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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Svirnies

Svirnies

 

26.März 2010 - Ein Teller mit leckerem giftigem Chorta

Aus dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski 

 

Der Frühling ist auf der Insel angekommen, im Gepäck farbenprächtige Blütenteppiche. Tische und Stühle werden nach draußen verfrachtet, was das betrifft, kann der Sommer beginnen!

 

Die Griechen leben aber auch während des Winters am liebsten im Freien. Sobald die Temperaturen es zulassen, wird der Kaffee oder Ouzo unterm weiten Himmelszelt geschlürft. Nicht so, wie in Deutschland und den Niederlanden, reizt schönes Wetter die Menschen hier dazu, durch die herrliche Natur zu spazieren. Die Landschaft wird von den Griechen nur durchwandert, wenn dies mit Nutzen und Ertrag verbunden ist, wie z.B. das Ernten. So machen sich im Herbst die Männer auf in die Wälder zur Pilzsuche, während das Sammeln von Wildgemüse (Chorta), im Winter und Herbst, in Wiesen und auf Feldern, meist Frauensache ist.

 

Die Chortazeit beginnt im Januar, aber im März ist eine Delikatesse der Grund dafür, dass es auch die Männer wieder in die Natur zieht: Der Wilde Spargel! Das sind die dünnen frischen Triebe eines stacheligen Strauches, die dann in den Himmel schießen.

 

Spargel zu sammeln, ist nicht so einfach, wie das Pilzesuchen, denn man muss schon ganz genau hinsehen, um ihn unter, neben oder über niedrigen Büschen austreiben zu sehen. Als wir uns das erste Mal aufmachten, das köstliche Gemüse in der Natur zu ernten, fanden wir neben stricknadeldünnen Trieben auch fingerdicke Exemplare, die wir dann voller Stolz unserer griechischen Nachbarin zeigten, die uns dann jedoch aufklärte, dass das kein „sparangia“ sondern „svirnies“ sei. Pff.., wieder ein neues griechisches Wort und eine andere Sorte von Asparagus.

 

Tja, und in diesem Jahr fand ich dann heraus, dass „svirnies“, auf Kreta auch „avronies“ genannt (in der Türkei „stifno), eigentlich die jungen Sprösslinge der Gemeinen Schmerwurz (Tamus communis) sind. Das ist eine ausdauernde Kletterpflanze, die herzförmige Blätter trägt und – Achtung, jetzt kommt´s: giftig ist! Oh, oh, wir hatten doch gerade vor einiger Zeit ein Bündel „svirnies“, das ein Freund mitgebracht hatte, einer geselligen Runde als Salat zubereitet serviert. Die gute Nachricht: Wir leben alle noch! Und noch erfreulicher ist, dass auch eine zweite Dosis, die ich selbst gepflückt und, zusammen mit Wildem Spargel gedünstet, verzehrt habe, meiner Gesundheit nicht geschadet hat.

Meine diesbezüglichen Internet-Recherchen ergaben, dass wir wahrscheinlich die Sprossen von „Tamus cretica“ verzehrt haben, einer Unterart der Schmerwurz, und – nehme ich jetzt mal an – essbar. Sicher kann ich aber nicht sein, weil die Aussagen im worldwide-web sehr verwirrend sind. Z.B. behauptet da auch jemand, dass es „Tamus cretica“ gar nicht gibt, diese Pflanze vielmehr „dioscorea communis“ heißt und ebenfalls giftig ist... Fakt ist auf jeden Fall nicht nur, dass die Wissenschaftler wirklich immer hübsche Namen aussuchen, sondern dass in Griechenland, neben dem Spargel, auch „look-a-likes“ gegessen werden, nämlich „svirnies“ oder „avronies“.

 

 

Wenn man hier lebt, ist es besser, zu wissen, wie ein Gewächs aussieht, als seinen Namen zu kennen, denn dieser variiert eh von Region zu Region. So hab ich zum Beispiel lang gebraucht, um herauszufinden, was es mit der Pflanze auf sich hat, die von den Griechen „kardamo“ genannt wird. Ich dachte die ganze Zeit, dass es sich dabei um eine wilde Art des Kardamom (cardamomum) handelt, dem bekannten Gewürz, dass besonders in der indischen Küche Anwendung findet. Auch die Griechen schmecken einige Gerichte mit Kardamom ab, obwohl das Kraut in ihrer Heimat gar nicht wächst. Linear B-Tontafeln brachten jedoch die Gewissheit, dass die Griechen in der Antike bereits mit „Kardamomom“ (so hieß es damals) handelten und mit dieser sehr preisintensiven Kostbarkeit reich werden konnten.

 

Kommen die „Chorta-Pflückerinnen“ heutzutage mit „kardamo“ heim, so haben sie nicht die Hülsenfrüchte im Plastiksäckel, deren Samen so herrlich würzig duften, sondern vielmehr eine Pflanze mit essbaren Blättern. Obwohl, eigentlich könnte man mit diesem Kraut auch Handel betreiben, denn eines hat es mit dem Kardamom gemeinsam: Es schmeichelt dem Gaumen, so lecker ist es, es ist mit seiner pfeffrigen Schärfe sehr eigenwillig im Geschmack und eine echte Delikatesse für jeden Salat.

 

Da das, was da auf den Inselfeldern gesammelt wird, dem Wiesenschaumkraut (cardamine) sehr ähnelt, gibt’s eine Erklärung für die Namensgleichheit:

Cardamine kommt vom griechischen kárdamon, dem Namen der orientalischen Kresse. Aber, wie gesagt, es sieht nur ähnlich aus und nicht genau so. Kann ja sein, dass es eine neue Sorte Kresse ist, z.B. die „Lesvorianische Kresse“ oder – noch klangvoller „Cardamine lesvorine“?

 

Ne, keine Sorge, ich misch mich nicht ein in das Hickhack der Botaniker, die jahrelange über neue Arten und ihre Bezeichnungen argumentieren können. Für mich zählt nur, das „kardamo“ ein köstliches pfeffriges Kraut ist, das einen griechischen Salat noch schmackhafter macht. Es wächst, wie „sparangia“ und „svirnies“ zu Beginn des Frühlings. Was „kardamo“ denn auch sein mag, es muss eine sehr gesunde Pflanze sein, sonst wären die Griechen nicht so verrückt danach, was auch für „svirnies“ gilt. Vom Spargel wissen wir ja, dass er randvoll mit Vitamin C und Antioxidantien, den Schutzengeln unserer Körperzellen, sitzt. In diesem Sinne: Guten Appetit!