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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Der Weihnachtsmarkt in Molyvos
6.Dezember 2011 - Süßigkeiten und Marzipan
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Wenn in Griechenland der Nikolaustag ansteht, dann heißt es für die
Frauenkooperativen des Landes Überstunden zu leisten, denn wenn es wen
gibt, der auf die Herstellung von Süßigkeiten spezialisiert ist, dann
sind es –neben den Bäckereien- diese Frauengruppen, die Kekse, Kuchen,
Marmelade und Marzipan herstellen.
Diese lokalen Unternehmen wurden bereits vor einigen Jahrzehnten ins
Leben gerufen, um die Landfrauen aus ihrem isolierten Leben als Bäuerin
und Hausfrau herauszuholen. Sie lernten so, einen Betrieb zu führen, mit
dem Nebeneffekt, ihr eigenes Geld zu verdienen. Seit 1980 sind 11
solcher Kooperativen auf Lesvos entstanden, die den Frauen tatsächlich
die Möglichkeit geben, beruflich auf verschiedenen Gebieten tätig zu
sein. Die meisten von ihnen haben sich fürs Backen und Einmachen
entschieden, eine logische Konsequenz angesichts des Überangebots von
Obst und Gemüse während des gesamten Jahres. Das Einmachen ist eine
zeitaufwendige mühselige Angelegenheit, und nur zu gut kann ich mir
vorstellen, dass, wenn man mit einer Gruppe von Frauen um einen Tisch
sitzt, der sich, voll mit Bergen von sommerlichem Gemüse, Früchten oder
Nüssen, unter seiner Last biegt, das Entsteinen, Schälen und Schnibbeln
trotzdem Spaß machen kann, wenn man es plaudernd, lachend und ab und an
einem Lied auf den Lippen in einer Gemeinschaft bewältigt. So sind die
Kooperativen eine gelungene Abwechslung für Hausfrauen, die sich fürs
Kochen und Backen begeistern: Kleine Ernten werden zusammengetragen,
geteilt, verarbeitet, und zudem werden traditionelle Rezepte bewahrt,
denn man kann davon ausgehen, dass die Zubereitung so erfolgt, wie es
schon die Oma der Mutter gelehrt hat.
Die
einzige Frauenkooperative, soweit ich weiß, die sich auf einen anderen
Geschäftszweig orientiert hat, ist in die in Pétra. Seit 1983 vermieten
die Frauen Fremdenzimmer mit Frühstück und betreiben ein Restaurant über
einem Café an der zentral gelegenen Platia, mit Blick aufs Meer.
In
den anderen Zusammenschlüssen, wie in Agiassos, Anemotia, Polichnitos,
Filia, Molyvos, Parakila, Assomatos und Mesopotos, widmet man sich
hauptsächlich der Herstellung von Marmelade, Kuchen, Keksen und des
berühmten „gliko toe koutaliou“ („Süsses vom Löffel“). Ein weiteres
ihrer köstlichen Produkte ist Marzipan, gefertigt aus Mandeln und
Walnüssen, liebevoll und künstlerisch geschickt in dekorative Form
geknetet oder zu zauberhaften Blüten geschnitzt. Diese wunderschönen
Kreationen sind in Griechenland ein beliebtes Geschenk zur Hochzeit oder
einer anderen festlichen Veranstaltung. Ich liebe Marzipan, aber wann
immer ich eine solch prachtvolle exotische Blume geschenkt bekomme,
prankt diese wochenlang auf unserem Tisch, bis sie schließlich so
zugestaubt ist, dass ich sie schlussendlich wehmütig entsorgen muss.
Das
zu Nikolaus übliche Naschwerk, wie Lebkuchen und Schokoladenfiguren,
könnten die Frauen mit Sicherheit auch herstellen, wäre es nicht so,
dass die Griechen die ab Dezember in den Niederlanden und Deutschland
anrollende „süße Welle“ gar nicht kennen, denn hier ist der 6. Dezember
kein Festtag für Kinder. In Griechenland ist Sankt Nikolaus der
Schutzpatron der Seefahrer, und all seine Namensgenossen (Nikos) feiern
an diesem Tag Namenstag (s. auch Lesvos-News vom 18.12.2006).
