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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Alte Olivepresse bei Millelia
3.Dezember 2009 - Oliven-Menuett
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Die
Nacht, bevor wir eine Wanderroute der Andersons in Angriff nehmen
wollten, habe ich kaum ein Auge zu gemacht. Einmal, weil die Erfahrung
mir gezeigt hat, dass ich nicht so eine ausdauernde Wandersfrau bin, um
ohne Probleme das hoch in den Bergen thronende Dörflein Koernella zu Fuß
zu erreichen und dann auch, weil die Wege, die Eileen und Brian Anderson
in ihrem Büchlein „Lesvos – Wanderungen und Autotouren“, erschienen im
Sunflower-Verlag, beschreiben, nicht unbedingt meine Favoriten sind, da
das Risiko, sich zu verlaufen, mit einhergeht und man die angegebene
Dauer eines Spaziergangs direkt von vornherein verdoppeln muss. Aber
der Reiz überwiegte meine Skepsis, denn seit Jahren, immer wenn ich nach
Plomari fahre, bestaune ich das Dörflein aus der Ferne und frage mich,
wie man dort hinkommt und wie es dort wohl aussehen mag.
Den
„mittelschweren“ Wanderweg zu bewältigen, dabei half mir, dass ich es
auf den letzten Metern kaum noch erwarten konnte, dass doch bitte
endlich dieses verdammte Dorf vor meinen Augen auftauche möge. Und als
das Ziel dann endlich erreicht war, hatte ich erfreulicher Weise sogar
noch genug Energie, durch die malerischen engen Gassen mit ihren –
überwiegend unbewohnten – Häuschen, zu stromern. Die Herbstfärbung der
Platanen machte das romantische Bild perfekt. Nur noch 3 Bewohner zählt
das Örtchen, das bestimmt schon einmal deutlich bessere Zeiten gesehen
hat.
Der
Rückweg mit seinen leichten Windungen hinunter zum Meer fiel mir
deutlich leichter. Unterhalb von Paleochóri, das auf der anderen Seite
des Tals gegenüber von Koernella liegt, mussten wir ein kleines Bächlein
überqueren, das rotschwarzes stinkendes Wasser hinab führte. Jippijeh,
welch ein erfolgreicher Tag, denn seit dem weiß ich nicht nur, wie es in
dem so lange Zeit von mir aus der Ferne bestaunten Koernella aussieht,
sondern auch, wo das schmutzige Wasser auf dem schönen Kiesstrand bei
Melinda herkommt, und zwar aus der Ölmühle von Paleochóri.
Auch wenn es in einer Olivenpresse nicht mehr zu sehen gibt, wie
Maschinen und Wasser, scheint sie trotzdem ein Quell der Verschmutzung
zu sein. Das Frischwasser, das zur Reinigung der Früchte und für die
Olivenölproduktion erforderlich ist, vermischt sich logischerweise mit
Restsaft und feststofflichen Abfällen. Diese Masse bezeichnet man als
„Olive Mill Waste“ (OMW).
OMW
enthält eine Art Pflanzenschleim, Pektine, Polyphenole und eine
Restmenge Öl. Auch wenn das alles natürliche Stoffe sind, so sind sie
aber doch nicht unbedingt Freunde der Umwelt, wenn sie so
hochkonzentriert in großen Mengen auftreten. Im Internet ist zu lesen,
dass Polyphenole (davon bleibt nach der Pressung noch genug im
Olivenöl), sehr gesundheitsfördernd sind: z.B. sind sie
entzündungshemmend, schützen vor freien Radikalen und sorgen dafür, dass
sich keine schädlichen Fette, in die Blutbahn setzen. Neue
Untersuchungen haben außerdem gezeigt, dass Polyphenol das Risiko, an
Alzheimer zu erkranken, deutlich mindern kann.
