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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Der Thron des Potamon

Der Thron des Potamon

 

19.April 2011 - Potamons Thron

Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski 

 

Noch ein paar Tage, dann ist Ostern. Die Orthodoxen feiern auch dieses Jahr wiederum zum gleichen Zeitpunkt, wie die westlichen Kirchen. Mit Ostern fängt die Sommersaison in Griechenland an und überall ist man derzeit schwer damit beschäftigt, alles für den Empfang der Touristen zu bereiten.

 

Vergangenen Montag hat sich die Dorfgemeinschaft versammelt, um Straßen, Wege und Strände zu säubern. Nicht nur in Molyvos, sondern auch überall sonst auf der Insel, standen den Gemeinden keine Gelder dafür zur Verfügung, und so kamen unzählige Freiwillige, ausgerüstet mit riesigen Müllsäcken, zusammen, um die Landschaft von Unrat zu befreien. Die Schulkinder hatten frei, um bei dieser Aktion mithelfen zu können, und so wurde die Insel mit vereinten Kräften für die kommende Saison gereinigt. Na, hat die Krise also auch ihr Gutes, denn so piekfein sahen Straßen und Strände noch nie aus...

 

In den 70erJahren kam der Tourismus auf Lesvos in Gang. Damals war ein Aufenthalt in Griechenland noch sehr preiswert, und man traf überwiegend auf Rucksacktouristen, die von Insel zu Insel „hüpften“. Diese Gruppe ist inzwischen abgewandert in fernere Länder, wo ein Urlaub immer noch billig ist.

 

Die heutigen Besucher Griechenlands haben bereits vor ihrer Anreise Flug und Unterkunft gebucht, was vor Jahrhunderten natürlich noch ganz anders aussah. Damals war das Wort „Touristen“ noch nicht erfunden, und man nannte die kleine Anzahl von Erdenbürgern, die durch die Welt zogen „Reisende“. Einige von ihnen führten Tagebuch, und manch eine dieser schriftlichen Aufzeichnungen über Erlebnisse, Erfahrungen und Empfindungen wurden nach Rückkehr in die Heimat veröffentlicht.

 

Vielleicht ist der Reise- und Kulturführer „Beschreibung Griechenlands“, verfasst von dem aus dem hellenisierten Kleinasien stammenden Pausanias (2. Jahrhundert vor Christus) der älteste überhaupt, denn eigentlich wurden erst im 18. Jahrhundert Reisetagbücher populär, so wie das von dem Entdecker James Cook (1728-1779). Ein Jahrhundert später waren es die Schriftsteller, die sich auf das Abenteuer Reisen einließen und ihre Geschichten publizierten. Man denke nur an den französischen Romancier Gustave Flaubert, der zahlreiche Briefe auf seinen Reisen in Länder, wie z.B. Ägypten und Griechenland, schrieb oder gar an das Werk von George Sand aus dem Jahr 1842, „Ein Winter auf Mallorca“.

 

Reisen war früher wesentlich gefährlicher als heute, und man musste schon ein wahrer Abenteurer sein, um sich darauf einzulassen, tja, und wenn man dann die bluttriefenden Aufzeichnungen in „The dead Sea“ (Das Tote Meer) gelesen hatte, das, was der britische Admiral William Allen 1855 erlebte, ist man wohl besser doch daheim geblieben. Allein hier in der Ägäis wurde er mehrfach von Piraten angegriffen und erlitt Schiffbruch. Auch der Niederländer Jan Somers, der 1590 Richtung Spanien zog, wird nicht nur die vielen Länder, die er sah, in Erinnerung behalten haben, sondern auch, dass er beinah ertrunken ist, in Gefangenschaft geriet und versklavt wurde. Er durchlebte viele Abenteuer in Konstantinopel (dem heutigen Istanbul) und war einer der handvoll Menschen aus dieser Zeit, der eine bescheidene Beschreibung von Lesvos festhielt („Reise nar de Levante“).

