|
BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Weine von Lesvos
19.Mai 2011 - Die Weinstraße auf
Lesvos
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Vielleicht
sind Sie ja in der Zwischenzeit ziemlich gelangweilt, von den antiken
Ruinen und der glorreichen Vergangenheit Griechenlands zu lesen. Nun,
das heutige Griechenland, hat mehr zu bieten, als seine Monumente aus
der alten Geschichte. Nehmen wir mal als Beispiel den Wein. In der Zeit,
als Burgen und Tempel in der Landschaft dominierten, war Lesvos berühmt
für dieses Produkt. Boden und Klima erwiesen sich als ideal für den
Anbau eines vorzüglichen Weins, wie z.B. „Pramnian“
(s.
Lesvos News 27.07.09).
Irgendwann
jedoch, im Laufe der vielen turbulenten Ereignisse durch Kriegswirren
und Herrschaftswechsel, ist der Weinanbau auf der Insel verloren
gegangen, und schlussendlich wurden die Reben durch den todbringenden
Schädling „Phylloxera“ vernichtet.
Im übrigen
Griechenland sah es nicht viel anders aus, und als sich das Land dann
endlich wieder etwas nach dem Unabhängigkeitskrieg, dem 2. Weltkrieg und
dem Bürgerkrieg erholen konnte, widmete man sich wieder dem Weinanbau.
Vielleicht blieb Lesvos etwas hinter dem Festland zurück, aber
heutzutage gewinnt man hier große Weine, die fleißig mehr und mehr
internationale Auszeichnungen abräumen. Folgt man der, auf der Webseite
Weinstraßen von Nordgriechenland ausgearbeiteten Route, dann
hat man die Hälfte des Landes gesehen.
Eine
Weinstraße auf Lesvos habe ich noch nicht gefunden, auch keine
Ouzo-Straße, jenes Getränk, für das die Insel berühmt ist, aber mehr und
mehr Menschen, die qualitativ hervorragenden Wein produzieren, wie das
Weingut Methymneos, welches es geschafft hat, dass Lesvos
wieder auf den Weinkarten zu finden ist.
Vor ungefähr
einem Jahr, wurde auch in dem Dorf Megalochori eine Weinkellerei
eröffnet: „Oenoforos“, mit dem vortrefflichen Rotwein „Daphnis & Chloe“
im Angebot, der seit einiger Zeit mein Favorit ist. Im April erweiterte
das Weingut seine Produktpalette um einen Weißwein mit demselben Namen
und einen weiteren Roten, den „Makaras“. Noch habe ich sie nicht
probieren können, kann es aber kaum erwarten, sie so bald als möglich
auf meiner Zunge zu schmecken.
Nun,
angesichts der wenigen Weingüter, die Lesvos zu bieten hat, sieht es
hier mit Weinstraßen recht dürftig aus, aber Sie müssen wissen, dass in
jedem Dorf Wein hergestellt wird, und zwar für den eigenen Bedarf, den
Weg in die Geschäfte findet er nicht. Sie machen ein herrliches
Tröpfchen in Anemotia, von dem geschmackvollen biologischen Wein aus
Plomari kaufe ich so einige Literchen im Jahr, und bei sehr langen
Abenden genieße ich das ein und andere Gläschen des hervorragenden
Rebensaftes aus Lisvori, ohne betrunken zu werden. Also, irgendwie sind
alle Wege hier Weinstraßen, die entlang kleiner Weingüter führen.
Das Weingut
„Methymneos“ liegt in dem kleinen Dörfchen Chidira. Sie fahren Richtung
Skalochori nach Vatoússa, einem bezaubernden Dörflein, mit hohen
traditionellen Häusern und einem piepkleinen, doch sehr charmanten
folkloristischem Museum. Am Ende des Dorfes biegen Sie ab nach Chidira.
Das Weingut liegt am Ortseingang und bietet eine recht interessante und
lehrreiche Führung an. Chidira hat jedoch nicht nur diese
Sehenswürdigkeit, sondern sie finden hier auch das einzige digitale
Museum Griechenlands, das von
Georgios Iakovidis.
Der Maler
Iakovidis (1853 – 1932) wurde in Chidira geboren, begann mit seiner
Ausbildung in Smyrna (das heutige Izmir), ging danach auf die Akademie
der bildenden Künste in Athen und verfeinerte im Anschluss daran sein
Talent als Mitglied der „Münchner Schule“. Er malte hauptsächlich
Porträts, insbesondere von Kindern, und das in naturalistischem Stil.
Seine Werke sind in Museen der ganzen Welt zu sehen, so in der
Nationalgalerie von Athen und im „Art-Institute“ in Chicago. Also, ich
denke, bevor Sie eine Weinprobe machen, ist ein Besuch dieses Museums
sicher lohnenswert. Die Werke des Künstlers werden digital
wiedergegeben, ebenso wie eine Menge Fakten über seine Arbeit, seine
Familie und sein Leben interaktiv zu entdecken sind: Es erwartet Sie ein
modernes Abenteuer in einem traditionellen Dorf.
