Molyvos (Mithimna)

Lesvos

Home

Home
Lesvos-News 2011

22.Dezember 2011
17.Dezember 2011
6.Dezember 2011
29.November 2011
15.November 2011
8.November 2011
24.Oktober 2011
13.Oktober 2011
6.Oktober 2011
29.September 2011
19.September 2011
13.September 2011
2.September 2011
24.August 2011
3.August 2011
27.Juli 2011
20.Juli 2011
11.Juli 2011
4.Juli 2011
17.Juni 2011
2.Juni 2011
2.Juni 2011
25.Mai 2011
19.Mai 2011
11.Mai 2011
1.Mai 2011
19.April 2011
22.April 2011
12.April 2011
1.April 2011
22.März 2011
15.März 2011
9.März 2011
2.März 2011
23.Februar 2011
16.Februar 2011
9.Februar 2011
3.Februar 2011-1
3.Februar 2011
25.Januar 2011
20.Januar 2011
12.Januar 2011
5.Januar 2011

BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Eine "Rasta-Orchidee" (Comperia comperiana)

Eine "Rasta-Orchidee" (Comperia comperiana)

 

2.Juni 2011 - Orchideenjagd

Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski 

 

Orchideen bilden die größte Blumenfamilie, die wir auf Erden kennen. Mit ihren 21.000 - 26.000 offiziell anerkannten Spezies sind sie selbst doppelt so zahlreich, wie es Vogelarten gibt und gar viermal so massenhaft wie derzeit lebende Säugetiere. Ihre Schönheit wird weltweit gerühmt, aber wenn man sich

mit der Geschichte dieser Pflanze befasst, muss man zugeben, dass sie auch sehr gefährlich ist, denn sie macht seit je her buchstäblich und im übertragenen Sinne so manchen Sammler kopflos. Tja, eine gefährliche Passion die Orchideenjagd...

 

Im Viktorianischen Zeitalter (19. Jahrhundert), als die ersten asiatischen Orchideen aus fernen Ländern Europa erreichten, grassierte ein regelrechtes Orchideenfieber, das viele Opfer forderte. Europäer wurden in die unerforschten Tiefen der Urwälder von Borneo, Kolumbien und Peru geschickt, um neue Orchideenarten aufzuspüren und nach Europa zu verschiffen. Diese gefährlichen Expeditionen musste manch ein Gesandter mit dem Tode bezahlen: Sie ertranken in reißenden Flüssen, wurden von Schlangen gebissen, von Kannibalen gefressen, starben an Malaria oder einer anderen Tropenkrankheit, und das selbst noch im 20. Jahrhundert. Um 1900 zog es eine 8-köpfige Forschergruppe zum Orchideensammeln auf die Philippinen, mit folgendem Ergebnis: Ein Teilnehmer wurde von einem Tiger gefressen, ein anderer wurde versehentlich mit Öl übergossen, das sich entzündete, so dass er bei lebendigem Leib verbrannte, fünf weitere aus der Gruppe sind einfach auf Nimmerwiedersehen verschwunden, tja, aber der einzige Überlebende kehrte mit 7.000 Orchideenarten im Gepäck in die Heimat zurück! Jahrzehnte später hielt ein Volksstamm auf Papua-Neuguinea einen Trupp Orchideenjäger monatelang fest und hatte einigen von ihnen bereits den Kopf abgeschlagen, bevor ein losgeschicktes Rettungsteam zur Hilfe eilen und die anderen befreien konnte.

 

Die Geschichten derer, die sich in fremden fernen Ländern auf Orchideensuche machten und dieses Abenteuer überlebten, sind meist mit Blut getränkt. Haben sie nicht, im wahrsten Sinne des Wortes, ihren Kopf auf dem Hackklotz verloren, so wurden sie doch zumindest Zeugen grausamer Kriege, barbarischer Stammesrituale und Foltermethoden. Tja, und dann konnte es ihnen noch passieren, das, hatten sie endlich ein Dorf voller atemberaubend schöner Orchideen gefunden, diese dermaßen übelriechende Duftstoffe verbreiteten, dass es unmöglich war, sich ihnen zu nähern.

 

Übrigens, nicht dass Sie jetzt davon ausgehen, dass Menschen, die Blumen lieben, gleich auch von gutem Charakter sein müssen. Nein, denn Orchideenjäger bekämpften sich gegenseitig bis aufs Blut, verbrannten Gebiete, wo sie schöne Exemplare gefunden hatten, vernichteten alles, was sie nicht mitnehmen konnten und richteten so riesigen Schaden an, nur damit die Konkurrenz nicht finden konnte, was sie entdeckt hatten. Neidvoll beobachtete man, wie Mitstreiter ihre Orchideenfunde verschifften, und versuchte ungesehen auf die kostbare Fracht zu urinieren, in der Hoffnung, dass die Pflanzen dies nicht überstehen, obwohl ohnehin viele der kostbaren Blumen kaputt gingen: Die exotische Ladung überstanden die unendlich lange Seereise nicht, oder das Schiff versank oder brannte aus.

