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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Heißes Bad in Lisvori
19.Januar 2010 - Baden
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Heutzutage fliegen die Menschen um den halben Erdball, um an
wunderschönen Stränden zu liegen, an denen sie Sonne und Meer genießen
können. So quetschen sich an warmen Sommertagen tausende Menschen an
manch einen Strand und unterbrechen ihr Sonnenbad nur ab und an, um sich
im Wasser etwas abzukühlen oder ein kleines Ründchen zu schwimmen. Nur
noch selten hört man die Strandbesucher sagen, dass sie ins Meer gehen,
weil es für die Gesundheit förderlich ist, obwohl dies gerade vor rund
200 Jahren der Grund für die Geburt der Strandkultur war. Die
medizinische Welt hatte nämlich just zu dieser Zeit erforscht, dass
Salzwasser heilende Wirkung bei Asthma, Rheuma und einem
Bandscheibenvorfall hat und auch das Trinken von Meerwasser wirkungsvoll
sei, um Magen und Darm auszuspülen (war bestimmt lecker, oder?).
Tja, und so war es im 19. Jahrhundert vorbei mit der Stille in den
idyllischen Fischerorten, wie z.B. dem niederländischen Dörfchen
Zandvoort, und eine neue Einnahmequelle an manch europäischer Küste war
entdeckt: Badegäste!
Ebenfalls im 19. Jahrhundert kam den Menschen die Einsicht, dass ein Bad
gut für die Hygiene sei, und so errichtete man, nach 2 schweren
Cholera-Epidemien in den Jahren 1832 und 1849 in England, öffentliche
Bäder, wo die Bevölkerung sich reinigen konnte. Viele Länder folgten dem
Beispiel Englands, und die Badehäuser wurden erst ab dem 20. Jahrhundert
nach und nach verdrängt, als man dazu überging, die Wohnhäuser selbst
mit einem Bad auszustatten. Heutzutage ist es nicht mehr vorstellbar,
kein eigenes Badezimmer in seinen 4-Wänden zu haben.
Es
waren zunächst die reichen Leute, die das Meer aus Spaß und
gesundheitlichen Gründen besuchten, denn die konnten sich eine Reise
dorthin leisten. Für das „gewöhnliche Volk“ waren die Küsten erst
erreichbar, als Bahn, Bus etc. dorthin fuhren. Auch war es die
Oberschicht, die sich schon sehr früh der gesundheitsfördernden Wirkung
von Heilbädern bewusst war, und es sich erlauben konnte, erholende
Zeiten in Kurorten, die alsdann rund um natürliche Thermalquellen
errichtet wurden, zu verbringen.
Viele Leute denken, dass die Römer die Erfinder der Badehäuser waren,
dabei gab es bereits in der griechischen Antike Menschen, die
Thermalbäder für ihre Gesundheit nahmen und sogar einige Reiche, die den
Luxus genossen, eine solch sanitäre Einrichtung bereits in ihrem
Wohnhaus zu haben. Die berühmteste Badegeschichte ist wohl die des
griechischen Mathematikers Archimedes (212- 285 vor Christus): Seine
bekannteste Entdeckung, die des Auftriebs, machte er nämlich eines
nachmittags in der Wanne, als das Wasser überschwappte. Er erkannte,
dass die aus der Badewanne geflossene Menge, exakt dem Volumen seines
Körpers entsprach. Das „Archimedische Prinzip“ gesagt, dass das Gewicht
der verdrängten Flüssigkeit gleich groß, wie das Gewicht des
schwimmenden Körpers ist. Tja, und diese Erkenntnis, hat Archimedes
dermaßen aus der Fassung gebracht, dass er splitternackt und „Heureka!“
rufend durch die Straßen von Syrakus gelaufen sein soll.
Na,
und denkt man an ein entspannendes Bad, fällt einem ja auch gleich
Kleopatra ein, von der man sich erzählt, dass sie regelmäßig in
Eselsmilch gebadet habe, um ihre unbeschreibliche Schönheit zu bewahren.
Ob
zur Gesundheit, aus religiösen Gründen oder was auch immer, für die
Römer war das Baden ein Spaßfaktor. Dank der Aquädukte, die es
ermöglichten, Wassermengen von einem Ort zum anderen zu schaffen, konnte
man riesige Badehäuser errichten und ein Kaiser versuchte den anderen zu
übertreffen, sei es hinsichtlich der Größe, der pompösen Ausstattung
oder der kostbarsten Baumaterialien. Lesen Sie mal nach unter
Caracalla-Thermen (Wikipedia) , die in den Jahren 212-216 erbaut wurden.
