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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Tanz
11.Juli 2011 - Tanz durch die Nacht
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Endlich habe ich das Gefühl, dass der Sommer da ist: Die Temperaturen
klettern über 30 Grad und vom nahe liegenden Strand, der sich mehr und
mehr füllt, dringt der Lärm spielender und ausgelassener Kinder an meine
Ohren, genau wie die mittlerweile unablässigen Motorengeräusche von hin-
und herfahrenden Taxen, Mietautos und Motorrädern...
Krise oder nicht, die Griechen genießen ihren Sommer immer in vollen
Zügen und das besonders spät abends, wenn ihre Arbeit getan ist und die
Mittagshitze nicht lähmt. Obwohl das Geld knapp ist, präsentiert die
Inselgemeinde ihren Besuchern dieses Jahr wieder ein recht ansehnliches
Kulturprogramm. Die meisten Veranstaltungen sind in der Hauptstadt
Mytilini geplant. Hier im Norden erwartet uns am 18. Juli, 21 Uhr, ein
Musiktheaterstück von Nick Tsirigotis auf dem großen Platz in Petra, am
6.August in der Burg von Molyvos eine musikalische Performance mit Tanz
und Liedern der Ionischen Inseln und nur einen Tag später, um 21 Uhr,
eine Darbietung für Kinder: „Die Prinzessin und der Frosch“
(Froschkönig). Außerdem sind neben dem traditionellen Sardinenfestival
in Skala Kallonis (6.+7.August) noch einige Veranstaltungen in Kalloni,
Plomari und Polichnitos zu erwarten, aber ansonsten bleibt
Kulturinteressierten für weitere Tanz- und Musikereignisse nur die Fahrt
in die Hauptstadt.
Wenn Sie verwundert, dass der Beginn der Kindervorstellung für 21 Uhr
festgesetzt ist, so kann ich Ihnen dazu nur sagen, dass die griechischen
Kinder im Sommer niemals früh ins Bett gehen. Sie schlafen mittags und
wenn die große Hitze im Sommer waltet, gehen sie nachmittags für viele
Stunden an den Strand, und dann, wenn die Eltern Stunden später aus zum
Abendessen geht, ist es üblich, dass die Kinderschar sie begleitet. Aber
auch im Winter überrascht mich das Phänomen, und ich frag mich, ob der
griechische Nachwuchs überhaupt irgendwann früh schlafen geht, da auch
dann im TV erst am späten Abend das Kinderprogramm beginnt.
Nun
lassen Sie uns aber mal nicht trauern über das magere Kulturprogramm
hier im Insel-Norden, denn neben den vielen lokalen Festivitäten und den
Feierlichkeiten zu Mariä Himmelfahrt am 15. August, gibt’s ja inzwischen
einige Tavernen, die kleine griechische Bands engagieren, um Leben in
die heißen Sommernächte zu bringen. So sind also genug musikalische
Events zu finden, und obwohl dazu keine geplanten Tanzveranstaltungen
zählen, so werden sie immer wieder Menschen die Beine schwingen sehen,
denn den Griechen liegt das Tanzen im Blut.
Die
Tänze der Insel Lesvos sind von der Geschichte des Landes beeinflusst.
Der „Karsilamas“ z.B. ist ein Tanz, der mit den Flüchtlingen aus dem
Osten kam und der mittlerweile sowohl in der Türkei als auch auf unserer
Insel beliebt ist. Karsilama bedeutet „von Angesicht zu Angesicht“, ist
also von 2 Personen zu tanzen. (Er wird auch ksila = Holz genannt).