Fakt ist, dass die Griechen eh nicht viel Naschwerk essen, wie z.B.
Bonbons, die hier auf dem Markt auch gar nicht zu finden sind, bis auf
einige Mastix- und Ouzo-Exemplare, die wohl auch eh nur für die
Touristen produziert werden. Ach ja, und dann gibt es da noch „Loukoumia“,
diese mit Puderzucker überzogenen Gelee-Fruchtwürfel. Man könnte fast
denken, dass man in Griechenland versucht, aus natürlichen Produkten
gesunde Süßigkeiten herzustellen, aber wenn man bedenkt, welche Mengen
an Zucker dabei verwendet werden…
Jeder griechische Festtag hat seine eigene traditionelle Süßigkeit,
überwiegend Kuchen oder Kekse. So gehört, z.B., zu jedem Weihnachtsfest
das spezielle Weihnachtsgebäck, Mandelplätzchen, Koumrambiedes“ genannt
und „Melomakarona“, kleine in Honigsirup getränkte Kekse. Der
Adventskranz und Schokoladenkugeln sind dagegen nicht Bestandteil der
griechischen Weihnachtskultur, wobei sie letztere ja eh nicht aufhängen
könnten, da es in den Wohnstuben ja auch keinen Weihnachtsbaum gibt.
Obwohl… ok, in letzter Zeit hält dieser Trend aus dem Ausland, samt
schmückendem Beiwerk, mehr und mehr Einzug.
Eine Süßigkeit, die hier großen Anklang findet, sind Pralinen (wenn man
diese überhaupt zu dem Begriff „Süßigkeit“ zählen darf), wovon einige
solche Proportionen haben, dass die Bezeichnung Pralinenkuchen
angebrachter wäre. In der Herstellung einfach und fürs Selbermachen
geeignet, sind Nüsse oder Mandeln in Schokolade getaucht, wobei diese so
hart sind, da sie schon eine Gefahr für die Zähne darstellen.
Bei
traditionell griechischen Hochzeiten und Taufen kommt man als Gast in
den Genuss von einem köstlichen Naschwerk: „Koufeta“, gezuckerte
Mandeln. Verpackt in Tüll und verziert mit Seidenblumen werden diese,
wie weiße Kieselsteine aussehenden Süßigkeiten zusammen mit der
Einladung verteilt oder an die anwesenden Gäste verschenkt. Die Mandel
steht als Symbol für die zu erwartenden guten (der süße Zuckerguss) und
schlechten (der bittere Geschmack der Mandel) Zeiten. Das Weiß der
Mandel steht bei einer Hochzeit auch noch für Reinheit, die Form der
Mandel für die nie endende Liebe. Wichtig ist aber, dass man eine
ungerade Zahl von Hochzeitsmandeln verschenkt, denn ungerade Zahlen sind
unteilbar, und so soll auch das Paar unteilbar sein.
Wie
auch immer, der Süßigkeiten-Monat ist angebrochen, auch hier in
Griechenland, wo die Weihnachtsbackerei begonnen hat. Am vergangenen
Sonntag fand auf dem Schulgelände in Molyvos der Weihnachtsmarkt statt,
für den, wie alle Jahre wieder, eine Menge an Keksen und Kuchen
gestiftet wurde. Wenn ich an die Krise denke, gehe ich mal davon aus,
dass dieses Jahr noch mehr Hausfrauen, wie sonst, selbst gebacken haben
(im Holzofen natürlich). Tja, und in diesem Zusammenhang stellt sich
doch gleich die Frage, ob die Frauenkooperativen, die ja schon ziemlich
gesalzene Preise für ihre Süßigkeiten ansetzen, die derzeitige Krise
überleben werden…
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