (die Splitter der Millionen von
Jahren alten Bäume) zum Wasser finden. Die karge, mit Steinen übersäte
Insellandschaft wird durchzogen von unzähligen langen Mauern, die, wie
steinerne Adern über die Berge kriechen.
Dass Häuslebauer sich von diesem Überfluss haben inspirieren lassen, ist
nur logisch. So sind die traditionellen Häuser in Molyvos und auch in
den meisten anderen Dörfern aus Naturstein gebaut. Sie sind jedoch
nicht, wie für Griechenland typisch, weiß gekälkt und die Dächer sind
rot gedeckt. (Sigri ist das einzige „weiße Dorf“ auf Lesvos). Allein
die, einem Wintergarten ähnelnden, Erker sind aus Holz. Heutzutage wählt
man als Material für den Hausbau Betonblöcke, die Wände werden verputzt
und gestrichen. Jedoch gibt der eine oder andere Architekt oder
Hausbesitzer dem Ganzen zum Schluss einen kleinen traditionellen Touch,
indem er einzelne Wände mit dekorativem Naturstein verkleiden lässt. Nur
noch wenige Bewohner wählen die traditionelle Bauweise, ganz aus Stein,
für ihr neues Haus.
Eine Variation zu den Natursteinmauern ist die Hinzufügung von Ziegeln.
Die Gebäude, in denen die Oliven gepresst werden, bestehen fast alle,
wie ihre hohen Schornsteine, aus Backsteinen. Im Ypsilon-Kloster kurz
vor Sigri sind die Wände und Dächer der Kapellen damit verziert. Im
Bergdorf Ambelikó, am Fuß des Olympos, Richtung Plomari gelegen, hat der
Priester der Kirche „Agios Nikolaos“ mit Backsteinen seine kreative Ader
richtiggehend ausgetobt: Das Eingangsportal zeigt ein wunderschönes
dekoratives Zusammenspiel von Natur- und Backsteinen, ebenso der Brunnen
und die zierlichen Bögen bei den Gemeinderäumen, die sich auf demselben
Terrain befinden.
Früher wurden die Steinhäuser außerhalb des Dorfes mit kleinen
Aussichtstürmen errichtet, um damit die Piraten frühzeitig zu sichten.
So sind die berühmten „Turmhäuser“ von Lesvos entstanden, von denen man
noch heute viele, hauptsächlich in der Gegend um Mytilini, sehen kann.
Auf dem Weg nach Sigri, können Sie kurz vor dem Dorf, rechterhand,
versteckt zwischen Bäumen und an einem Hügel, einen Backsteinbogen
erkennen, der zu einem recht eigenwilligen Turmhaus gehört. Jedes Mal,
wenn wir nach Sigri kamen, befand sich ein Bogen oder Türmchen mehr an
dem Gebäude. Letztes Jahr habe ich dann im Internet erfahren, dass es
sich um das luxuriöse Hotel
„Tower House“
handelt, das über 4 Appartements verfügt. Die Besitzer, Evangelia und
Dimitrios Komninos, haben vor 11 Jahren mit dem Bau dieser Festung
begonnen: Ein kastellartiger Komplex, mit Türmen, überdeckten Terrassen
und fröhlichen Bögen, alles aus Holz, Natur- und vielen alten
Backsteinen, die man dazu verwendet hat; um Wände und Terrassen
dekorativ zu gestalten. Nicht dass man Piraten erwartet, sondern einfach
weil diese einstige Architektur der Insel sie fasziniert.
Dimitrios, der auch alte Häuser restauriert, ist aber noch lange nicht
fertig mit seiner Arbeit: Neben dem Hauptgebäude hat er ein neues Haus
errichtet, in dem eine große luxuriöse Wohnung entstehen soll. Je mehr
er baut, umso mehr kreative Kräfte scheint er zu entwickeln, denn der
Neubau erstrahlt nur so in seiner wunderschönen Backsteinverzierung.
Nicht nur von außen, sondern auch von innen, spielen die Materialien
Holz und Stein auf eine geradezu künstlerische Art und Weise zusammen.
Dimitrios hat aus gefundenem versteinerten Holz selbst 2 gerahmte
Wanddekorationen gemacht. Die Appartements sind geschmackvoll
eingerichtet, mit schweren Möbeln aus Holz, teilweise antik, einige aus
Asien, zierlichen weißen Spitzengardinen und wunderschönen klassischen
Teppichen. Der Blickfang in dem neuen Appartement ist ein antikes
Holzbett aus Indien, dass einst einen reichen indischen Raja als Sitz
auf einem Elefanten diente.
Auf
dem Gelände, dass eine magische Aussicht auf Sigri, den Hafen und die
Insel Nissiopi bietet, finden Sie romantische Sitzecken, schrullige
Möbelstücke und Steine, die es wert sind, in einem Museum für moderne
Kunst ausgestellt zu werden, ein Schwimmbad mit Bar, einen Ofen und
einen Grill, einen Aussichtsplatz und eine Spielwiese, Obstbäume,
Blumen, Wasserfälle, nun kurz gesagt, ein Platz mit allem, was dazu
gehört, um sich stundenlang die Zeit zu versüßen. Zeitgleich mit der
neuen Wohnung, auf der oberhalb noch eine andere entsteht, baut
Dimitrios ein Kirchlein, ohne Frage; verziert mit Steinen.
Sollten Sie einige Tage in diesem sprichwörtlichen „Tower House“
verbringen, habe ich einen Tipp für Sie: Der beste Platz, um die Sonne
im Meer versinken zu sehen, ist die „Café-Par Etzi“ (kein
Schreibfehler!), die einsam und verlassen in den Feldern vor dem
Sandstrand von Faneromani liegt, 1-2 km von Sigri entfernt. Mit etwas
Glück bekommen Sie dort den Retsina in Gläsern der Großmutter von Nondas,
dem Eigentümer, serviert. Und vielleicht haben Sie auch die Chance, ein
Runde in seinem selbst gebauten Automobil zu drehen. Ich selbst hatte
keine Zeit dieses motorisierte Paddelboot zu testen, während meines
Aufenthaltes in diesem zauberhaften Hotel, in der traumhaften Umgebung
von Sigri, am Fuße der Berge, die noch immer hunderte von versteinerten
Bäumen versteckt hält. Hier würden auch Sie in der „Etzi-Bar“ ewig
sitzen bleiben wollen...
Copyright ©Julie Smit 2009 |