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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
"Lela Petroula"
9.März 2009 - Helikopter
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Wenn die Griechen heute zwischen den beiden großen Parteien PASOK und ND
(Neo Demokratiko) zu wählen hätten, würde sich ein Großteil der
Bevölkerung der Stimme enthalten, denn die Menschen haben den Glauben an
ihre politische Führung verloren. Nur ein einziges Wort ist nötig, und
die Menschen schütten sich aus vor Lachen: „helicoptero“.
Es
sind nicht die politischen Beiträge in den Nachrichten, welche die
Menschen vor die Bildschirme locken, sondern Zuschauermagnet ist derzeit
die tägliche Wettervorhersage, obwohl erfreuliche Aussichten in diesen
Tagen nicht zu vermelden sind: Wolken, Schauer, grauer Himmel, nur
vereinzelt etwas Sonne, Temperaturen zwischen 6 und 20 Grad. Der
Frühling hat nur dem Kalender nach Einzug gehalten, der Winter ist
hartnäckig.
Pünktlich eingetroffen ist jedoch der Sand der Sahara. Nein, nicht von
der „Sahara von Limnos“, wie man die Sanddünen der benachbarten Insel
nennt, und auch nicht vom goldsandigen Strand Kampos, nicht weit vom
hiesigen Gavathas.
Es
ist wirklich afrikanischer Wüstenstaub, der ein jedes Frühjahr
herübergeweht kommt, den Himmel undurchdringlich rostrot färbt und ein
jedes Fleckchen bei uns mit einer dicken Staubschicht überzieht. Letzte
Woche war es wieder so weit, aber dank eines aufkommenden Südsturmes
fiel nur an einem einzigen Tag diese feine Erde hernieder, und dann
flüchtete dieses Naturphänomen nordwärts Richtung Europa.
Die
Begeisterung der Griechen für den TV-Wetterbericht liegt aber nicht
darin begründet, dass sie zu den Voraussagen mehr Vertrauen haben, als
zu ihren Politikern, sondern an dem genialen Schachzug des Senders
„STAR“, sich von der klassischen, eher konservativen Moderation
abzunabeln: Das Wetter wird präsentiert von einer wirklichen „Star“-Frau,
namens Petroula. Petroula Kostidou ist aber nicht wirklich eine
Meteorologin, sondern vielmehr eine Stand-Up-Komikerin, blond und sehr
sexy. Diese neue Wetterfee des griechischen Fernsehens erheitert nun mit
ihren häufig zweideutigen Sprüchen über alles und jeden allabendlich die
Zuschauer, ähnlich wie Lakis Lauopoulos, der Moderator des populären
satirischen Programms „Al Tsantiri News“ mit dem „ALPHA TV“ erfolgreich
ist. Täglich um 20.55 Uhr erscheint die Blondine für nur 5 Minuten
schwungvoll auf dem Bildschirm, jeweils in einem anderen sexy Outfit
gekleidet, und schnattert, wie eine aufgedrehte Hausfrau, übers Leben
und das Wetter. Kichernd, einem Schulmädchen gleich, steht sie am Ende
der Show aufreizend kurzberockt da, fährt mit dem Finger über die
Wetterkarte und liest sehr amüsant die zu erwartenden Temperaturen vor.
Vorbei sind die Zeiten, an denen das Wetter Tagesgespräch war, jetzt ist
wichtig, was Petroula anhatte und wen oder was sie dieses Mal durch den
Kakao gezogen hat. Je größer das Chaos im Lande wird, umso mehr
Kanonenfutter haben Petroula und Lakis Lazopoulos. Jedes politische
Missgeschick wird zur Zielscheibe ihrer Sprüche und dient zur
Erheiterung einer ständig wachsenden Fangemeinde, wie zuletzt die
erneute Flucht des Schwerkriminellen Palaiokostas und seinem Kumpanen
aus dem Hochsicherheitsgefängnis von Korydallos per Helikopter. Seit
diesem Tag hat das Wort „helicoptero“ im Land seine ursprüngliche
Bedeutung als fliegendes Transportmittel so gut wie verloren, und dient
nun als d e r witzige Begriff für politisches Versagen.
Schon einen Tag nach dem Husarenstück schlachtete Petroula das Ereignis
in ihrer Sendung am 23.2.09 genüsslich aus, und auch Lakis Lauopoulos
wusste es zu nutzen und präsentiert seine Show neuerdings von einer
Helikopter-Plattform in seinem Studio, in dem ein kleiner Hubschrauber
seine Kreise über die Köpfe seiner Zuschauer zieht.
Schon einige Male habe ich Petroula im TV gesehen, aber nie gedacht,
dass dieser Auftritt irgendetwas mit einem seriösen Wetterbericht zu tun
hat. Als ein als „Lela Petroulas Wetterstation“ gekennzeichneter
Mottowagen anlässlich des Karnevalsumzugs in Molyvos an mir vorbeizog,
habe ich erst kapiert, welch hohen Stellenwert Petroula Kostidou,
bereits im griechischen Alltag erreicht hat.
Das
wirkliche Ausmaß der allgemeinen Krise scheint die Griechen noch nicht
wirklich erreicht zu haben, auch wenn immer und immer wieder
Negativmeldungen an der Tagesordnung sind, wie die jetzige Prognose über
erneut gesunkene und nicht ausreichende Touristenbuchungen. Trotzdem:
Ein jedes Versagen der Regierung wird unverzüglich zur Lachnummer. „Helicoptero!“
Bewundernswert diese Griechen, wie sie es schaffen, in dieser misslichen
politischen und wirtschaftlichen Lage, in der sie derzeit stecken, über
sich selbst zu lachen.
Copyright ©Julie Smit 2009 |