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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Statue des Theophrastos in Eressós

Statue des Theophrastos in Eressós

 

22.Juni 2010 - Ein dummer Mann hält seinen Mund

Aus dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski 

 

Früher waren Wissenschaftler ganz anders als heutzutage: Die gelehrten  Griechen der Antike, wie Aristoteles oder Theophrastos waren die reinsten Tausendsassas, die sich nicht nur auf eine Fachrichtung spezialisierten, sondern alles erforschten, was ihnen in den Weg kam. Ich kann mir inzwischen nur zu gut vorstellen, wie viel Zeit allein das Studium der Natur in Anspruch nahm, wenn man, wie Theophrastos, der 371 v.Chr. in Eressós geboren wurde, auf Lesvos lebte.

 

Theophrastos hat sich so auch vor allem wegen seiner Pflanzenstudien einen Namen gemacht. Bis heute sind seine pflanzenkundlichen Schriften „De causis plantarum“ und „De historia plantarum“ von hoher Bedeutung in der ganzen Welt und stellen die Basis der botanischen Wissenschaft dar. Aber nicht all seine Werke haben die Jahre überlebt: Wenn wir alten Gelehrten Glauben schenken, die ihre Studien auf den Arbeiten des Theophrastos aufbauten, schrieb dieser Mann von Lesvos über 200 wissenschaftliche Bücher über eine Vielzahl von Themen, wie z.B. Schwitzen und Körpergeruch, Müdigkeit und Schwindel, Trauer und Melancholie, Schwächen und Fehlverhalten des Menschen. Er schrieb Abhandlungen über Tiere, die beißen, stechen oder eifersüchtig sind, über die Erziehung eines zukünftigen Königs, über Winde, Stürme und das Wasser, um sich dann wieder der Metaphysik und Mineralien zuzuwenden, wobei er auch Vulkangestein, Halbedelsteine, Kupfer, Silber, und unzähliges mehr, nicht ausließ.

 

Ist es da ein Wunder, dass Theophrastos (auch Theophrast genannt) kurz bevor er 85-jährig starb, beklagte, dass das Leben zu kurz sei, um alle Geheimnisse und Probleme der Welt zu ergründen?

 

Nachdem er auf Lesvos die Grundlagen der Philosophie erlernt hatte, zog es ihn

nach Athen. Hier wurde er, aller Wahrscheinlichkeit nach, zunächst Mitglied in Platons Akademie, wo er Aristoteles kennen lernte, dem er nach Platons Tod folgte und der mit ihm im Jahre 345 v.Chr. nach Lesvos zurückkehrte.

Während sich Aristoteles der Tierkunde auf der Insel widmete, gab sich Theophrast dem umfangreichen Pflanzenstudium hin. Als Aristoteles dann dem Ruf folgte, Lehrer und Erzieher des damals erst 14-jährigen Alexander des Großen zu werden, geht Theophrast mit ihm nach Pella in Makedonien.

 

Theophrast war jedoch nicht nur ein begnadeter Wissenschaftler, sondern beherrschte auch die Kunst der Rhetorik. Aufgrund dieser Fähigkeit, „wie ein Gott zu reden“, gab Aristoteles ihm den Namen, mit dem er bekannt wurde, (theo = Gott, phrastus = reden) denn ursprünglich hieß er Tyrtamos (na, also wurden damals noch nicht alle Yorgos, Yannis oder Dimitris genannt). Theophrastos redete aber nicht nur mit den Menschen, sondern er studierte diejenigen, mit denen er sprach, auch sehr intensiv und zeichnete seine Erfahrungen auf. Er war der Erste, der das Wort „Charakter“ für die Beschreibung der Psyche verwendete. Wunderbar beschreibt er 30 Charaktere in seinem gleichnamigen Werk. Dieses Buch (welches ich bald auf meiner Literaturseite vorstelle – Anm.der Übersetzerin) ist eine durchaus amüsante satirische Arbeit auf das menschliche Verhalten, und obwohl es mehr als 2.000 Jahre alt ist, wird einem beim Lesen schnell klar, dass sich nicht viel seitdem verändert hat. Man findet sich wieder in den Charakterbildern, wie z.B.: der Redselige, der Gerüchtemacher, der Eitle, der Gefallsüchtige, der Rücksichtslose, der Schmeichler, der Ironische, der Bauer, usw. Auffallend ist, das Theophrastos keine positiven Charaktere aufführt.

 

Heutzutage gibt es nur wenige Menschen, die solch überaus fleißigen Schreibern und berühmten Philosophen aus der Antike, wie Thephrastos und Aristoteles, das Wasser reichen können. Mag sein, dass da allein Mikis Theodorakis in Betracht kommt, der große Komponist, Schriftsteller und Politiker, geb. 1925 auf der Insel Chios, der mit seinen vielen Kompositionen – darunter Protestsongs aus den dunklen Zeiten der Griechischen Militärdiktatur, die noch heute jeder Grieche mitsingen kann – berühmt wurde. Mikis Theodorakis „Sorbas Tanz“ zum legendären Film „Alexis Sorbas“ von Michalis Kakojannis (1964) wurde ein Welterfolg.

 

Die Griechen lieben Theodorakis vor allem wegen seiner Protestlieder, aber ob man ihn auch einen weisen Mann nennen kann, daran zweifele ich, denn seine Äußerungen Ende April auf seiner Webseite über die Weltwirtschaftskrise haben mich persönlich schockiert. Seiner Meinung nach, sind es die Amerikaner, die hinter der Krise stecken. Mit Sorge sähe er, dass sie sich mit der Türkei angefreundet haben, und zusammen mit der Europäischen Zentralbank und Ländern wie Deutschland (angeführt von Angela Merkel) versuchten sie nun, die griechische Bevölkerung in die Knie zu zwingen und Griechenland zu zerstören.

 

Ich habe mir Theophrastos „Charaktere“ vorgenommen, aber ich werde nicht wagen, zu behaupten, dass eine Beschreibung davon zu Theodorakis passt. Theophrastos war auch für seine spitze Zunge bekannt, so sagte er einmal zu einem Mann, der während eines Abendessens kein einziges Wort von sich gab: „Wenn Sie ein dummer Mann sind, haben Sie sich vorbildlich verhalten, sind sie aber ein intelligenter Mann, dann haben Sie sich dumm benommen.“ Ein weiser Spruch, aber Theodorakis zeigt, dass selbst intelligente Menschen dumme Aussagen machen können. Steht er, der einst die Stimme des Volkes war, nun vielleicht auf der Seite all der Reichen, die mit der hohen Kunst der Steuerhinterziehung Griechenland beinahe in den Abgrund getrieben haben?