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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Die Kuppel eines türkischen Badehauses in Molyvos
25.Januar 2011- Präsidialer Fehler
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Die
meisten Menschen wissen, wer der Griechenlands Ministerpräsident ist,
nämlich Giorgos Andrea Papandreou, aber, dass das Land auch einen
Präsidenten hat, gerät oft in Vergessenheit: Karolos Papoulias. Dieser
Mann erscheint lang nicht so oft in den Medien, wie Papandreou, und ich
gebe zu, dass ich ihn auch nicht erkennen würde, sollte er meinen Weg
kreuzen. Eigentlich traurig, denn auf dem Papier ist er – so wie Königin
Beatrix in den Niederlanden – das Oberhaupt des Staates.
Letzte Woche kam der Präsident von Armenien, Sergij Sarkissjan, zu einem
offiziellen Staatsbesuch nach Griechenland. Natürlich kam es zu einem
Treffen mit seinem griechischen Kollegen Papoulias, bei dem dieser in
einem Satz fallen ließ, dass beide Staaten durch dieselben Barbaren
abgeschlachtet worden seien. Eine sehr unbedachte Äußerung des
griechischen Präsidenten zu Zeiten der sowieso schon sehr fragilen
Beziehung zum Nachbarland Türkei, und es kam zu wütenden Reaktionen,
eine davon war die Drohung, den Reiseverkehr nach Griechenland zu
stoppen.
Mehr und mehr türkische Touristen kommen, um die griechischen Inseln der
Ägäis, eine davon ist Lesvos, zu besuchen, um Ruhe, Sonne und Meer zu
genießen. Es sind nette freundliche Menschen, die den einen und anderen
Euro hier ausgeben, und ich bin sicher, dass ein Boykott in den heute
wirtschaftlich so schweren Zeiten das jetzt schon geringe Einkommen der
Inselbewohner noch mehr schmälern würde.
Ich
frage mich, ob nun auch die immer mehr Gestalt annehmenden Pläne,
regelmäßige Bootsfahrten von Nord-Lesvos in die Türkei zu organisieren,
gefährdet sind. Die Idee ist, von Pétra in die Türkei zu schippern, und
zwar zum alten „ Zwilling“ von Molyvos, Assos, der direkt gegenüber von
Argenos und Sikaminea liegt.
In
der Sommersaison geht fast täglich ein Boot von Mytilini nach Dykili
oder Ayvalik, niedliche kleine Städte, die zum Einkaufsbummel locken. Da
Lesvos selbst keinen Markt hat, ist gerade der in Ayvalik besonders
beliebt. Ist es auch nicht gestattet, frische Lebensmittel mit zurück zu
nehmen, so sind die Boote doch ein jedes Mal proppevoll mit Bewohnern
aus Lesvos, die sich von den günstigen Preisen und dem großen Angebot
der türkischen Geschäfte anziehen lassen.
Ein
Ausflug nach Assos würde jedoch mehr bedeuten, als eine Schnäppchenjagd,
den Hunger auf einen Kebab zu stillen oder einen kurzen Einblick ins
türkische Alltagsleben zu nehmen: Assos, ist ein malerisches Städtchen,
Molyvos gleich, und hat obendrein eine Anzahl archäologischer Stätten zu
bieten, wie z.B. einen dorischen Tempel, erbaut um 530 v.Chr., geweiht
der griechischen Göttin Athena.
Im
7. Jahrhundert wurde Assos von Äolern, die aus Molyvos (Methymna) kamen,
gegründet und wurde einige Zeit von einem Schüler Platons regiert, dem
Hermias von Atarneus, einstiger bithynischer Eunuch und Sklave, dem sein
Herr die Städte Atarneus und Assos vermachte. Der philosophisch
interessierte Herrscher ermutigte Philosophen in sein Städtchen zu
kommen, und so lebte selbst Aristoteles 2 Jahre als Gast bei ihm und
heiratete dessen Tochter. Die Perser eroberten das Städtchen und konnten
nur durch Alexander den Großen vertrieben werden. Danach übernahmen die
Könige von Pergamon das Zepter, bis die Römer kamen und das
Byzantinische Reich entstand. Nach dessen Fall war die Region Teil des
Osmanischen Reiches und schließlich, nach Entstehung der Türkei, wurde
Assos türkisch.
Ende des 19. Jahrhunderts stießen Archäologen auf den Tempel der Athene
und viele andere Schätze, die nach Paris, in den Louvre geschafft
wurden. Neben dem Tempel, weckt auch eine polygonale Mauer aus dem 4.
Jahrhundert vor Christus das Interesse, ebenso wie Gräber und ein
Freilichttheater.
Mehr
als genug für einen Tag Kultur unter türkischer Sonne. Assos
soll also nicht nur Menschen anziehen, die sich einen Vorgeschmack auf
die Türkei holen wollen, sondern auch diejenigen, die sich für antike
griechische Kultur interessieren, wovon auf Lesvos wenig übrig geblieben
ist, oder noch im Erdreich schlummert.
Gleichzeitig wäre doch der Schiffsverkehr ein geeigneter Anreiz dafür,
endlich
das
alte türkische Badhaus in Molyvos restaurieren zu lassen, dann hätten
auch die Türken die Möglichkeit, hier etwas eigene Kultur zu
besichtigen. Die Pläne dafür liegen schon seit Jahren fertig in der
Schublade, es gab sogar Geld dafür, aber bis jetzt ist das einst so
schöne Badhaus immer noch eine türkische Ruine.
Glücklicherweise stellen sich viele türkische Reisebüros gegen den
angedrohten Boykott, so dass man hoffen darf, dass der derzeitige
diplomatische Streit schnell wieder in Vergessenheit gerät und Lesvos in
der diesjährigen Saison wieder viele türkische Touristen begrüßen kann,
die dann hoffentlich in absehbarer Zeit das wieder hergestellte
türkische Badhaus in Molyvos besichtigen können. Tja, und für Sie gibt
es vielleicht im nächsten Sommer schon ein neues Ausflugsziel vom
nördlichen Lesvos aus: Die Möglichkeit einen Tag griechische Kultur in
der Türkei zu genießen!
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