Mir
gefällt ein anderer Tanz von Lesvos besser, da er dramatischer anzusehen
ist: Der „Ayvaliotikos Zeybekikos“. Der erste Namensteil (abgeleitet von
Ayvalik, einem Städtchen in der Türkei, direkt gegenüber von Lesvos
gelegen) lässt erkennen, dass auch dieser Volkstanz vom
gegenüberliegenden Ufer zu uns herübergeschwappt ist. Bei dieser
Darbietung sieht es so aus, dass meist eine Person einer Gruppe von
Tänzern gegenüber platziert ist und tanzt. Es ist wirklich unterhaltend
und amüsant, einmal bei „You Tube“ zu schauen, welch Filmchen es über
diesen und andere griechische Tänze gibt. Ich habe sogar Beiträge
gefunden, die diverse Tanzschritte lehren, aber angesichts der
miserablen Instruktionen für den “Karsilamas“
würde ich sie nicht allzu ernst nehmen. Werfen Sie nur mal einen Blick
auf
“Musik von Lesvos“ und Sie werden ganz schnell erkennen, dass
die Tänze gar nicht so einfach und eins, zwei, drei, zu erlernen sind.
Dass man nicht unbedingt alle Tanzschritte beherrschen muss und trotzdem
einen Preis gewinnen kann, bewiesen anlässlich der Show
“Britain´s got Talent 2009“ Vater und Sohn Stavros Flatley: Vor
allem mit griechischem Charme und nicht gerade wegen allzu großer
griechischer Tanzkunst erreichten Sie das Finale dieses Wettbewerbs und
kamen auf den 4.Platz.
In
den Medien Westeuropas werden die Griechen derzeit als Ouzo saufende
Faulpelze dargestellt, die mit 50 in Pension gehen. Menschen, die
Griechenland regelmäßig besuchen, wissen es besser: Vor allem in der
Sommersaison arbeiten junge und alte Griechen sich den Buckel krumm, um
sich ein finanzielles Pölsterchen zu schaffen, das sie durch die
Wintermonate rettet, in denen nun mal kaum Arbeit zu finden ist. Erst
spät abends, wenn in der Tat ein Gläschen Ouzo auf den Tisch kommt,
scheint der Grieche die Müdigkeit von sich abzuschütteln, und dann wird
nicht nur getrunken, sondern auch getanzt. Die Feste und die Tavernen
des Dorfes geben ihm die Gelegenheit, so die Sorgen zu vergessen.
Beim „Pferdefestival“ in Agia Paraskevi, dass Anfang der Saison
stattfand, wollte ein Tänzer auch sein Pferd nicht abseits stehen
lassen, und ihm Gelegenheit geben, seine Beine zur Musik zu bewegen:
“Der Pferdetanz“ Und was macht man, wenn man noch immer nicht
genug auf dem Sardinenfestival getanzt hat? Nun, dann machen Sie einfach
weiter im Hafen von Skala Kallonis:
“Ein improvisierter Karsilamas“
Wollen Sie mit einem griechischen Tanz in den Schlagzeilen stehen?
Fahren Sie nach Rhodos, wo man in Kremsti am 31. Juli die Möglichkeit
hat, ins „Guinness-Buch der Rekorde“ zu kommen: Zweitausend Menschen
wollen dort den Sirtaki tanzen, den Tanz, der auch
„Sorbas Tanz“ genannt wird, zurecht, denn entstanden ist er
seinerzeit anlässlich der Dreharbeiten zu dem Film „Alexis Sorbas“
(orig.: Zorba, the Greek), in dem Anthony Quinn unvergesslich die
Hauptrolle spielt. Die Schritte der traditionellen Tänze, wie „Hasapiko“
oder „Syrtos“, waren so kompliziert für Quinn, dass man zu der Musik von
Mikis Theodorakis kurzerhand einen neuen Tanz entwarf, und somit ist der
berühmteste griechische Tanz erst um die 50 Jahre alt, denn
der Film erschien 1964 und wurde sofort ein weltweiter Hit.
Wenn Ihnen jedoch der Sinn nicht nach traditionellen griechischen Tänzen
steht, dann sind sie vom 14. – 17. Juli auf Lesvos richtig, wo in dieser
Zeit in Molyvos ein
Tango-Festival organisiert wird. Neben spannenden Tangotänzen im
Mondschein zu der Musik renommierter DJ´s, finden auch tagsüber
Vorführungen und Workshops statt.
Die
Sommerhitze ist da und damit auch die schwülen Nächte, die man am besten
tanzend durchbringen kann...
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