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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Kirschen
4.Juli 2011- Griechenland
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Ich
gebe zu, dass es Zeiten gibt, wo ich dem ein oder anderen Griechen schon
mal an die Gurgel springen könnte, zum Beispiel erst kürzlich, wo uns
anlässlich einer Geburtstagsfeier Dutzende von Freunden und Bekannten
auf Lesvos besuchten und uns ihre Erlebnisse mit der Autovermietung oder
dem Hotelmanagement erzählten. Glauben Sie mir, ich musste sämtliche
Register ziehen, um sie zu beruhigen und die Einheimischen trotz allem
in gutem Licht dastehen zu lassen.
Griechenland, das sich, wie wir wissen, derzeit finanziell auf sehr
dünnem Eis bewegt, kann es sich auf gar keinen Fall erlauben, Touristen
zu verlieren, ist doch der Tourismus im Moment der einzige
wirtschaftliche Zweig, der zumindest etwas Geld in die leeren
Staatskassen fließen lässt. Unbestritten gibt es hier Geschäftsleute,
die wirklich engagiert sind und bereit, alles zu tun, um ihr Hotel oder
Geschäft vor dem griechischen Ruin zu retten, aber eben nicht alle... Da
gibt es auch die Hoteliers, die Sie bei Ihrer Ankunft mit einer
herzlichen Umarmung begrüßen, um Ihnen dann aber unverblümt zu sagen,
dass das von Ihnen reservierte Appartement bereits besetzt ist und Sie
sich mit einem Zimmerchen in einem Hinterhof-Hotel begnügen müssen, oder
die Autovermietung, die Ihnen statt eines 5-sitzigen Fahrzeugs ein
Autochen für 4 Personen am Flughafen hinstellt und die Polizei, die
eigenmächtig entscheidet, dass gerade Ihr Mietauto, welches in einer
langen Reihe von Kraftfahrzeugen steht, als einziges falsch geparkt ist
und Ihnen ein Knöllchen in gepfefferter Höhe verpasst...
Ich
denke auch gerade an die Betreiber von Ferienunterkünften, die einen
ganzen langen Winter Zeit hatten, Renovierungen und Umbauten an ihren
Anlagen durchzuführen,
aber gerade dann die Bohrmaschine oder den Presslufthammer anschmeißen,
wenn erholungsbedürftige Gäste, die Sehnsucht nach Ruhe haben, über die
Schwelle treten. Na, ein freundlicher Empfang ist das nicht wirklich,
und ich frage mich manchmal, was das eigentlich für Menschen sind, die
hier Hotels betreiben oder Autos vermieten. Klar ist mir inzwischen,
dass ein Großteil von Ihnen dringend einen Kurs unter dem Motto „Der
Kunde ist König“ belegen müsste.
Glücklicherweise sind diese Beispiele nur Ausnahmen, und wenn Sie sich,
sollten Sie einmal ähnliches erlebt haben, von Ihrem Schrecken und/oder
Ärger erholt haben, werden Sie schnell feststellen, dass die Griechen an
sich, überaus gastfreundlich und warmherzig sind. Nun befinden sich
aber, durch die Wirtschaftskrise, die Kleinunternehmer, zu denen
Tavernenbesitzer, Hotelbetreiber und Autovermieter hier auf der Insel
zählen, zusammen mit der Mittelschicht der griechischen Gesellschaft, in
einer sehr schwierigen Lage, denn, es ist nun mal so, um es ganz
deutlich zu sagen, dass ihnen kaum zu bewältigende Steuerlasten
auferlegt werden, um damit zu kompensieren, was ihre reichen Mitbürger
am Staat vorbei gemogelt haben und wahrscheinlich immer noch
unterschlagen. Es ist doch gar nicht verwunderlich, dass Massen in Athen
auf die Straßen gehen, die Krawalle nicht abreißen und von solch einer
Intensität sind, dass man den „Syntagma-Platz“ („Platz der Verfassung)
vor dem Parlamentsgebäude derzeit meiden sollte.
Von
diesen Unruhen merkt man auf Lesvos nichts, man bleibt diesbezüglich
gelassen hier, auch wenn ausgerufene Streiks ab und an zu
Unannehmlichkeiten, wie z.B. Flugverspätungen oder stundenweisen
Stromausfällen, führen. Auch wenn die Griechen hier derzeit nicht sehr
fröhlich gestimmt sind – der Gürtel muss immer enger geschnallt werden,
und niemand weiß wirklich, in welche Richtung das Land steuert – das
Leben auf Lesvos geht weiter: Nach wie vor bringen Charterflüge täglich
Touristen auf die Insel, die Sonne, Meer und die wunderschöne Natur von
Lesvos genießen wollen.
Krise hin oder her, die Erde der Insel bringt, wie eh und je, das
hervor, mit dem sie uns immer reichlich beschenkt: Obst und Gemüse in
Fülle und ohne Preiserhöhung (wenn auch etwas verspätet, aufgrund der
lang anhaltenden kühlen Witterung). Die Saison der Früchte ist
angebrochen und die Bäume biegen sich unter der Last von Aprikosen,
Kirschen, Pflaumen und Maulbeeren. Die ersten Tomaten, Gurken, Zucchini
und Auberginen können geerntet werden, während die Zeit der Bohnen
bereits vorbei ist. Für die Touristen stellt sich das griechische Leben
hier auf der Insel, wie ein wolkenloser Himmel dar, obwohl sich das
Wetter hinter all die protestierenden Menschen zu stellen scheint, denn
es ist, für diese Jahreszeit recht ungewöhnlich, ziemlich viel Gewölk am
Firmament. Wolkendecken schieben sich regelmäßig, gleich den mit
Schildern ausgerüsteten Streitkräften der Polizei in Athen, vor die
Sonne, und gestern und den Tag zuvor gab es heftige Schauer. Vor allem
in den Morgen- und Abendstunden ist es recht kühl für diesen
Sommermonat, und eine Jacke ist unverzichtbar. Ich selbst habe, was sehr
ungewöhnlich für Juli ist, meine dicke Bettdecke noch nicht gegen ein
dünnes Laken getauscht. Aber eigentlich sind die derzeitigen
Temperaturen sehr angenehm, besonders für die Touristen, wie z.B. aus
Deutschland und den Niederlanden, die ja erst kürzlich in ihrer Heimat
extrem heiße Zeiten hatten, und sich jetzt hier in Griechenland abkühlen
können...
Bislang hatten wir einen seltsam kühlen Sommer, jedoch voller heißer
Debatten. Wenn Sie den Griechen helfen wollen, so kommen Sie und
verbringen Ihren Urlaub hier. Ich bin mir sicher, dass Sie es nicht
bereuen, denn ich kenne nur Menschen, die von Lesvos begeistert waren
und gut erholt zurück in ihre Heimat gekehrt sind, selbst wenn sie auf
jemanden getroffen sind, bei dem die allgemein bekannte griechische
Gastfreundschaft ein wenig in Vergessenheit geraten ist. Aber seien Sie
ehrlich: Schwarze Schafe gibt es doch überall und so auch hier.
(Zweifeln Sie daran, dass Lesvos schön genug ist, für Ihren Urlaub? Nun,
dann bestellen Sie das Buch
Strooilichtezels &
Vossenballenijs und lassen sich von der Schönheit der Insel mit
Geschichten und atemberaubenden Fotos überzeugen.)
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