Ist doch unglaublich wie riesig die waren. Die Anlage soll 330 x 330 m
groß gewesen sein, das Hauptgebäude alleine 220 x 114 Meter und Platz
für 2.000 Menschen bieten. Tja, und nicht nur Baden war für die Gäste
dort angesagt, sondern sie konnten in Bibliotheken stöbern, zum Friseur
gehen, eine Gymnastikstunde nehmen, im Café sitzen, durch wundervoll
angelegte Gärten flanieren, u.v.m. Unfassbar, oder? Aber auch diese
Thermen wurden in ihrer Größe übertroffen, und zwar von den
Diokletiansthermen, die 298 – 306 ebenfalls in Rom erbaut wurden
(angeblich von 40.000 Sklaven).
In
späteren Jahre litt der Ruf der Römischen Bäder. Sie galten als
unzüchtige Orte für geheime Treffen und Rendezvous, aber auch als die
geeigneten Plätze, um sich gegen die Machthaber zu verschwören. Als sich
dann das Christentum in Europa verbreitete, wurden die öffentlichen
Bäder geschlossen, denn wie hieß es: Man kann sich nicht von Sünden
reinwaschen, dazu muss man sich an Gott wenden. Erst zu Ende des
Mittelalters wurden die Thermen wiederentdeckt und häppchenweise wieder
hergestellt. Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Kurorte wie
Baden-Baden populär und zu beliebten Urlaubsorten des Adels und der
Mitglieder europäischer Königshäuser. Ausschweifungen ließen nicht lange
auf sich warten, so dass die katholische Kirche schockiert eingriff und
auf getrennte Bäder für Männer und Frauen bestand.
Viele Städte Europas sind noch heute stolze Besitzer Römischer Bäder, in
denen man sich recht gut den Luxus vergangener Zeiten vorstellen kann,
wenn man durch das heilende Wasser schwimmt, so z.B. im englischen
Bath oder
ungarischen Budapest.
Lesvos hat mehrere heiße Quellen, aber keine großen Kurhäuser. Allein
Thermi war einst ein blühender Kurort, was die Überreste des einstigen
luxuriösen „Sarlitza Palace“ (erbaut im 20. Jahrhundert) zeigen. Weitere
stumme Zeugen dafür sind neben den Ruinen des Türkischen Bads auch die
vielen archäologischen Funde aus römischer und altgriechischer Zeit.
Die
anderen heißen Quellen auf Lesvos sind kleine einfache Bäder, die durch
die Gemeinden betrieben und erhalten werden. Aber es ist gerade diese
Bescheidenheit, die ein Gefühl von Romantik und Authentizität
vermitteln. Hier gibt es nun mal keine Bäder, wie in
Spa,
Belgien, oder
Karlovy Vary in der Tschechischen Republik.
Auch die Becken der beiden Bäder in Lisvori sind simpel und schlicht,
die man entweder allein oder mit Freunden/Familie nutzt. Die dortige
Gemeinde hatte sich dazu entschlossen, die Anlage attraktiver zu
gestalten und begann zunächst mit der Renovierung der Hotelzimmer.
Danach gingen die Arbeiter voller Enthusiasmus mit Eimern voller Beton
ans Werk, um das historische Bad aus dem 14. Jahrhundert etwas zu
modernisieren! Tja, und dann kam die Dame vom archäologischen Dienst zur
Inspektion und war schier einer Ohmacht nah, als sie sah, wie die Männer
dem antiken Gebäude mit Beton zu Leibe rückten. Fazit: Die Arbeiten
wurden sofort gestoppt, zumal ja auch gar keine Genehmigung dafür
erteilt wurde.
Inzwischen haben sich die Unstimmigkeiten gelegt und man hat weiter
gemacht. Womit? Nun, inzwischen strahlt Ihnen ein großer betonierter
Parkplatz entgegen, der jedoch, so versichert der Bürgermeister, alsbald
mit schönen alten Steinen gepflastert und mit Bäumen umpflanzt werden
soll, die herrliches Grün und Schatten spenden sollen. Auch die Bäder
sollen mit altem Gestein restauriert werden und all das soll Ende März
bewerkstelligt sein, aber es sind die Worte eines Griechen, was
bedeutet, dass es auch noch länger dauern kann.
Lisvori wird niemals die Pracht der Caracella-Thermen in Rom
ausstrahlen, aber die neuen Bäder sind ein Schritt in die richtige
Richtung: Ein kleiner Kurort, in wunderschöner Umgebung, wo man die
Möglichkeit der Übernachtung hat und eine Kleinigkeit essen kann...
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