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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Tsipouro Dimino
2.September 2011 - Griechischer
Grappa
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Taucht man in die Geschichte der alkoholischen Getränke ein, so wird man
feststellen, dass viele Klöster eine bedeutende Rolle in der Herstellung
von Likör, Wein, Bier, etc., spielten. In Belgien wird z.B. noch heute
ein Bier in Klöstern hergestellt, das Trappistenbier, welches unter
Aufsicht von Mönchen, die dem römisch-katholischen Trappistenorden
(entstanden im 17. Jahrhundert) angehören, gebraut wird.
Es
war der griechische Gott Dionysos, der die Menschen lehrte, wie man
Trauben in Wein verwandelt, und im Mittelalter überließ man die
Herstellung dieses Trunks hauptsächlich den Klöstern. Gottes Sohn
verwandelte Wasser in Wein und so auch die Mönche (naja, nicht ganz, sie
verwandeln ja Trauben in Wein)…
Mit
der Produktion griechischer Weine, die einst über die Grenzen hinaus
bekannt und beliebt waren, beschäftigten sich auch die Bauern, jedoch
nur so lange, bis die Türken im 15.Jahrhundert das Land eroberten. Von
da an mussten sie so hohe Steuern zahlen, dass sie gezwungen waren, ihre
Weingärten aufzugeben. Den Klöstern jedoch wurden Privilegien
eingeräumt, und somit konnten diese sich weiter mit der Herstellung des
Rebensafts beschäftigen.
Es
war natürlich nicht so, dass Mönche Alkohol brauten, um sich zu
betrinken. Zunächst galt der Wein als religiöses Symbol der Erlösung und
im Christentum, bei der Eucharistiefeier, steht er für das Blut Jesu.
Darüber hinaus wurden Wein und Bier aufgrund ihrer natürlichen
Inhaltsstoffe als gesunde Getränke angesehen, und so mancher Tropfen
wurde sogar als Medizin eingesetzt.
Man
kann schon sagen, dass die Ordensbrüder früher emsig waren, wie die
Bienen. Ihr Leben, abgeschlossen in ihrer Gemeinschaft, bedeutete, dass
sie für ihre Bedürfnisse selbst sorgen mussten. So bestellten und
beackerten sie ihre Felder und Gärten, machten eigene Kräutermischungen
gegen ihre gesundheitlichen Beschwerden und hatten alle Zeit der Welt,
neue Dinge auszudoktern. So beschäftigten sie sich mit dem Geheimnis des
Lebens und somit mit der Wissenschaft. Ein Beispiel für ihre eifrigen
Versuche mit Wein ist der „Chartreuse“, ein Likör aus Weinalkohol,
Zucker und 130 verschiedenen Kräutern und Gewürzen, entwickelt von einem
französischen Kartäusermönch im Jahre 1755.
Viel früher hatten die griechischen Mönche, dank ihrer
Experimentierfreude, einen anderen Trunk erfunden. Auf dem östlichsten
Finger der Halbinsel Chalkidiki, der für die Mönchsrepublik Athos
bekannt ist, wurden ab dem 1. Jahrhundert die Klöster nur so aus dem
Boden gestampft, und der Wein aus dieser Gegend gelangte zu Weltruhm. Im
14. Jahrhundert geschah es nun, dass ein Ordensbruder auf die Idee kam,
aus den Resten, die nach dem Pressen der Trauben verblieben, noch etwas
anderes zu brauen: Den Tresterbrand
Tsipouro,
auch bekannt als Tsikoudia (Kreta), Souma (Rhodos) oder Raki (Türkei).
Nach Ouzo, Wein, Retsina und Bier ist Tsipouro das meist getrunkene
lokale alkoholische Getränk in Griechenland (Whiskey soll noch etwas
populärer sein, ist aber kein heimisches Produkt). Vergleichen kann man
diesen starken Schnaps (rund 40%) mit dem italienischen Grappa.
Pressrückstände, zu denen Schalen, Stiele und Kerne gehören, werden in
großen Kesseln mit etwas Wein und Kräutern angesetzt und nach
mehrmaligem Destillieren ergibt sich eine klare Flüssigkeit, die
aussieht, wie Ouzo, jedoch nicht mit ihm zu vergleichen ist.
