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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Foto: Internet
16.Februar 2011 - Draculas Insel
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Stellen Sie sich nur einmal vor, Sie finden ein altes Grab, öffnen es
für Forschungszwecke und entdecken ein Skelett, das mit Eisenspitzen,
die Hals, Becken und Knöchel durchbohren, in seinem Sarg festgenagelt
ist. Dieses gruselige Bild bot sich vor nicht allzu langer Zeit dem
amerikanischen Archäologen Hector Williams, der mit der „University of
British Columbia“ verbunden ist, die sich immer wieder mit Ausgrabungen
rund um Mytilini beschäftigt. Er entdeckte dieses Grab auf einem
türkischen Friedhof aus dem 19. Jahrhundert, in der Nähe des nördlichen
Hafens. Allem Anschein nach, hatten die Menschen, die diesen Mann einst
zu Grabe trugen, panische Angst davor, dass er wieder aus seiner Kiste
klettern könnte. Zur weiteren Absicherung war der Sargdeckel noch mit
riesigen Steinen beschwert.
Dieser Fund ließ einen frischen Wind durch die wissenschaftliche Welt
wehen,
zumal man später, nah bei der Taxiarchis-Kirche, oberhalb der
Inselhauptstadt, auf ein weiteres Grab stieß, in dem sich wiederum diese
riesigen Eisennägel befanden, dieses Mal an beiden Seiten des Skeletts.
Na, da kommt man doch schon auf den Gedanken, dass die Menschen
seinerzeit dachten, es mit einem Vampir zu tun zu haben. Auf jeden Fall
war der Fund interessant genug, dass ein TV-Dokumentarfilm für den
amerikanischen Sender „History Channel“ gedreht wurde („Vampire Island“,
Regie: Julian Thomas, 2010). Der arme Eisennagel-Mann bekam den Namen
Vlad, nach dem walachischen Herrscher Vlad Tepes (1431-1476), alias Vlad
Dracula oder Graf Dracula.
In
Westeuropa war es der irische Schriftsteller Bram Stoker, der 1897 mit
seinem Buch „Dracula“ eine Fantasiegeschichte über den Blut trinkenden
Grafen aus Transsilvanien verfasste und somit den Vampir populär und
gefürchtet machte. Geschichten über Vampire gibt es jedoch schon viel
länger, und jede Kultur hat ihre mythischen Figuren, die nach dem Tod
auferstehen, um sich von dem roten Lebenssaft der Menschen zu ernähren.
In Griechenland heißen diese untoten Geschöpfe „vrykolakes“.
Der
Glauben an Vampire wird hauptsächlich geschürt durch Angst. Angst davor,
dass der Gestorbene nicht wirklich tot ist, aus seinem Grab klettert und
sich an den Lebenden rächt. Gruselige, aber auch urkomische Filmszenen
über Tote, die sich plötzlich in ihrem Sarg bewegen, gibt es genug.
In
der TV-Dokumentation wird auch versucht, dem Mythos Vampir etwas auf die
Spur zu kommen. Durch allerlei chemische Prozesse, die im Körper nach
dem Tod ablaufen, kann zum Beispiel der Eindruck entstehen, dass der
Verstorbene noch lebt: Haare und Nägel wachsen noch eine Zeit weiter,
der Magen kann durch Gase anschwellen und die Leichenstarre kann mit
kleinen Bewegungen der Gliedmaßen einhergehen.
Früher wurden Menschen, die anders waren als die Masse, als Außenseiter
gesehen und behandelt. War man längere Zeit krank oder hatte eine
Behinderung, so wuchs die Befürchtung, sich nach dem Tod in einen Vampir
zu verwandeln. Auch Tuberkuloseerkrankte, die ja bei schwerem Verlauf
Blut spucken, wurden nach ihrem Tod als Vampir gefürchtet.
Und
„Vlad“ aus der TV-Doku? Nun, Wissenschaftler, die das Skelett untersucht
haben, sagten aus, dass es sich bei ihm um einen Mann gehandelt haben
muss, der zeitlebens kräftig und gesund war. Tja, dann war er wohl aus
anderen Gründen ein Außenseiter…
Hier in Griechenland, wird man bereits 1 Tag nach seinem Tod begraben
und bleibt 2 Jahre unter der Erde. Nach altem Volksbrauch ist die
Familie in dieser Zeit angehalten, den Verstorbenen regelmäßig mit
Essen, Trinken und Gesprächen zu versorgen. Die Tradition Nahrung ans
Grab zu bringen ist heutzutage verblasst, aber häufigen Besuch erhält
der Verstorbene nach wie vor. Nach Ablauf der 24 Monate, werden die
sterblichen Überreste ausgegraben, mit der bangen Hoffnung, dass die
Knochen weiß sein werden, denn sind sie nicht rein oder gar schwarz,
nun, dann muss derjenige wohl ein sehr sündiges Leben geführt haben, und
seine Familie sollte sich dafür schämen. In so einem Fall, stopft man
den Toten wieder zurück in die Erde, und wenn die Knochen nach einer 2.
Exhumierung immer noch nicht hell sind, tja, dann geht man davon aus,
dass der Tote zeit seines Lebens nicht menschlich war, und eventuell gar
ein Vampir.
Nachdem die Wissenschaft inzwischen jedoch beweisen kann, dass die Farbe
der Knochen von der Bodenbeschaffenheit des Grabes abhängt, können sie
von einem Priester mit Wein und Essig weiß gewaschen werden (übrigens
auch ein probates Mittel gegen Vampire), und somit muss sich die Familie
nicht mehr für ihren sündigen Angehörigen schämen.
Der
englische Archäologe Charles Thomas Newton schrieb 1835 das Buch „Travels
and discoveries in the Levant“ über seinen Aufenthalt auf Lesvos, wo er
von 1852-1855 Vizekonsul war. Darin erwähnt er u.a. eine Insel in
Küstennähe von Mytilini, in deren Erde Vampir-Kandidaten beigesetzt
wurden, da die Menschen davon ausgingen, dass Vampire in Salzwasser
nicht überleben und somit nicht von diesem Eiland entkommen könnten.
Hector Williams ist der Überzeugung, dass Newton das kleine Inselchen
meint, das gegenüber von Pamfila liegt. Noch hat der Archäologe nicht
die Chance bekommen, dort zu graben, aber er sagt, er habe vom Flugzeug
aus die Überreste alter Gebäude erkannt, und ist sich sicher, dass es
eine Vampir-Insel sein muss, ein einzigartiges Fleckchen Erde!
Kreta hat vor seiner Küste das Inselchen Spinalonga liegen, seit vielen
Jahren ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen. Bis in den 50er Jahren
ein Mittel gegen Lepra gefunden wurde, diente es jedoch ein halbes
Jahrhundert lang als Station für die Menschen, die von dieser
ansteckenden und unheilbaren Krankheit befallen waren. Damals wagte
niemand, die Insel zu betreten, und heute wimmelt es dort im Sommer von
fröhlichen und unbeschwerten Tagesausflüglern.
Glaubt man Hector Williams, so liegt vor der Küste von Lesvos ein
Vampir-Friedhof. Ich hoffe mal, er wird bald dazu kommen, all die Gräber
zu suchen, zu finden und zu öffnen, um seine Theorie zu untermauern. Wer
weiß, welch Gräuel diese Stätten offenbaren werden… Den Mythen von
Dracula ein griechisches Jäckchen überziehen: Keine schlechte Idee, den
Tourismus auf Lesvos anzuheizen…
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