|
BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Der “Kaz
Dagi” von Sikaminéa aus gesehen
13.Januar 2009 -
Nachbarschaftskampf
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Während in Athen die Unruhen immer noch nicht beigelegt sind und die
Regierung mit neuen Kabinettsmitgliedern nur ein anderes Mäntelchen
übergezogen hat, ist ein altes Problem wieder aufgebrochen: Türkische
Kampfflugzeuge haben erneut den griechischen Luftraum verletzt, und die
Türkei will eine Ausdehnung der griechischen Hoheitsgewässer auf 12
Seemeilen nicht akzeptieren, wäre aber mit 6 einverstanden. Dies
wiederum bedeutet aber, dass die Griechen einen Angriff darin sehen,
wenn die Türken die nicht akzeptierten 6 Seemeilen überfliegen.
Es
hat alles wieder damit angefangen, dass in der vergangenen Woche ein
griechisches Flugzeug bei der Insel Samos, in der Nähe der türkischen
Grenze, bei der Rettung von Flüchtlingen beteiligt war. Türkische
Kampfjets versuchten, diese Aktion massiv zu behindern. Am nächsten Tag
lieferten sich die Luftwaffen sog. „Dogfights“ am Himmel, u.a. auch über
Lesvos, und die Beziehung zwischen den beiden Ländern hat sich seitdem
arg verschlechtert.
Mehr und mehr versuchen die Bewohner von Lesvos schon seit langem, die
alten Fehden mit der Türkei zu vergessen und besuchen gerne das
Nachbarland, aus dem viele ihrer Eltern und Großeltern stammen. Einige
haben sogar noch ein eigenes Haus dort und wagen die Reise bis nach
Istanbul. Die Türkei ist ein wahres Einkaufsparadies für die Griechen,
denn, bis auf das Benzin, ist alles soviel günstiger dort. Somit wächst
Stück für Stück eine Geschäftsbeziehung zwischen den beiden Staaten.
Auch ist es inzwischen möglich, eine gemeinsame Protestgruppe zu bilden.
So trafen sich in der letzten Woche Angehörige beider Völker, um an
einer Demonstration zu arbeiten, die sich gegen den Bau eines neuen
Stromkraftwerks in Aliaga richten soll. Aliaga liegt bei Izmir und ist
ca. 50 km von Mytilini entfernt (ist man im Osten von Lesvos, so kann
man den Schornstein der alten Anlage erkennen). Neben der bereits
vorhandenen, die Umwelt stark belastenden, petrochemischen Industrie,
plant man nun, die Luft, das Wasser und den Boden mit einer auf
Kohlebasis laufenden Anlage noch mehr zu verunreinigen. Und noch etwas
erregt die Gemüter: Genutzt werden soll nicht die qualitativ gute
türkische Kohle, sondern man will diesen Kraftstoff ganz billig aus
Südafrika beziehen, auch mit dem Wissen, dass diese Ware minderwertig
ist.
Schätzungen besagen, dass ca. 2,8 Mio Tonnen Kohle jährlich benötigt
werden, deren Asche die Region auffangen muss. Das ist aber nicht alles,
denn um die Motoren zu kühlen, sind täglich 50.000 Liter Meerwasser
erforderlich, was bedeutet, dass die gleiche Menge in erhitztem Zustand
(35 Grad) ins Meer zurücklaufen wird! Ich hab nichts gegen ein Bad im
warmen Wasser, aber wie werden Pflanzen und Meeresbewohner darauf
reagieren? Ohne Frage wird dies die Gewässer der Türkei und auch die
unserer Insel belasten, die sich somit zurecht an den Protestaktionen
beteiligen will.
Ein
weiterer, jedoch undurchsichtigerer Kampf, betrifft die Goldminen in der
Türkei. Lesvos hat hauptsächlich viele (oder sogar alle) natürlichen
Brunnen dem Ida-Gebirge („Kaz-Dagi“ oder auch „Magic-Mountains“) zu
verdanken. Diese Berge sieht man von Nord-Lesvos aus alle anderen Gipfel
überragen. Um es zu verstehen, stellen Sie sich 2 in Verbindung stehende
Fässer vor, das eine steht im Ida-Gebirge und das andere auf einem Berg
auf Lesvos. Und so sprudeln auf Lesvos, dank des türkischen
Landschaftsbildes, nicht nur Quellen sondern auch Flüsse, da das Wasser,
wie ein unterirdischer Fluss, auf die Insel strömt. Wie gut, dass dieser
Austausch von Wasser-Ressourcen ohne menschliches Dazutun vonstatten
geht, müsste man doch ansonsten befürchten, dass der Hahn bei
Zwistigkeiten von der Türkei einfach abgedreht werden.
Die
kanadische Firma „Global“ hat jetzt eine Lizenz erworben, um an der
türkischen Küste, am „Kaz Dagi“, nach Gold zu graben. Nun sind aber die
Zeiten vorbei, wo Massen von Menschen, wie einst in Amerika, jahrelang
kniehoch im Wasser standen, um das Edelmetall zu finden. Die Goldsucher
der heutigen Zeit benötigen die tödliche Chemikalie Zyanid, weil es die
Goldpartikel im Gestein an sich bindet. Zunächst werden riesige Halden
gemahlenen Gesteins mit dem Salz der Blausäure (Zyanid) getränkt, um
dann das Gold in einer chemischen Verarbeitungsanlage herauszufiltern.
Zyanid wird in großen Mengen gebraucht, je nach Größe der Mine, mehrere
Tonnen täglich. Um die Minen trocken zu halten, wird täglich Wasser
abgepumpt, und somit kann man davon ausgehen, dass der lebensgefährliche
Stoff ins Grundwasser und somit in die Gewässer von Lesvos gelangen
wird.
Wie
stolz ist Lesvos auf seine unberührte Natur...aber Sie sehen an meinen
Ausführungen, dass die Insel eingebunden ist, in einem internationalen
Kampf. Tja, und die Regierung hat andere Prioritäten gesetzt: Wichtiger
als Umweltverschmutzung, ist ihr das immerwährende Gezänke um Luftraum
und Gewässerhoheit. Sollte dieser Streit nicht aus dem Ruder laufen,
haben die Bewohner von Lesvos Zeit, sich für den Schutz der türkischen,
und somit auch zugleich der griechischen Umwelt, einzusetzen.
Copyright ©Julie Smit 2009 |