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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Vangelis sägt Holz
24.Oktober 2011 - Die gute alte Zeit
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
In
der jetzigen Krisenzeit ist nicht auszuschließen, dass viele Menschen
manchmal denken: Weg mit den Griechen! Aber Tatsache ist doch, dass
nicht allein die Griechen Verursacher der derzeitigen finanziellen
Situation sind. Und außerdem, wie würde die Welt aussehen, wenn es die
Griechen nicht gegeben hätte? In den vergangenen Jahrzehnten war
Griechenland ein beliebtes Urlaubsland und die Heimat mächtiger
Schiffsreeder. Darüber hinaus ist es die Wiege zahlloser Wissenschaftler
und Philosophen, und man darf nicht vergessen, dass deren viele hundert
Erfindungen und Theorien nicht mehr aus der heutigen modernen Welt
wegzudenken sind.
Nun, nehmen wir mal Ihren Tagesablauf als Beispiel, bei denen Ihnen die
griechische Antike auf Schritt und Tritt folgt: Denken Sie vielleicht
daran, wenn Sie morgens durch den Alarm Ihres Weckers aufwachen, dass es
der griechische Philosoph Platon war, der bereits im 4. Jahrhundert vor
Christus den ersten Weckapparat erfand? Und, wenn Sie dann unter die
Dusche gehen, machen Sie sich mal bewusst, dass es Ihnen die Griechen
schon seit dem 4. Jahrhundert v.Chr. gleichmachten und das Stück Seife
selbst in dieser lang vergangenen Zeit dabei nicht fehlte. Nach dem
Duschen rasch den E-Mail-Eingang checken? Tja, bereits Jahrhunderte vor
unserer Zeitrechnung fragten auch die Griechen bereits eine Art Computer
um Rat: Googeln Sie einfach mal „Mechanismus von Antikythera“, den
ältesten erhaltenen Analogrechner der Welt, der im Jahr 1900 in einem
Schiffswrack von Schwammtauchern vor der griechischen Insel Antikythera
gefunden wurde. Erst seit 2006 weiß man, was dieser Computer alles
konnte, und dass es sich um ein höchst anspruchsvolles Kalendarium
handelte, welches u.a. eine Datums- und Tierkreiszeichenanzeige hatte
und selbst den Zeitpunkt kultureller Veranstaltungen angab, wie z.B. den
der Olympischen Spiele.
So,
weiter, in Ihrem Tag: Sie gehen vielleicht, so wie manch einer, auch
nicht ohne Kaugummi und Regenschirm vor die Tür? Nun, wer hat’s
erfunden? Richtig, die Griechen! Und so gibt’s eine unendlich lange
Liste von Gegenständen, die dieses Volk entdeckt hat. Ich zähl mal
einige davon auf: Das Katapult, den Anker, die Dampfmaschine, das
Thermometer und die Zentralheizung. Lt. Wikipedia, hatte der Römer Orata
Sergius die großartige Idee der Fußbodenheizung. Aber dieses System,
Hypokaustum genannt, stammt namentlich aus dem Altgriechischen (Hypo =
unten, caust = Erwärmung), und nach Plinius dem Älteren, gab es bereits
Heizungsanlagen in griechischen Gebäuden, lange bevor die Römer in
Griechenland einmarschierten. Inzwischen sind sich die meisten
Wissenschaftler einig, dass das Heizungssystem eine Erfindung der
Griechen ist, die von den Römern später verfeinert wurde.
Wie
gut, dass es diese Entdeckungen gibt, denn wir hatten sie in der letzten
Woche bitternötig, als das Wetter uns einen Vorgeschmack auf den
kommenden Winter gab: Die Temperaturen sanken unter 5 Grad, plötzlich
war es vorbei mit dem herrlichen Altweibersommer, und die Heizung musste
angeschmissen werden.
Die
meisten Häuser hier sind mit einer Öl-Zentralheizung ausgestattet. Vor
ungefähr 10 Jahren sah es noch so aus, dass Heizstrahler, Ölradiatoren,
und Elektroöfen die Inselbewohner wärmten oder es in den Häuser Holzöfen
bzw. offene Kamine gab.