Das
Tsipouro-Geheimnis liegt in der Wahl der Kräuter, und da hat jeder so
seine eigene Mischung. So wird in einigen Regionen dem Trester Safran
zugefügt, was ihm eine hellgelbe Farbe verleiht, so wie es auch beim
gelben Chartreuse gehandhabt wird. Es gibt auch Tsipouro mit Fenchel und
Anis, so dass die organisch-chemische Verbindung Anethol freigesetzt
wird, die auch den Ouzo bei Zugabe von Wasser milchig färbt, und
trotzdem schmeckt er anders. Das Getränk, das sie in der Türkei Raki
nennen, und von dem fälschlicherweise gedacht wird, es sei Ouzo, ist in
Wirklichkeit Tsipouro mit Fenchel.
Tsipouro nennt man auch den armen Bruder des Weines, da er aus den
Resten hergestellt wird, die von den Trauben nach der Weinproduktion
übrig bleiben. Als das Rezept der Klöster bekannt wurde, waren es vor
allem die armen Leute und Landwirte, die Tsipouro herstellten und
konsumierten, denn die Abfälle, Kräuter und das Holz, um das Feuer für
die Destillation in Gang zu halten, kosteten nichts. Oft ziemlich
amateurhaft braute man ihn in kupfernen Kesseln, und der lokale Handel
damit war in kleinem Umfang gestattet. Erst 1883 wurden die ersten
Steuern auf alkoholische Getränke erhoben, und im Jahre 1896 gab man die
ersten Lizenzen für den offiziellen Tsipouro aus. 1989 fiel er unter das
Europäische Destillationsgesetz, und heute ist der Name geschützt, als
ein offizielles griechisches Produkt.
Vor
allem die Gesetzgebung hat dazu beigetragen, dass der Tsipouro sich zu
einem hochwertigen Produkt entwickelt hat. Man kann sich aber auch
vorstellen, dass manch ein Bauer, nach wie vor, in seinem Schuppen den
Tsipouro still und heimlich nach Großvaters Rezept braut, und so kommt
es immer wieder einmal vor, dass, wenn man bei jemandem eingeladen ist,
nach dem Essen plötzlich auf dem Tisch eine geheimnisvolle Flasche mit
hausgemachtem Tsipouro erscheint.
Dem
Tsipouro wird nachgesagt, dass er keinen Kater macht, vorausgesetzt, Sie
trinken ihn in Maßen und in Begleitung von Mezedes, den kleinen
griechischen Appetithäppchen. Ich muss gestehen, dass ich einmal nach
dem Genuss von zu viel des Gebräus so todkrank war, dass ich seitdem
die Finger davon ließ und selbst den Geruch nicht mehr ertragen konnte.
Doch nun habe ich mich überwunden, um ein weiteres Produkt der Insel zu
testen: Den „Tsipouro Dimino“, der in Mytilini hergestellt wird. Das
Ergebnis: Er ist mir ausgezeichnet bekommen, und im Gegensatz zu manch
anderem Trester, der flach und nur nach Alkohol schmeckt, hat dieser
einen vollen runden Geschmack nach Kräutern und herbstlichen Früchten.
„Dimino“ ist der einzige Tsipouro der offiziell auf Lesvos hergestellt
wird.
Seit der Wirtschaftskrise sind die Steuern in Griechenland spektakulär
in die Höhe geschnellt. In den 8 Jahren, die ich nun auf Lesvos lebe,
haben sich die Preise für alkoholische Getränke hier nahezu verdoppelt.
In den Klöstern wird nicht mehr viel Wein produziert, und die Kirche
braut stattdessen Gratisessen für die schnell wachsende
Bevölkerungsgruppe, die sich das teure griechische Leben nicht mehr
leisten kann.
Hier auf der Insel klopfen noch nicht viele Menschen an die Pforten der
Klöster, um eine Mahlzeit zu bekommen, denn sie haben meist ihren
eigenen Garten und somit jederzeit etwas zu essen, auch der eigene Wein
ist keine Seltenheit, und trotz der guten Qualität des „Dimino“, würde
es mich nicht überraschen, wenn den vielen illegalen Brennereien in der
kommenden Saison der Traubenernte wieder neues Leben eingehaucht wird.
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