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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Netze unter Olivenbäumen
27.Oktober 2009 -
Oliven-Rhapsodie
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Kaum haben die Touristen Lesvos den Rücken zugekehrt, wird mit den
Arbeiten in den Olivenhainen begonnen. Die Netze müssen unter den Bäumen
ausgebreitet werden, an denen die Früchte schon fast erntereif hängen.
Der
Olivenbaum (Olea europaea), ist ein sehr robuster Baum, der sich nicht
so leicht unterkriegen lässt. Er wächst rund ums Mittelmeer, nicht weit
von der See entfernt. In einigen Ländern gibt es bekannte uralte
Exemplare, die mehr als 2000 Jahre auf dem Buckel haben.
Gemäß der Mythologie, ist der Olivenbaum ein Geschenk von Athene, der
Göttin der Weisheit, an die Einwohner der Stadt Athen. Sie wetteiferte
mit Poseidon, dem Gott der Meere, um die Gunst der einflussreichsten
Stadt der damaligen Zeit, doch nur wer den Bewohnern das nützlichste
Geschenk machte, sollte zum Namenspatron auserwählt werden. Poseidon
entschied sich für einen Brunnen, aber da aus diesem nur Salzwasser
floss, wurde Athene mit dem Ölbaum, der Nahrung, Holz und Öl spendet,
als Siegerin erkoren. Tja, und somit stand der 1. Olivenbaum auf der
Akropolis, den Theophrastus, der Vater der Biologie, im 4. Jahrhundert
vor Christus, als den von Athene dorthin gepflanzten, bezeichnete. Der
antike Reiseschriftsteller und Geologe Pausanias, der im 2. Jahrhundert
lebte, berichtete im Jahre 170, dass die Perser, anlässlich der Schlacht
um Salamis (480 v. Chr.) die Akropolis in Brand gesteckt haben und dabei
auch der Baum der Athene Feuer gefangen haben soll. Doch dieser
überlebte, denn am gleichen Tag, so wird erzählt, sei bereits ein neuer
Trieb aus dem verkohlten Baumstumpf ausgeschlagen.
Früher gab es noch einen anderen berühmten Ölbaum in Athen: Im Westen
der Stadt stand der „Olivenbaum des Platon“, von dem berichtet wird,
dass er sich bereits vor 2.500 Jahren dort, nah der Akademie des Platon,
befand. Er überstand viele turbulente Jahrhunderte bis..., tja, bis im
Jahre 1975 ein Bus so heftig gegen ihn knallte, dass er – welch ein
Jammer - diesen entwurzelte und zu Boden stürzen ließ.
Die
meisten der alten Bäume sind faszinierend mit ihren skurrilen Formen,
und es ist wirklich kein Wunder, dass so viele Menschen ihr Herz für den
Olivenbaum, der allezeit so freundlich winkt mit seinen silbergrünen
Blättern, erwärmen. Der Baum selbst kennt nicht viele Feinde, aber die
Frucht, die er trägt, hat einen furchtbaren gefährlichen Gegner: Die
Olivenfliege („Bactrocera oleae“ oder „Dacus oleae“), von den Griechen „Dakos“
genannt. Die Weibchen legen ihre Eier in die reifenden Oliven, woraus
dann madenartige Larven entstehen, die sich von der Frucht ernähren, bis
sie nach 10 Tagen ausgewachsene Fliegen sind. Tja, das war´s dann mit
der Olive. Ein Weibchen kann mit ihrer Brut bis zu 400 Oliven
beschädigen, und in den Sommermonaten können so an die 5 Generationen
neuer Schädlinge in einen Olivenhain gesetzt werden.
Wie
glücklich waren die Griechen und andere Europäer, als nach dem Zweiten
Weltkrieg Pestizide für die Landwirtschaft eingeführt wurden. Unter dem
Motto „Tod den Dakos“ wurde von Flugzeugen aus das Killerspray auf die
Olivenlandschaft gesprüht, mit Erfolg: Die Ernten fielen reichhaltiger
aus und das Öl war von besserer Qualität.