Heutzutage ist es nicht selten, dass man selbst Klimaanlagen anwirft, um
durch den Winter zu kommen, aber überwiegend ist man auf die
Zentralheizung umgestiegen, die inzwischen zur Grundausstattung eines
jeden neu gebauten Hauses zählt, so wie früher eben, denn ein jeder weiß
ja, dass man in Ephesus, der bedeutendsten antiken Ausgrabungsstätte der
Türkei, auf dieses ausgeklügelte System stieß: Schon damals erwärmte man
also Luft in riesigen Kesseln und leitete diese dann mittels
Rohrleitungen zu Wohnhäusern (betuchter Bürger) und in öffentliche
Gebäude. Nur Öl benutzte man seinerzeit nicht.
Vielleicht aber Gas… Obwohl Erdgas noch ein Geheimnis für die Menschen
war, wurde es bereits in Griechenland in der Antike genutzt. So begab es
sich, dass so um 1000 Jahre vor Christus ein Schäfer im
Parnassos-Gebirge eine Feuerfontäne aus der Erde aufsteigen sah. Diese
Flammen, die nicht zu löschen waren, wurden als göttliches Zeichen
gesehen, und so errichtete man einen Tempel drum herum, und zwar den nun
so berühmten „Apollon-Tempel“, dem Sitz des Orakels von Delphi, wo die
Priesterinnen das ewige Feuer nutzten, um in die Zukunft zu schauen. So
wurde Gas unter anderem als ein Feuer des Orakels gebraucht.
Na,
was meinen Sie? Haben die Priesterinnen damals schon voraussehen können,
dass eine Zeit kommen wird, in der die Griechen ihre zentrale Heizung
nicht mehr bezahlen können? Der Preis für Heizöl ist inzwischen so in
die Höhe geschnellt, dass kein Grieche mehr das Geld dafür einfach so
aus dem Ärmel schütteln kann, und auf der Insel hat ein wahrer Run nach
Holzöfen eingesetzt.
Fakt ist, dass die Wärme, die ein Holzofen abgibt, eigentlich wesentlich
besser ist, als die einer Zentralheizung. Viele Häuser hier auf Lesvos
sind von Feuchtigkeit und somit auch von Schimmel befallen, der sich auf
die Wände setzt. Ein echtes Problem, denn man kann putzen und
imprägnieren so viel, wie man will, der Schimmel ist hartnäckig und
erscheint in kürzester Zeit wieder und wieder. Die beste Lösung ist ein
Holzofen, da er den Räumen viel trockene Wärme spendet. So kann man also
2 Fliegen mit einer Klappe schlagen: Effektive Wärme und die Nutzung
eines Brennstoffs, welcher um einiges preiswerter ist, als das
unangemessen teure Heizöl. Außerdem gibt es so viel Holz auf der Insel,
schon allein durch den regelmäßigen Schnitt der unzähligen Olivenbäume,
und zusätzlich kann man in den Wäldern abgestorbene Bäume finden.
Tja, und so wird das Treiben in der Natur diesen Winter stark zunehmen:
Nicht nur, dass sich die Inselbewohner auf die Suche nach Chorta
(Wildgemüse) und Pilzen in die Felder und Wälder aufmachen werden, um so
eine preiswerte Mahlzeit zu ergattern, sondern es wird eine neue Gruppe
der Sammler geben, nämlich die der Holzwilderer.
Aber, um noch einmal auf die Erfindungen zurückzukommen: Das antike
griechische Reich war auch der Geburtsort der Münzen. Nachdem im 7.
Jahrhundert vor Christus verschiedene griechische Gebiete im heutigen
Westanatolien durch die Lyder erobert wurden, erfand man dort das Geld.
Zu Beginn der Herrschaft des Alyattes II. (605 – 561 v.Chr.) wurden die
ersten Münzen der Weltgeschichte geprägt. Sein Sohn war König Krösus,
der ja sprichwörtlich berühmt wurde (so reich wie Krösus), da er in
Geld geschwommen haben soll und sich somit auch erlauben konnte, eines
der sieben Weltwunder der Antike zu errichten, den Artemis-Tempel in
Ephesus, und wer weiß, wahrscheinlich auch ausgerüstet mit einer
zentralen Heizungsanlage.
Die
Zeiten haben sich seit der Regierung von Krösus drastisch verändert. Wo
sind die mächtigen Könige und Wissenschaftler geblieben, jetzt, wo die
Griechen kein Geld mehr haben und sich keine Zentralheizung mehr
erlauben können…?
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