Dieser so beliebte Stoff fließt in diesen Wochen locker, fröhlich, frei
über die gesamte Insel. Jedes Dorf auf Lesvos, das etwas auf sich hält,
hat eine Olivenpresse, so dass auf der Insel ungefähr 70 Ölmühlen sind,
die in den nächsten Monaten mit voller Kraft laufen werden, um tausende
Tonnen von Oliven in herrlich grüngelbes Öl zu verwandeln.
Früher gab es weit mehr Ölmühlen auf der Insel, so drehten sich in den
goldenen Zeiten, so um das Jahr 1900, rund 200 von ihnen, meist
angetrieben von Dampf, aber sie konnten lange nicht diese Mengen
produzieren, wie die modernen Pressen heutzutage. Sind auch viele der
alten Maschinen inzwischen verrottet, hat man doch glücklicherweise für
einen Teil von ihnen kleine Museen errichtet und sie dadurch bewahrt, so
dass man noch heutzutage erfahren kann, wie sie seinerzeit aussahen und
funktionierten, und zwar in Millelia, Paleochori und Mandamados. Erst
kürzlich öffneten zwei weitere Ausstellungsstätten mit restaurierten
alten Ölpressen in
Agia Paraskevi und
Pappados ihre Türen. Zwei Olivenpressen hat man in Hotels
umgebaut:
“Olive-Press“, Molyvos, und
“Zaira-Hotel“, Skala Loetron.
Natürlich zerbrechen sich die Dezernate für Umweltschutz in Europa den
Kopf über die OMW-Problematik, denn es ist nicht allein nur ein
griechisches Problem, sondern in Spanien, Italien und Frankreich stehen
ja ebenfalls eine Anzahl Ölmühlen. Man experimentiert derzeit aber nur,
eine wirkliche Lösung ist bislang noch nicht gefunden. In Spanien
verkürzte man den Pressvorgang, um so die Wassermenge zu reduzieren, in
Kalamata (Peleponnes) versucht man die Abfallprodukte in Dünger
umzuwandeln, auf Kreta hat man Abwasserseen angelegt, auf Chios presst
man die Restmasse in den Boden, aber all diese gut gemeinten Bemühungen
haben einen wirklichen umweltfreundlichen Erfolg noch nicht gebracht.
Die
Lebensmittelindustrie, die ja immer mehr dahin tendiert,
gesundheitsbewusste Produkte auf den Markt zu bringen, schielt natürlich
jetzt auf den Oliven-Abfall, nein, besser gesagt auf die darin
enthaltenen Polyphenole. Na, da bleibt doch nur zu hoffen, dass die
Wissenschaftler und Manager alsbald einen Weg finden, dass das OMW genau
so effizient in Flaschen – besser noch in Tanks – abgefüllt werden kann,
wie das Olivenöl.
Auch ich habe letzte Woche wieder einige Tage bei der Olivenernte
geholfen und hatte Freude dabei, die man jedoch nur hat, wenn man diese
schwere Arbeit nicht über Wochen machen muss und sie gemeinsam mit
Freunden erledigt. Die Männer schlugen die Bäume, machten Witze dabei,
wir Frauen saßen zusammen in den Netzen, klaubten die Oliven aus den
heruntergefallenen Zweigen und dem Blattwerk heraus, mit viel Zeit für
Klatsch, Tratsch und manch ernsthaftem Gespräch. Tja, und dann folgte –
wie es üblich ist – anschließend ein köstliches gemeinsames Mahl, als
Belohnung für das getane Tagwerk. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass,
sollte man diese Arbeit nicht gewohnt sein, danach die Heißen Quellen
aufsuchen oder ein heißes Bad nehmen sollte, um den Muskelkater am
nächsten Tag zu vermeiden.
Tagsdrauf hatte ich zwar nicht an Muskelkater zu leiden, dafür aber
unter einer laufenden Nase und Niesanfällen, dabei war ich doch davon
ausgegangen, dass meine Betätigung unter Olivenbäumen und freiem Himmel
eine sehr gesunde sei. Na, vielleicht hab ich einfach nicht genug
Polyphenol eingeatmet oder gar eine Allergie gegen diesen Stoff?
Copyright ©Julie Smit 2009 |