Wie
froh bin ich, dass, seit ich hier lebe, keine Agrarflieger mehr ihr Gift
versprühen. Ich hätte ansonsten das Haus für eine Woche nicht verlassen,
wenn die tödliche Ladung vom Himmel gerieselt wäre. Fünfzig Jahre
später, weiß – Gott sei Dank –jedes Kind, welch katastrophale Folgen
diese Art der Bekämpfung nach sich zieht. Aber, während in anderen
Sparten, wie z.B. im Weinanbau, inzwischen ohne Chemikalien gegen
Schädlinge vorgegangen werden kann, sucht man hinsichtlich des
Olivenanbaus immer noch vergeblich nach einer umweltfreundlichen Waffe
gegen die Dakos. Dennoch sind die Olivenbauer dazu übergegangen, die
Giftsprüher der Gemeinde mit den Schildern „Ökologischer Anbau“ von
ihren Grundstücken fernzuhalten. Nein, nicht, weil sie alle
umweltbewusst geworden sind, sondern weil sie für einen „Bio-Garten“
finanzielle Zuschüsse bekommen. Resultat: Überall an den Toren zu den
Olivenhainen sind diese Schilder, die auf einen rein biologischen Anbau
hinweisen, zu finden, und in den Bäumen hängen grüne oder weiße
quadratische Beutel, die so genannten Pheromonfallen. Darin befindet
sich ein Pulver, das die männliche Fruchtfliege anlockt. Sobald dieser
Lockstoff an einem Männchen haftet, denken andere Männchen, es sei ein
Weibchen und stellen ihm nach, wodurch die Befruchtung immer weiter
stagniert. Tja, darauf muss man erst mal kommen, genial oder?
Eine andere Methode, die Olivenfliegen im Zaum zu halten, ist die,
Flaschen mit einer Mischung aus Ammoniak, Honig und Wasser oder anderen
süßen Säften in den Baum zu hängen und sie so anzulocken.
Aber auf die ökologische Anbauweise überzugehen, ist nach wie vor eine
schwere Entscheidung. Ohne die Dakos gibt’s nun mal eine reiche Ernte
und ein Super-Öl, aber bei Verwendung organischer Methoden ist die
Fliege nun mal nicht sofort vernichtet, was bedeutet, dass die ersten
Jahre ohne Chemie wahrscheinlich eine recht enttäuschende Ausbeute mit
sich bringen.
In
diesem Jahr hatte man hohe Erwartungen und man rechnete mit 25.000
Tonnen Olivenöl. Aber es kommt ja bekanntlich immer anders als man
denkt, und so musste diese Zahl, allein schon angesichts der Regenfälle
im Frühjahr, auf 8.000 reduziert werden. Ein weiterer Grund für den
Ernteausfall ist die Tatsache, dass die Olivenhaine bei weitem nicht
mehr so gepflegt werden, wie es mal war, denn welcher Bauer hat
heutzutage schon noch die finanziellen Mittel, einen Pflug zu mieten,
mit dem man am Sommeranfang das Land umgraben kann oder gar einen
Spezialisten zu bezahlen, der die Bäume sachkundig schneidet. Durch die
Massenproduktion in Ländern, wie Spanien und Italien (und ich gehe mal
davon aus, dass dort keine Bio-Oliven wachsen), ist der Preis für
Olivenöl dermaßen gesunken, dass die kleinen Bauern mehr und mehr
Probleme bekommen.
Trotz alledem wird sich der Olivenbaum aber nicht aus der mediterranen
Landschaft vertreiben lassen, denn nicht nur er ist zäh, sondern auch
die Menschen die mit ihm leben. Sie sind unter den Ölbäumen
aufgewachsen, ernähren sich ihr Leben lang von seinen Früchten und
seinem Öl, eine Tradition, die sich nicht so einfach wegfegen lässt,
weder von Dakos, noch von dem Druck der internationalen Olivenindustrie.
Copyright ©Julie Smit 2009 |