 

Wie auch immer, glaubt man den Untersuchungen von Frans RE Blom, einem Forscher an der Universität von Amsterdam, war der erste niederländische Tourist, der Lesvos besuchte und darüber schrieb, der aus einem Regentengeschlecht stammende Gerard Hinlopen aus Hoorn. Dieser Mann machte sich in jungen Jahren 1670 auf zu einer 2-jährigen Reise in die unbekannte Welt. Nachdem er in Spanien und Italien war, brachte ihn die Smyrna-Flotte nach Smyrna (heute Izmir), ins Osmanische Reich. Dort angekommen, hatte er genug von seiner Reisegesellschaft und zog dieser, die eines türkischen Schiffsherrn vor, mit dem er, als Türke verkleidet, an den Küsten längst, nach Konstantinopel reiste. So kam dieser Gerard Hinlopen auch nach Lesvos und schrieb einen unterhaltsamen Bericht, u.a. über die Burg von Mytilini, die heißen Quellen und das Aquädukt von Moria. Selbst Junggeselle, hob er in seinen Zeilen besonders die Frauen von Lesvos hervor. Darüber hinaus machte er eine große Entdeckung: Mönche erlaubten ihm, einen prachtvoll, aus einem Stück Marmor herausgearbeiteten Stuhl zu bewundern, auf den sie bei Ausgrabungen gestoßen waren und den eine Inschrift zierte. Genauestens vermerkte Hinlopen diese in seinen Notizen, um sie, zurück in den Niederlanden, entziffern zu lassen. Nach einigen Querelen in der archäologischen Welt, wurde man sich über ihre Bedeutung und somit die des marmornen Stuhles einig: Es musste sich um den Thron des Potamons handeln, dem Sohn des berühmten lesvoranischen Redners Lesbonax, der auch dadurch bekannt wurde, dass er sich längere Zeit am Hofe des Kaisers Augustus aufhielt, um dort Begünstigungen für seine Insel herauszukitzeln.

 

Als dann die Gerüchte über diesen großartigen Fund die Runde machten, kamen mehr und mehr Besucher nach Lesvos, um das marmorne Meisterstück zu bestaunen. Der Thron war somit die erste touristische Sehenswürdigkeit, und er wurde danach noch von vielen anderen Reisenden beschrieben, so auch von Mary Adelhaid Walker 1897 in „Old Tracks And New Landmarks“ und in „Travels and discoveries in the Levant“, 1865 von Charles Thomas Newton verfasst.

 

Schenken wir den damaligen Reisenden Glauben, so wurde Lesvos vor Jahrhunderten gerühmt für seine altertümlichen Schätze. Nach der osmanischen Herrschaft blieb jedoch davon nicht viel übrig, denn die griechischen Kulturgüter wurden weitestgehend zerstört und/oder gebraucht, um neue Bauwerke zu errichten. Die heutige Touristenattraktion der Insel, der Versteinerte Wald, ist zwar wahrscheinlich Millionen Jahre älter als alle anderen antiken Schätze, aber dieser Park wurde erst 1994 eröffnet.

 

Dank der alten Reiselektüre, können wir uns heute eine kleine Vorstellung davon machen, wie Lesvos früher ausgesehen haben muss (Mary Adelhaid Walker schreibt zum Beispiel einen faszinierenden Bericht über ihre beschwerliche Reise von Mytilini nach Molyvos und Petra), und wir wissen nun auch, dass Lesvos eine ganz andere touristische Attraktion, als den Versteinerten Wald hatte: Den Thron des Potamon. Da mehr und mehr Interessierte auf die Insel kamen, wurde der wertvolle Sessel in das Haus des Erzbischofs geschafft, und trotz der

Versuche des französischen Botschafters von Konstantinopel und Althistorikers, Marie-Gabriel-Florent-Auguste de Choiseul-Gouffier (1752-1817) und des berühmten britischen Lords Elgin (dem es wohl gelungen ist, mit dem Parthenon-Fries, das Herzstück der Akropolis zu rauben) befindet sich der Thron noch immer auf Lesvos.

 

Zu den Osterfeierlichkeiten würde der Erzbischof auf diesem Herrschersessel thronen, Ostereier an das Volk verteilen und auf dessen Gesundheit trinken, aber stattdessen steht der Thron nun irgendwo versteckt im Archäologischen Museum in Mytilini und wird leer bleiben: Kein Herrscher und kein Tourist weit und breit, der sich an den Thron von Potamon erinnert.

Frohe Ostern!