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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Brand !
14.Juli 2009 - Volksgericht
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Es
ist sehr sehr heiß auf Lesvos, und drum litten wir Tantalus-Qualen, als
wir am anderen Ufer den türkischen Himmel mit Wolken bedeckt sahen.
Tagsüber zeigten sie sich in Form eines riesigen Blumenkohls, und bei
Sonnenuntergang färbten sie sich golden. Als dann die Nacht einbrach und
unser Thermometer immer noch 30 Grad anzeigte, setzte bei unseren
türkischen Nachbarn eine fantastische Lichtshow ein: Taghelle Blitze
schossen aus den Wolken, machten die Luftgebilde durchsichtig und
färbten ihre Ränder in ein kräftiges Orange.
An
diesem eindrucksvollen Lichterspiel konnten wir teilhaben, aber bzgl.
Abkühlung oder gar Regen hatten wir das Nachsehen. Etwas neidisch
stellte ich mir den prasselnden Regen dort vor und eine herrliche kühle
Nacht, in der die Menschen einen erholsamen Schlaf fanden, während wir
uns hier noch nicht einmal im badewannenwarmen Meer abkühlen konnten.
Tja, neidvoll beobachtete ich die Blitze in der Ferne, obwohl wir uns ja
gar nicht über einen Mangel an Feuer beklagen können. Vor einigen Wochen
fing es wieder an – so wie im letzten Jahr - : Andauernd brannte es rund
um Molyvos! Das bedeutete wiederum eine sorgenvolle und schlaflose Zeit
für die Bewohner in „Mollywood“, dort wo die meisten Feuer tobten, und
voller Wut und Verzweiflung gründete man inzwischen eine Bürgerwehr, um
die Übeltäter bei frischer Tat zu ertappen.
Gerüchte darüber, wer die Feuerteufel sind, gibt es schon lange. Im
letzten Jahr hieß es, eine Gruppe Jugendlicher, die für die tobenden
Feuer verantwortlich sei, wäre von der Polizei festgenommen worden. Ob
es wirklich stimmt? Ich weiß es nicht. Fakt ist nur, dass danach kein
Band mehr, dass Dorf erschütterte.
Letzte Woche nun brach bei Kalloni ein solch riesiges Feuer aus, wie es
die Insel seit 2006 nicht erlebt hat, und bedrohte mehrere Stellen. Die
Brandherde versuchten sich ihren Weg nach Agia Paraskevi und an den Rand
von Klapados zu bahnen. Die örtliche Feuerwehr bekam Unterstützung von
Hubschraubern aus Chios, Samos und Thessaloniki. Gemeinsam kämpfte man
48 Stunden gegen das Flammenmeer, das trotzdem 600 Hektar Waldgebiet und
Ackerfläche vernichtete. Wenn Sie nun von Kalloni nach Petra fahren,
können Sie die schwarz verbrannte Erde nicht nur sehen, sondern auch
riechen.
Wiederum machen die Gerüchte über die Ursache schnell ihre Runde.
Natürlich verdächtigen einige Menschen die Türken, ein geflügeltes Wort
hier in Griechenland, wann immer es zu großen Bränden kommt. Andere
zeigen mit dem Finger auf die Pyromanen aus Molyvos, und in den Medien
wird die Vermutung laut, dass gepanzerte Armeefahrzeuge für einen
verheerenden Funkenflug sorgten. Der derzeitige Stand ist, dass die
Untersuchungen noch laufen und noch gar nichts feststeht.
Konnte man Brände rund um Athen mit Immobiliengesellschaften in
Verbindung bringen, profitiert hier auf Lesvos niemand davon, wenn
Ländereien abgefackelt werden. Wenn nicht, wie vermutlich hier in
Molyvos, ein Brandstifter am Werk ist, entstehen Brände meist durch
Nachlässigkeit: Weggeworfene Zigaretten, Flaschen oder Gläser, die in
der Natur liegen, Maschinen, die Funken schlagen, etc.
Laut einer Studie der
“Universität der Ägäis“
sind alle Brände auf Lesvos seit 2004 durch die Unachtsamkeit der
Menschen entstanden. In Mytilini ist der Bereich „Naturkatastrophen“
(weitere Abteilungen gibt es auf Samos, Rhodos, Chios, Limnos, Syros).
Hier setzt man sich intensiv nicht nur mit der Entstehung und dem
Verhalten von Brandherden auseinander, sondern versucht auch zu
erforschen, welche technischen Möglichkeiten es gibt, sie zu verhindern
bzw. frühzeitig zu erkennen. Leider hat all das nichts genützt, den
verheerenden Brand bei Kalloni zu verhindern. Wider jeglicher Vernunft
und Warnhinweisen, gibt es immer noch nachlässige Menschen, die einfach
Zigarettenkippen aus dem Autofenster werfen, Müll illegal abfackeln und
ohne nachzudenken Dinge tun, die solch Katastrophen auslösen.
Die Bürger von Molyvos versuchen nun, das
Risiko schon im Vorfeld auszuschalten. Seit sich im Juni die Feuer
wieder entzünden, verdächtigt man einen Dorfgenossen der Brandstiftung.
Er soll es auch sein, der im letzten Jahr die Jugendlichen dazu
angestiftet hat. Als er dann von einigen wütenden Dorfbewohnern
aufgefordert wurde, dazu Stellung zu nehmen, hat er mit seinem Motorrad
die Flucht ergriffen. Nachdem dann wieder gezündelt wurde, war das Maß
für die Bürger voll: Der Mann bekam nicht einmal mehr Brot in den
Geschäften, in den Tavernen wurde er nicht mehr bedient und niemand war
bereit, ihm zu helfen. Tja, er war gezwungen, Molyvos zu verlassen und
ist nach Kalloni geflohen. In Molyvos hat es seitdem nicht mehr
gebrannt...
Copyright ©Julie Smit 2009 |