 

Auch heute gibt es sie noch, die Jäger und Sammler der Orchideen, und da Exemplare aus Asien das meiste Geld einbringen, trifft man dort auch auf die eigenartigsten Menschentypen, die sich auf die Suche machen. In seinem Buch „Orchideenfieber“ gibt Eric Hansen wohl den besten Einblick in diese exzentrische Leidenschaft und den süßen Wahn dem die Orchideenverrückten verfallen können.

 

In Griechenland, wo rund 200 Orchideenarten aufzuspüren sind, trifft man meist auf Orchideenjäger harmloser Natur, die weder an Handel noch Schmuggel interessiert sind, sondern die Exemplare „schießen“, und zwar mit dem Fotoapparat. Bevor die Möglichkeit bestand, so ein fotografisches Herbarium anzulegen, wurden die Blumen in klassischer Manier getrocknet und gepresst oder naturgetreu nachgezeichnet.

 

Zwischen 1879 und 1889, als sich am anderen Ende der Welt Orchideenjäger im Dschungel verirrten, wurden auch auf Lesvos Pflanzen wissenschaftlich untersucht, darunter auch Orchideen: Der Botaniker C.A. Candargy und sein Sohn P.C. Candargy beschrieben seinerzeit 27 Sorten. Von Tigern oder Kannibalen wurden Vater und Sohn zwar nicht gefressen, aber sie gingen spurlos in der Geschichte verloren: Ihr Herbarium hat man bis heute nicht gefunden und, bis auf minimale biografische Spuren, ist das einzige was von ihnen übrig geblieben ist, ihr 1889 publiziertes Büchlein „Flore de L’Ile de Lesbos“.

 

Man sagt, dass auf Lesvos so zwischen 70 – 90 Orchideenarten zu finden sind, wovon ein Dutzend sehr selten ist, und die Suche nach ihnen kann sich recht freudvoll gestalten, denn sie führt einen unerwartet zu den schönsten Plätzen der Insel.

 

Mich würde so eine Orchideenmanie verrückt machen, denn Lesvos ist so groß, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist, an jedem Fleckchen nach ihnen zu suchen. Ohnehin haben diese Pflanzen die Neigung, sich äußerlich völlig ihrer Umgebung anzupassen, so dass man sie einfach übersieht, egal wie groß sie auch sein mögen.

Außerdem muss man noch zur richtigen Zeit am richtigen Fleck sein, denn ansonsten ist sie bereits verblüht oder noch nicht erblüht.

 

In der letzten Woche, habe ich an einer Orchideenjagd in der Nähe von Megalochori teilgenommen, wo einige seltne Exemplare stehen sollen. Da ich keine Orchideen-Fanatikerin bin, lasse ich mich gern auch von anderen Blumen begeistern. Man versprach mir, dass ich Pfingstrosen zu sehen bekomme, aber sie waren bereits verblüht, ebenso wie einige Tulpen und Fritillaria (Schachbrettblumen, in Norddeutschland auch Kiebitzei genannt). So war ich ein wenig enttäuscht, aber es gab glücklicherweise viele wunderschöne Orchideen dort, und Trost fand ich darin, dass ich es war, die eine Rarität aufspürte, eine Bartorchis (Comperia comperiana). Es sieht so aus, als habe sie einen langen verrückten Haarwuchs, und so gab ich ihr den Namen „Rasta-Orchidee“.

 

Nicht nur die, die auf sie Jagd machen sind ein bisschen verrückt, sondern die Orchideen selbst auch, denn sie setzen alles daran, ihr Umfeld zu verführen, und zwar mit den extravagantesten Farben, Düften und Formen. So forcieren sie ihren Fortbestand, denn die Insekten können nicht widerstehen und helfen bei der Befruchtung.

 

Der späte Sommer – der sich übrigens morgens und abends noch immer recht kühl anfühlt – hat einen Vorteil: Die gesamte Natur hinkt ein bisschen hinterher, so dass die Touristen, die Lesvos nur von den Maimonaten der vergangenen Jahre her kennen, überrascht wurden mit einer Explosion von Blüten und einem fast tropisch grünen Eiland.

 

Für Orchideenjäger bedeutet es Planänderung und Verwirrung: Die Sorten, die sie normalerweise im Mai aufspüren konnten, sind wegen des Wetters noch nicht oder gar nicht zu finden. Aber es bedeutet ebenfalls, dass die im Februar auf Lesvos startende Orchideensaison dieses Jahr bis in den Juli hinein andauern wird...