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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Seelilien-Blüte während der Hundstage
19.Juli 2009 - Hundstage
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Die
Hundstage währen einen Monat lang, beginnend um den 20. Juli eines jeden
Jahres. Namensgeber ist das Sternbild „Großer Hund“, dessen größter und
somit hellster Stern „Sirius“ ist, der bereits in der Morgendämmerung
erscheint. Vom Aufgang des Sternbilds „Großer Hund“ bis zur Sichtbarkeit
als Gesamteinheit vergehen um die 30 Tage = die Hundstage.
Sirius hieß der Hund des Orion, einem ausgezeichneten Jäger. Artemis,
die griechische Göttin der Jagd und des Waldes, verliebte sich in Orion,
was ihren Zwillingsbruder Apollon sehr erzürnte. Es gibt einige Mythen,
um das Ableben von Orion, eine davon ist die, dass Apollon einen
riesigen Skorpion auf Orion hetzte, worauf dieser ins Meer flüchtete und
um sein Leben schwamm. Apollon forderte dann seine Schwester zum
Wettkampf heraus: Es gelinge ihr sicher nicht, einen kaum sichtbaren
Punkt, weit draußen im Meer mit ihrem Pfeil zu treffen... Artemis
schaffte es aber und bemerkte zu spät, dass sie den Kopf des Orion
durchbohrt hatte. Untröstlich platzierte sie ihn und seinen Hund Sirius
deshalb als unvergängliche Sternbilder an den Himmel und nahm sich vor,
sich niemals wieder zu verlieben.
Auf
der Kykladeninsel Kea, brachte man dem Hundsstern Sirius und dem
Göttervater Zeus in früheren Zeiten Opfer dar, damit ein kühler Wind
über die Insel streichen möge. Die Hundstage sind nämlich die heißeste
Zeit des Sommers. Für die alten Griechen bedeutete es eine gute Ernte,
wenn sich der Sirius am Himmel hell und klar zeigte, war dem nicht so,
oder war er gar mit Nebel überzogen, vermutete man Plagen und
Schädlinge. Die alten Ägypter befahlen das Öffnen der Schleusen im
ganzen Land, wenn sie den Hauptstern Sirius das erste Mal in der
Morgendämmerung am Osthimmel sahen. Innerhalb weniger Tage stieg dann
der Nil auch wirklich aus seinem Bett.
Nach früherem Aberglauben, begann mit den Hundstagen eine
sprichwörtliche Unglückszeit: Man sollte das Bad im Meer meiden, denn
das Wasser galt als giftig, man glaubte, der Wein würde in dieser Zeit
sauer, und die Menschen neigten zur Hysterie. Die Tollwut, so glaubte
man, bricht in den Hundstagen sehr heftig über die Hunde herein und
somit legte man ihnen den Maulkorb an.
Nun, was ich derzeit mit unserem Hund „Black Jack“ erlebe, zeigt mir
eher das Gegenteil: Er liegt den lieben langen Tag unbeweglich wie ein
Stein da und setzt nicht ein Bein vor das andere, denn es ist ihm viel
zu heiß, um sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen.
Nicht nur der Hund leidet derzeit unter der Hitze. Temperaturen um die
35 Grad auf Lesvos und an die 40 Grad im Landesinneren zeigt das
Thermometer. Auch ich habe meinen spanischen Fächer zum Vorschein
geholt, um mir Kühle zu verschaffen. Die Vorhersagen zeigen an, dass ein
Ende der Hitzewelle nicht in Sicht ist und uns der Schweiß noch bis
Mitte August ausbrechen wird.
Tja, man kommt in die Versuchung in einer der vielen Kirchlein auf der
Insel ein Kerzelein zu ehren von Sirius anzustecken und ihn um eine
kühle Brise anzubetteln. Derzeit ist es nur die Nacht, die Kühle
schenkt, unsere Körper und unseren Labrador Black Jack wieder aufleben
lässt, der dann endlich bereit für einen Spaziergang ist.
So
wie manche Menschen sich beschweren, mondsüchtig zu sein, frage ich mich
in den letzten Tagen schon, ob ich doch irgendwie unter den Hundstagen
leide. Gestern, zum Beispiel, überschwemmten mich arg düstere Gedanken
und ich durchlebte die Erinnerung an ein Buch, das ich bereits im Winter
gelesen hatte: „Die Straße“ von Cormac McCarthy. In diesem Roman wandert
ein Vater mit seinem Sohn durch ein verbranntes Amerika. Nichts bewegt
sich in der zerstörten Landschaft, nur die Asche im Wind. Es ist
eiskalt, der Schnee grau. Ihr Ziel ist die Küste, sie erwarten Rettung
dort. Sie haben nichts als einen Revolver mit 2 Schuss, ihre Kleider am
Leib, eine Einkaufskarre mit dem Nötigsten – und einander. Die Luft ist
voll Asche, die auch die Sonne verbirgt, auf den verlassenen
Schnellstraßen stehen Autowracks mit verkohlten Leichen, es regnet Russ,
es grünt nichts mehr: Die Bäume, wenn sie nicht heruntergebrannt sind,
fallen als Brennholz auf die Erde. (Interesse? Dann gehen Sie auf meinen
Link „Literatur“ und bestellen bei Amazon. G.Podzierski)
In
dieser schauerlichen aber doch großartig erzählten Geschichte wird nicht
verraten, welche Katastrophe über die Erde hereinbrach, die so ein
verheerendes Bild hinterließ. Sitze ich aber in dieser Hundehitze, so
kann ich mir schon vorstellen, was passiert ist. Mensch, die
Erderwärmung, die immer heißer werdenden Hundstage, da steigt doch die
Gefahr für Naturkatastrophen an. Stellen Sie sich vor, überall kommt es
plötzlich auf einen Schlag zu unzähligen Waldbränden und schon wird das
Szenario aus dem Roman Realität...
Hat
Cormac McCarthy seinen Roman vielleicht während der Hundstage
geschrieben? In dieser Hitze, die ermüdet, schlapp macht, einen
jeglichen Antrieb nimmt, etwas zu unternehmen? Die Idee vom Untergang
der Erde muss in den Hundstagen entstanden sein, denn es ist so
mühevoll, jetzt positiv zu denken.
Um
durch diese Tage zu kommen, muss man sich einfach dem Leben der Griechen
anpassen, was bedeutet, soviel Zeit, wie möglich, im Haus zu verbringen,
und wenn nicht dort, so doch auf jeden Fall im Schatten. Am frühen
Nachmittag eine Mahlzeit und dann ein langes Nickerchen, um danach fit
zu sein, den kühlen Abend zu genießen. Viele Griechen bevorzugen die
endlich frischen Abende, um so zwischen 19 und 20 Uhr ein Bad im Meer zu
nehmen. Wenn dann der rote Ball im Meer versinkt, nehmen sie ihren
Kaffee, um so aufgemuntert den späten Abend und die Nacht zu erwarten.
Essenszeit? Nun, so gegen 22 Uhr füllen sich langsam die Tavernen mit
griechischen Gästen. Danach flanieren sie durch die dörflichen Gassen
und genießen die angenehm warmen Sommernächte...
Copyright ©Julie Smit 2009 |