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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Vollmond über der Bucht von Molyvos
1.September 2010 - Im Mondschein
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Wenn man in der Großstadt lebt, realisiert man es gar nicht mehr, welch
eine Kraft des Mondes Schein hat, wenn er voll ist. Er gibt so viel
Licht, dass man ohne weitere künstliche Leuchtquellen draußen zu Abend
essen, eine gut beleuchtete Wanderung machen, oder, was auch immer, für
Aktivitäten angreifen kann. Ich bin auf jeden Fall immer wieder
verblüfft, von der unglaublichen Helligkeit, die der Planet uns schenkt,
und genieße das blauweiße Vollmondlicht, wenn es in den Bergen glänzt,
sich auf dem Meer spiegelt und weiße Gebäude so anstrahlt und genial
ausleuchtet, als sei man auf einem Filmset. Wenn man sich dann auch noch
an so einem magischen Platz befindet, wie z.B. auf der Akropolis in
Athen oder bei einer Ausgrabungsstätte, wie dem ionischenTempel von
Messa (bei Agia Paraskevi), wo freigelegte marmorne Ruinen die silbernen
Strahlen des Vollmonds einfangen, hat man das Gefühl, als würde die Zeit
stillstehen.
Es
ist eine neue Tradition in Griechenland, in Vollmondnächten die rund 90
archäologischen Stätten geöffnet zu lassen, damit Besucher sich von dem
zauberhaften Schauspiel des Mondes auf jahrhundertealten Steinen,
Mauern, Säulen, Gebäuden und Mosaiken betören lassen können.
Bei
den Ausgrabungen von Thermi (Bei Mytilini) wurden nicht nur die Augen
durch das Mondlicht, sondern auch die Ohren durch Poesie und Musik
verwöhnt. Der Abend war der Sappho gewidmet, und natürlich brachte man
neben anderer ihrer Verse, auch ihr Gedicht über den Vollmond zu Gehör.
Ich kann nur zu gut verstehen, dass früher, als es noch kein
elektrisches Licht auf der Erde gab, Sappho gar nicht anders konnte, als
eine Ode auf die himmlische silberne Scheibe zu verfassen.
Jede Kultur hat ihre eigenen Mythen über den Mond oder Götter, die
diesen repräsentieren. In der griechischen Mythologie, ist Selene
(später Artemis) die Mondgöttin. Sie war die Schwester des Sonnengottes
Helios und der Eos, der Göttin der Morgenröte und eine sehr friedliche
Frau, die nur eine handvoll Geschichten bietet. Die bekannteste und
berührendste Geschichte ist die über ihre Liebe zu dem Schäfer oder
Jäger Endymion (gem. Pausanius war er sogar ein König). Er war so schön,
dass Selene Zeus darum bat, ihm ewige Jugend zu schenken. So ließ der
Göttervater ihn in ewigen Schlaf verfallen, um ihn so vor dem Tod und
dem Altern zu bewahren. So schlief Endymion auf ewig, und Selene konnte
diese Schönheit an ihrer Seite halten und jede Nacht, wenn der Mond
hinter den Bergen verschwand, suchte Selene ihren schönen Schläfer auf.
Die alten Griechen glaubten, dass sich die Schlafstätte des Endymion in
einer Höhle am Südhang des Latmos-Gebirges befand, irgendwo an der
Südwestküste der heutigen Türkei, wo sich noch jetzt die Überreste eines
Tempels, der Selene geweiht, befinden. Tja, aber irgendwer muss diesen
Adonis wohl wachgeküsst haben, vielleicht hat ihn auch das helle
Kunstlicht der Neuzeit geweckt, denn von dem schönen Schläfer gibt es
keine Spur mehr.
Vielleicht hat ihn auch die Untreue der Selene aus dem ewigen Schlaf
gerissen, denn sie soll mit Zeus den Nemeischen Löwen gezeugt haben.
Jenen Löwen, dessen Fell Herkules dem König von Tyrins bringen sollte.
12 Aufgaben hatte dieser Herrscher Herkules auferlegt, und diese war die
erste. Tja, um auf Selene zurückzukommen, eine Affäre mit dem Hirtengott
Pan soll sie auch noch gehabt haben. Wie auch immer, mit ihrem schönen
Geliebten Endymion hatte sie eine durchaus fruchtbare Beziehung, aus der
50 Töchter hervorgegangen sind, und eine jede dieser Mondgöttinnen
vertritt jeweils eine Phase des Mondes. (Eine Zahl, die auch symbolisch
für 50 Mondzyklen zwischen den Olympischen Spielen stand).
Bei
so vielen Phasen, muss man schon ein technisches Hilfsmittel zur Hand
haben, um zu berechnen, wann der nächste Vollmond oder eine
Mondfinsternis in Erscheinung tritt. Im Jahre 1901 fanden Schwammtaucher
in einem Schiffswrack vor der griechischen Insel Antikythera, zwischen
Kythera und Kreta, ein Gerät aus Bronze. Genaue Untersuchungen ergaben,
dass es sich dabei um einen ca. 2100 Jahre alten Mechanismus handelt,
der komplexe mathematische Astronomiezyklen berechnete und sogar den
4-Jahres-Zyklus der früheren Olympischen Spiele anzeigte. Der Apparat
konnte offensichtlich die Position von Sternen berechnen und Sonnen- und
Mondfinsternisse genau vorhersagen. Wichtig für die damalige Zeit, denn
die Olympischen Spiele fanden in der Antike alle 4 Jahre ab dem 2.
Vollmond nach der Sommersonnenwende statt, und dieser Termin wollte für
die nötigen Vorbereitungen berechnet sein, ebenso wie manch ein
Hochzeitstermin, den die Griechen gern bei Vollmond feiern wollten. Der
„Mechanismus von Antikythera“ ein Mond- oder Urcomputer also. (wenn Sie
mehr Infos möchten, Sie wissen ja, einfach googeln).
Derweil der Mond am letzten Dienstag (24. August) in seiner ganzen Größe
am Himmel leuchtete, war 2 Tage später auch noch genug in seinem Schein
zu sehen. Bis tief in die Nacht segelten die Boote, die an der
„Ägäis-Regatta 2010“ teilnahmen, langsam durch seinen silbernen Strahl
und glitten langsam in den Hafen von Molyvos ein. Seit einigen Tagen
hatte das kräftige Blasen des Meltemi schon aufgehört, so dass die
Yachten ein jegliches Flüstern des Windes benötigten, um über die
Ziellinie zu kommen. Am Samstag dann war das blaue Meer zwischen Molyvos
und Petra gefüllt mit weißen Segeln, und der Abend gipfelte in einem
gelungenen Fest mit Musik, Tanz und Feuerwerk.
Inzwischen hat auch der Mond ausgefeiert, schrumpft rapide und sein
Licht verblasst zwischen den Sternen, die dadurch jedoch zunehmend
stärker leuchten und blinken. Aber ein jedes Mal, wenn der Vollmond
wieder erscheint und die Nächte in seinem Glanz erstrahlen, kommt man
nicht umhin, erneut und immer wieder poetisch zu werden...
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