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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Walnüsse
6.Oktober 2011 - Walnuss-Blues
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Es
war einmal ein König in Lakonia, der hatte drei Töchter, Orphe, Lyco und
Karya. Eines Tages kam der Gott Apollo längst des Weges, und ihm wurde
so eine schöne Zeit und Gastfreundschaft im Palast zuteil, dass er den 3
Schwestern die Gabe schenkte, in die Zukunft sehen zu können, jedoch
unter der Bedingung, dass sich diese niemals gegen den Willen eines
Gottes stellen dürften. Einige Zeit später besuchte auch Dionysos das
Königreich und verliebte sich in die jüngste Tochter Karya, woraufhin
Orphe und Lyco vor Eifersucht platzten und alles daransetzten, um ein
Zusammenkommen der beiden zu verhindern. So haben die beiden Schwestern
sich nun doch gegen einen Gott gestellt, und die Bestrafung folgte,
indem zunächst ihre Sinne verwirrt und sie später in Felsen verwandelt
wurden. Karya hingegen, welche die Liebe des Gottes verschmähte, wurde
zu einem Walnussbaum (Juglans regia) und dieser somit zum Symbol von
Weisheit, und manchmal diente er in der Antike sogar als Orakel.
Karya war nicht nur Namensgeberin des Walnussbaumes (Walnüsse griech.:
karydia), sondern steht auch für den Stil griechischer Gebäude, und zwar
für die architektonisch unterstützenden Säulen, in Form von weiblichen
Standfiguren, Karyatiden genannt. Die berühmtesten findet man, ohne
Zweifel, auf der Akropolis in Athen. Das Erechtheion ist ein Tempel
dort, der bekannt ist für seine 6 überlebensgroßen steinernen
Frauenfiguren, die anstelle von Säulen das Dach der Vorhalle tragen.
Es
wird auch gesagt, dass die Karyatiden ihren Namen von den Frauen aus dem
Dorf Karyai (Peleponnes) tragen, welches berühmt ist für seine Walnüsse
und in dem einst ein Tempel stand, geweiht der Göttin Artemis Karyatis.
Die Dorfbewohnerin tanzten für die Göttin und trugen dabei riesige Körbe
mit Schilf auf ihren Häuptern.
Kann sein, dass in Mytilini dieser Baustil noch zu finden ist, aber auf
Lesvos selbst gibt es nicht viele. Dafür jedoch Walnussbäume, deren
Früchte eine wichtige Rolle in der griechischen Küche spielen,
insbesondere hinsichtlich süßer Speisen.
Ebenso wie die Oliven, werden auch die Walnüsse aus den Bäumen
geschlagen. Da dieser Laubbaum jedoch viel größer ist als der Ölbaum,
müssen diejenigen, die mit den Stöcken arbeiten, hoch ins Geäst
klettern. Also, wundern Sie sich nicht, wenn Sie in einem Baum Männer
sehen, die mit voller Wucht gegen Zweige und Äste schlagen. Die Frauen
hingegen warten unten geduldig, bis sie die niederprasselnden Früchte
vom Boden sammeln können.
Die
Walnuss wächst in einer grünen Schale heran, die, wenn sie reif für die
Ernte ist, aufplatzt oder schwarz wird. Dann beginnt die Arbeit, denn
die Frucht muss aus der Schale gepellt werden. Bei meiner ersten Ernte
habe ich noch den Rat einer Nachbarin, Handschuhe zu tragen, in den Wind
geschlagen, mit dem Ergebnis, dass meine Hände und Fingernägel sich
braun färbten und ich sie tagelang nicht sauber bekam. Aus der äußeren
Schale kann man Farbe herstellen, die von den griechischen Frauen
hauptsächlich genutzt wird, um ihr Haar in einem intensiven schönen
Rabenschwarz zu halten. Auch der Likör, der aus den unreifen Früchten
produziert wird, hat eine tiefschwarze Farbe.
