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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Der große Brand zwischen Molyvos und Pétra
20.Juli 2011 - Brandgefahr
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Eine der größten Katastrophen der europäischen Geschichte ereignete sich
nicht weit von Lesvos entfernt: Der Untergang von Smyrna, dem heutigen
türkischen Izmir. Diese Stadt war einst die reichste Stadt des
Osmanischen Reiches, bewohnt von Türken, Griechen, Juden, Armeniern,
Deutschen, Engländern, Franzosen, Italienern, Amerikanern, etc....
Nach der türkischen Niederlage im 1.Weltkrieg, wurde das Land von
Westeuropa und Amerika schonungslos aufgeteilt. Kemal Atatük
organisierte jedoch den Widerstand gegen die Allierten. Um Smyrna wurde
erbittert gestritten, und dieses internationale politische Gerangel
hatte ernsthafte Folgen für die Einwohner der Stadt, die erst nach
jahrelangen heftigsten Unruhen im restlichen Osmanischen Reich
erkannten, dass ihre Stadt und ihr Leben in Gefahr waren, als
zehntausende griechischer Soldaten in ihre Stadt einfielen, gefolgt von
ebenfalls zehntausenden flüchtenden Zivilisten und der türkischen Armee
von Atatürk. Am 13. September 1922 vollzog sich die große Katastrophe
von Smyrna: Brände wurden gelegt, und das Flammenmeer fraß sich seinen
Weg durch verschiedene Stadtteile hin zu den Kais. Eine halbe Millionen
Flüchtlinge saß nun in der Klemme, zwischen zerstörenden Feuer und
mordlustigen türkischen Soldaten.
Man
muss sich einmal vorstellen, dass in der Bucht von Smyrna eine
internationale Flotte von großen Schiffen lag, die lediglich versuchte,
nur ihre eigenen Landsleute zu retten und aus politischen Gründen keine
Hand ausstreckte, um eine der größten menschlichen Katastrophen Europas
zu verhindern! Aber da war doch ein Mensch, der sich einsetzte und dem
es zu verdanken ist, dass hunderttausend Menschen der Hölle entrinnen
konnten: Asa Jennigs, ein Mitarbeiter von YMCA in Smyrna, verhandelte
persönlich mit Atatürk und erreichte, dass eine griechische Flotte, die
in Mytilini vor Anker lag, unter amerikanischer Flagge für die
Evakuierung eingesetzt wurde.
Das
Buch
"Paradise Lost" von Giles Milton beschreibt anhand von Zeugen
und Aufzeichnungen aus der Zeit der Toleranz und Schönheit der Stadt,
die wohlhabenden Dynastien, die ein paradiesisches Leben führten, die
vorausgegangenen Kriege und das politische Gezänk, aber hauptsächlich
die ultimative Hölle, die allem ein Ende setzte.
Lesvos fungierte in dieser Geschichte mehrmals für Evakuierungen und die
griechische Armee als Sprungbrett nach Smyrna, und schlussendlich wurde
die Insel überflutet mit Flüchtlingen, die alles verloren hatten. Viele
Familien auf Lesvos haben somit ihre Wurzeln am „gegenüberliegenden
Ufer“, in dem Gebiet, wo einst das Osmanische Reich war.
Auch Lesvos hat Plätze, die durch Feuer untergingen: Während des Baus
der großen Kirche in Agiassos, wurde 1812 die Kirche und ein Teil der
Stadt zerstört, und - wie ein darauf liegender Fluch - vernichtete 65
Jahre später ein weiterer Brand das gesamte Dorf und das neu errichtete
Gotteshaus. Megalochori, die große Siedlung oberhalb von Plomari, wurde
im 19. Jahrhundert gar dreimal durch einen Brand dem Erdboden gleich
gemacht und erhielt daraufhin den Namen „Kameno Chori“ = das verbrannte
Dorf. In der Regel waren es Piraten, die sich dort als Pyromanen
aufspielten. Als die Piraterie mehr oder wenig unter Kontrolle war,
verließen die Bewohner das brandgefährliche Dorf, um am Meer das
Städtchen Plomari zu gründen, was der Grund dafür ist, dass Megalochori
auch heute noch oft Alt-Plomari genannt wird.
Auch Pétra hatte kein Glück mit seinen Besetzern: Als 1912 die Insel
befreit wurde, plünderten die zurückgebliebenen osmanischen Truppen
zunächst die Häuser, ermordeten unschuldige Zivilisten und steckten
schlussendlich auch noch das Dorf an.
Fast ein Jahrhundert später gibt es nun wieder Feueralarm auf der Insel.
Nicht, dass Dörfer und Städte in Gefahr sind, aber es ist mittlerweile
seit nunmehr 4 Jahren ein Brandstifter in der Umgebung von Molyvos
aktiv, der mehreren Bewohnern schlaflose Nächte bereitet. Er beginnt
sein böses Werk mit Anfang der Schulferien und die Brände halten an,
wenn die Kinder wieder zur Schule gehen. Er hat sich auf einen
Landstrich konzentriert, und zwar auf das Gebiet von Molyvos nach Vafios
und Pétra. Die Gesamtzahl der Brände in dieser Saison liegt bereits bei
6.
Das
3. Feuer in der diesjährigen Sommersaison war alarmierend groß, brach
nah bei dem Hotel „Molyvos Castle“ (zwischen Molyvos und Pétra) aus und
züngelte in rasender Geschwindigkeit über die Berge, Richtung Stipsi.
GOTT sei Dank drehte sich der Wind, und der Pool des Hotels verhinderte,
dass die Gebäude dem Flammenmeer zum Opfer fielen und somit nur leicht
beschädigt wurden. Dasselbe Feuer wurde auf wundersame Weise durch eine
Mauer gestoppt, die das Hotel „Panorama“ in Pétra umgibt, wo ebenfalls
die Panik groß war, man sich aber gegen die Flammen zu wehren wusste.
Die drei letzten Feuer entzündeten sich ein jedes Mal zur gleichen Zeit
am Nachmittag, so als ob der Pyromane sich ein Spiel mit der Feuerwehr
erlaubt.
Im
amerikanischen Washington benötigten die Ordnungskräfte 30 Jahre, um
Thomas Sweatt zu fassen, der hunderte von Bränden in der Stadt
gesetzt hat und das, um seine sexuellen Fantasien anzuregen. Der
berühmteste Brandstifter Amerikas ist aber
John Orr, seines Zeichens, kein Scherz, ein Ermittler
bzgl.Brandstifter, der gerade ein Buch über Pyromanie schrieb, als er
festgesetzt werden konnte. Bis dahin jedoch, hatte er mehr als 10.000
(!) Feuer gelegt, und auch bei ihm war das Motiv die Befriedigung seiner
sexuellen Fantasien.
Ob
es die Region hier mit einem Pyromanen zu tun hat, ist nicht sicher. Er
– vorausgesetzt, es ist keine Gruppe oder ein weiblicher Pyromane (die
es kaum gibt) -, ist noch immer nicht dingfest gemacht. Es scheint so,
als sei er nicht darauf aus, eine menschliche Katastrophe, wie die
seinerzeit in Smyrna, zu verursachen, denn er hält seine Feuer von den
Dörfern entfernt, obwohl schon festzustellen ist, dass sie Hotels und
Wohnhäusern immer näher kommen. Die Bürger und die Feuerwehr sind
wachsam, und lassen Sie uns mal hoffen, dass er, bevor Schlimmeres
passiert (bislang blieb es bei verbrannter und schwarz gefärbter Natur),
entlarvt werden kann.
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