Ihre
Weinroute sollte nicht in Chidira aufhören, sie sollte zurück zur
Hauptstraße gehen und weiter Richtung Ántissa führen. In der Nähe dieses
Ortes liegt nämlich das Kloster von Perivoli. Sollte einer der Aufseher
anwesend sein, empfehle ich Ihnen, sich die phantasievollen Fresken aus
dem 16.Jahrhundert in der Kirche anzuschauen.
Und nun, da
Ihre Besichtigungstour, doch mehr über „Gemäldestraßen“, statt
Weinstraßen geht, sollten Sie noch einige Kilometer weiter fahren, bis
zu einer Abfahrt (noch vor Ántissa), die Sie zu dem kleinen Weiler
Tsithra führt, einem kleinen fast verlassenen Dörflein, wunderschön
versteckt in üppigem Grün. Hier ist die Kirche Agios Nikolos mit ihren
Wandmalereien sehenswert. Ich hatte das Pech, dass ein jedes Mal, wenn
ich dort war, die Frau, die den Schlüssel verwaltet, „nur“ mal weg war.
Aber ich bin sicher, Sie haben mehr Glück.
Es bleibt
Ihnen überlassen, ob Sie Ihre Fahrt jetzt fortsetzen, oder etwas
verschieben, um auf dem Platz in Ántissa eine Kaffeepause zu machen oder
bei Gavathàs ins Meer zu tauchen.
Die Route
zum Wein von Megalochori ist nicht so romantisch, weil es Richtung
Mytilini geht, dorthin, wo die eigentliche Kellerei steht. Direkt
gegenüber des Supermarkts „Lidl“ finden Sie dieses Stückchen moderner
Architektur, durchzogen von Spuren der Vergangenheit. Die Weingüter von
„Oenoforos“ sind, schöner gelegen, in Megalochori, Karionas, Eressós und
Kalloni zu finden.
Wenn Sie den
Duft der Erde in sich aufnehmen möchten, auf der die Reben des Weines
„Daphnis & Chloe“ gedeihen, wäre der schönste Weg nach Megalochori entlang
Ambelikó und Akrasi. Am Fuße von Ambelikó, dass gegen eine steile
Bergwand gebaut ist, befindet sich die kleine Dorfkirche, in der ein
kleines Volkskundemuseum beheimatet ist. Sie müssen nicht einmal die
Kirche selbst betreten, um sich faszinieren zu lassen von der
verspielten Architektur des Gotteshauses, dem Brunnen und anderem
Beiwerk.
Megalochori,
einst die Hauptstadt der Insel, ist ein stimmungsvolles Bergdorf und
liegt oberhalb der Ouzo-Metropole Plomari, wo man das Museum und den
Destillationsbetrieb von
Barbajanni (Varvayanni) besichtigen kann.
Hier wird der bekannteste Ouzo der Insel hergestellt. Aber auch sonst
ist Plomari eine Reise wert, das charmante Städtchen, mit all seinen
alten Villen und den Überbleibseln einstiger Seifen-, Ouzo- und
Likörfabriken.
Es gibt noch
eine dritte Weinstraße, aber die führt übers Meer, hin zu der Insel mit
den besten Weinen der Ägäis: Limnos, die Nachbarinsel! Verschiedene
Weingüter bringen hervorragende, international gepriesene Weine auf den
Markt, aber auch leckere sog. „Slobberwijne“ (Anmerkung der
Übersetzerin: das holländische Wort slobber kann man, denke ich, mit
schlürfen übersetzen, bei diesen „Schlürfweinen“ handelt es sich um
gute, aber preiswerte Weine). Der meiste Wein wird aus den Trauben der „Moschato
Alexandrias“ hergestellt, aber man experimentiert auch mit anderen
Rebsorten. Limnos-Weine überraschen mich immer wieder, so wie in der
letzten Woche wieder mal, als ich einen Limnos Premium, einen perfekten,
leicht prickelnden frischen Weißwein trank. Einige Winzer versuchen sich
auch in einem süßen Wein, der es verdient, ebenso bekannt zu werden, wie
der von der Insel Samos.
Naja, ein
Tagesausflug ist zu wenig für die Limnos-Weinroute, aber für
Weinliebhaber einfach ein Muss, auch wenn der Besuch dieser Weininsel
mehrere Tage in Anspruch nimmt.
Nun, sollten
Sie meinen empfohlenen Wegen folgen, so werden Sie einen beträchtlichen
Teil von Lesvos gesehen haben, wo Wein zwar nicht für den Verkauf
produziert wird, aber für den eigenen Bedarf. Lesvos eine Insel des
Weins? Mit Sicherheit!
|