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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Eftalou-Boulevard am 21.2.2010
22.Februar 2010 - Den Wettergöttern ausgeliefert
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Möchte man heutzutage wissen, womit wettermäßig zu rechnen ist, so ist
das ganz einfach, denn Wettervorhersagen bieten Internet, TV, Radio und
Tageszeitung. Der Mensch hat inzwischen soviel übers Wetter gelernt,
dass er inzwischen prophezeien kann, woher der Wind weht, welche
Temperaturen zu erwarten sind und welche Form des Niederschlags den
Alltag erschweren wird. Aber eine konkrete Aussage wer denn nun
eigentlich für das Wetter verantwortlich ist, tja, die gibt’s nicht. Ja,
damals, als dieses Schicksal noch in den Händen der Götter lag, da
konnte man sich an sie wenden und um Regen oder Sonnenschein bitten,
anfragen, ob der Wind, wohl mal aus Norden pusten oder sich mal zur Ruh
legen könnte, und waren einem die Götter wohlgesinnt, so konnte man
schon mal auf diese Weise Einfluss nehmen.
Homer erzählt in seiner Odyssee, wie es Odysseus und seine Gefährten zu
der schwimmenden Insel Aiolia verschlug, auf der ein Sohn des Poseidon,
Aeolus, sein Zepter schwang. Aeolus war der Gott der Winde und war mit
Eos, der Göttin der Morgenröte verheiratet. Odysseus und seine Männer
wurden gastfreundlich aufgenommen und man verbrachte eine schöne Zeit
miteinander. Als Odysseus aufbrechen wollte, belohnte ihn der Gastgeber
mit dem Westwind, der sein Schiff nachhause tragen sollte. Als weitere
Gabe überreichte er ihm einen Sack mit günstigen Winden für unterwegs,
den Odysseus gut zugeschnürt halten sollte, und so ging es dann Richtung
Heimat. Die Gefährten Odysseus hatten keine Ahnung, was in dem Sack
steckt, vermuteten aber einen Schatz in dem Behältnis. Kurz vor dem
Ziel, hielten die Toren die Ungewissheit nicht mehr aus und lösten den
Strick: Alle Winde rauschten gleichzeitig aus dem Sack, entfesselten
einen heftigen Sturm, der das Schiff von seinem Kurs nach Ithaca abtrieb
und so die Irrfahrt des Odysseus um einiges verlängerte.
Auch der römische Dichter Vergil webt den Gott Aeolus in sein berühmtes
Epos „Aeneis“ ein, um es spannender zu machen. So ließ er im ersten
Kapitel den trojanischen Helden Aenaeas erst durch die von Aeolus
entfachten Stürme durch die Weltmeere irren, bis er es endlich an die
italienische Küste schaffte, um dort das römische Reich zu gründen.
Von
Zeus als Herrscher über die Windgottheiten eingesetzt, manipulierte
Aeolus mit ihnen die Welt. Anemoi wurde die größten 4 Windgötter
genannt: Zu den Brüdern gehörten der Nordwind (Boreas), der Südwind
(Euros), der Westwind (Zephyros) und der Südwind (Notos). Aber da waren
auch noch kleinere Gottheiten, die Verantwortung für diese Winde trugen:
Kaikias für den Nordostwind, Skiron für den Nordwestwind, Livas für den
Südwestwind und Apoliotes für den Südostwind.
Von
Zephyros (auch Zephyr), der Windgottheit, die den Westwind verkörpert,
wird gesagt, dass er der freundlichste Wind sei, denn er ist der Bote
des Frühlings. Er ist auch irgendwie für die Schöpfung einer der
schönsten Frühlingsblumen verantwortlich, der Hyazinthe. Hyakinthos war
der Sohn des Königs der Spartaner und ein Geliebter des griechischen
Gottes Apoll. Der Prinz war wohl so unglaublich schön, dass auch
Zephyros sich in ihn verliebte. Eines Tages übten Hyakinthos und Apoll
sich gemeinsam im Diskuswerfen, und die Mythologie berichtet, dass
Zephyros, von Eifersucht geplagt, die von Apoll geworfene Scheibe durch
einen Windstoß abtreiben ließ, so dass der Königssohn am Kopf getroffen
wurde und starb. Apoll war so betrübt über den Tod des schönen
Jünglings, dass er aus dem Blut die gleichnamige lieblich duftende
Frühlingsblume schuf.
Es
sind hauptsächlich Boreos und Notos, die für elendes Wetter sorgen.
Boreos bringt Kälte und Schnee, Notos den Regen. Es könnte sein, dass
Boreos in diesem Winter mit der berüchtigten Schweinegrippe im Bett lag,
denn viel haben wir von ihm nicht gesehen. Es war vor allem Notos, der
in den vergangenen Monaten die Insel mit seinen Stürmen und Regenfällen
unsicher machte, und er war nicht allein bei seinem wilden Spiel,
Unterstützung fand er in Livas und Zephyros.
Vielleicht kann man die schweren Stürme und Schauer der letzten Zeit
auch als einen Versuch deuten, den Frühling auf Lesvos einziehen zu
lassen. Naja, ich meine, kann doch sein, dass zwischen dem freundlichen
Zephyros und Notos ein Zank über das Ende des Winters ausgebrochen ist
und Livas, den man ansonsten so selten sieht, schlug sich mit seinen
langen und gewaltig brechenden Wellen, die Meer, Küsten und Häfen
unsicher machten, auf die Seite von Notos.
Zum
x-ten Mal in diesem Winter müssen die Autofahrer auf dem
Eftalou-Boulevard stoppen und wenden, weil kraftvolle Wellen bedrohlich
meterhoch über die Straße schlagen und die bereits vorhandenen
Asphaltschäden noch verschlimmern. Unberührt davon, dass herrliche
Temperaturen bis zu 20 Grad auf Lesvos zu vermelden sind, und Zephyros
endlich den Frühling in Form von Seen aus Anemonen, den ersten
Orchideen, Sonnenröschen und anderen Frühlingsblühern, mitgebracht hat,
setzt Notos alles daran, wie ein schizophrener Gott mit seinen Stürmen
das bislang vollbrachte Frühjahrswerk wieder zu zerstören.
Besorgt frage ich mich, wie die zarten Blüten der Mandel die schweren
Stürme überstehen sollen. Wenn ich schon so eine heftige Bö mit ihrem
wilden Brausen ankommen höre, befürchte ich ein jedes Mal, dass sie es
schafft, so ein prächtig blühendes Bäumelein mit einem Schlag zu
entblößen. Aber nein, die Bäume öffnen ihre kräftig rosa Blüten, recken
sie trotzig dem Wind entgegen und rascheln fröhlich in seinem bösen
Spiel. Man kann nur froh sein, dass es nicht Boreos ist, der sie
herausfordert, denn der würde mit seiner Kälte kurzen Prozess machen.
Notos hat sich uns von seiner unangenehmsten Seite gezeigt, und obwohl
Livas sich noch etwas auslebt, spürt man doch ein Gefühl von Frühling
auf der Insel. Die Sonne wacht mit ihrem Schein wie ein fairer
Schiedsrichter über die Turbulenzen der Winde von Lesvos und wird sie
zähmen, da bin ich mir sicher.
Zephyros ist mit dem Frühling eingezogen, aber dieses Jahr hängt ein
Preisschild dran, und zwar mit einem beträchtlichen Sümmchen.
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