Ist
die Frucht aus der Schale, muss sie geknackt werden, eine Beschäftigung,
die nicht nur zeitintensiv ist, sondern auch Kraft in den Händen bedarf,
ob mit oder ohne Nussknacker. Ein Freund erzählte mir kürzlich, dass er
als Kind Türscharniere dazu gebrauchte, was ich als Superidee fand, er
jedoch damals den Zorn seines Vaters auf sich zog, denn die
Walnuss-Schale ist so steinhart, dass sie Türen aus den Angeln heben
kann. In der Flugzeugindustrie werden die gemahlenen Schalen als
Politurmittel gebraucht, die NASA verwendet die Schalen immer noch als
Isolierung in Raketen und Bäcker nutzten sie einst als Antihaftbelag in
den Backöfen.
Ein
gewohntes Bild in diesen herrlichen Herbsttagen sind die alten Frauen,
die gemeinsam um einen Tisch sitzen, der voll von Walnussbergen ist.
Geduldig knacken sie die riesigen Haufen weg, bis sie genug Früchte
haben, um Kuchen, Kekse und das berühmte Baklava zu bereiten.
Baklava ist ein sehr süßes Gebäck, bei dem Walnussmasse zwischen mehrere
Lagen Blätter- bzw. Filoteig gestrichen wird und dann das Ganze mit
Zuckersirup oder Honig übergossen wird. Neben Walnüssen werden auch
Mandeln, Pistazien oder Cashewnüsse dafür verwendet. Überall auf der
Welt kennt man diese Süßspeise unter dem Namen Baklava, buchstabiert
wird es jedoch überall anders. Es ist ziemlich sicher, dass Baklava
seinen Ursprung im Osmanischen Reich hat. Wikipedia gibt an, dass es im
16. Jahrhundert in den Küchen des Tokapi-Palastes in Istanbul erfunden
wurde, wo der Sultan an jedem 15. des Monats, während des Ramadans,
seine Elitetruppe, die Janitscharen, mit riesigen Platten dieser
Köstlichkeit verwöhnte. Andere stellen die These auf, dass es Baklava
bereits in Mesopotamien gab oder bereits ein beliebtes Dessert im
Byzantinischen Reich war.
Egal wie alt Baklava nun wirklich ist und wo immer es auch herkommt,
nach Griechenland brachten es im 20. Jahrhundert die Flüchtlinge aus
Kleinasien mit, und seitdem ist es aus den Küchen nicht mehr
wegzudenken. Wird es hier zubereitet, dann meist in einer riesigen Form,
in der es dann, in kleine Stücke geschnitten wird, so dass man einige
Tage etwas von dem leckeren süßen Kuchen hat. Vorausgegangen sind aber
auch Stunden des Nüsseknackens.
Macht nichts, denn rohe Walnüsse sind gut gegen Stress, und ich kann mir
vorstellen, dass 2 Stündchen Walnussknacken eine gute
Stressbewältigungsmaßnahme ist.
Die
Frucht beinhaltet Phosphor, Magnesium, Zink (Spurenelement für Leber
und Haare), Kalzium, Eisen, Vitamine A, B, E, und Linolensäure (einer
für das Herz gesunden Omega 3-Fettsäure). Walnüsse halten Ihre Adern
frei und elastisch, und außerdem haben sie zweimal soviel Antioxydanten,
wie z.B. Mandeln, Erdnüsse, Pistazien und Cashewkerne.
Also, sollten Sie an einem Walnussbaum vorbeikommen, der noch nicht
abgeerntet ist, schlagen Sie die Früchte heraus, und geben Sie sich ein
paar Stündchen der perfekten Antistresstherapie hin. Suchen Sie sich ein
Rezept für Kuchen, Plätzchen oder sonst einer leckeren Süßspeise mit
Walnüssen heraus, und Sie werden sehen: So eine Rund-um-Walnuss-Kur
vollbringt Wunder!
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