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BOULEVARD-NEWS LESVOS
„Beach Street Festival“, Mytilini
9.Juli 2014 - Lesvos swingt
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Kürzlich berichtete die britische Tageszeitung „The
Guardian“ , dass auf dem griechischen Inselchen Astypalea die weltweit
älteste erotische Wandmalerei gefunden wurde. Vor über 2000 Jahren
ritzte jemand 2 Phallusse in einen Stein und kritzelte prahlerisch
darunter, mit wem er es an diesem Ort getrieben hat. Zu betonen ist,
dass es 2 Männer waren, die dort ein Schäferstündchen hatten.
Unbeantwortet bleibt die Frage, ob dort einst eine Armee
stationiert war oder es gar einen Geheimkult gab. Astypalea liegt in der
Ägäis, ist die westlichste Insel des Dodekanes und somit die Brücke zu
den Kykladen. In die Nachrichten kam die unbekannte Schöne als man
unterhalb der Burg auf 2000 Neugeborenenskelette aus vorchristlicher
Zeit stieß.
Lesvos kennt man als Insel der Sappho. Die Auffassung,
dass Sappho aufgrund Ihrer frauenfreundlichen Gedichte und Lieder, eine
Lesbe sei, hat zumindest dazu geführt, dass das Wort „lesbisch“ vom
Namen der Insel abgeleitet wird. Soviel ich weiß, ist jedoch auf der
Insel noch kein antikes Graffiti gefunden worden, dass Zeugnis von
dieser gleichgeschlechtlichen Liebe gibt. Jene, die hier Schlagzeilen
machten, sind neueren Datums und mehr von sozialer und politischer
Bedeutung (obwohl einige von ihnen schon erotische Details beinhalten).
Anlässlich des Beach Street Festivals 2013 wurde ein unfertiger Hotelbau
am längsten Strand auf Lesvos, an dem von Vatera, Ziel für
Graffiti-Künstler, die diesen Betonklotz mit fantastischen Malereien
versahen und ihm so neues Leben einhauchten. Es war eine Hommage an den
berühmten Maler der Insel: Theo Chatzimichail (um 1870-1934), der zu
Lebzeiten so viele Wände mit seiner Kunst versah.
Theofilos (auch Theophilos) Werke waren in keiner Weise
erotischer Natur, sondern weit davon entfernt, denn Kennzeichen seiner
naiven Malereien, waren Porträts von Menschen in ihrer typischen
Kleidung oder volkstümlichen Trachten, also meist gehüllt in dicken
Stoffen und hochgeschlossen. Nichtsdestotrotz wird dieser Maler erneut
ins Scheinwerferlicht gerückt, wenn vom 1. – 3. August 2014 wiederum das
„Beach Street Festival“ stattfindet. Eine Menge Musik und
Graffitis werden dargeboten, und zwar in diesem Jahr in der Hauptstadt
Mytilini, direkt unter der Burg, in Meeresnähe. Um die 100 Künstler
reisen an, um einen neuen Weg zu Theofilos zu bahnen und zu dem Mann,
der diesem Maler den Weg in die internationale Kunstwelt geebnet hat:
Stratis Eleftheriades, besser bekannt unter dem Namen
Tériade,1897 auf Lesvos geboren, ging mit 18 Jahren nach Paris um
Rechtswissenschaften zu studieren, ließ sich aber anscheinend von der
Kunst so begeistern, dass er seine Pläne änderte und Kunstkritiker
wurde, zahlreiche Künstlerbücher verlegte und eine Künstlerzeitschrift
herausgab. Als einflussreiche Persönlichkeit schaffte er es, die
französische Künstlerwelt auf den naiven Maler Theofilos aufmerksam zu
machen, und so kann man dessen Werke nun auch im Louvre bewundern.
1979 wurde auf Lesvos für Tériade ein
Museum eröffnet, und zwar südlich von Mytilini, in dem Dorf
Varia, gleich neben dem bereits seit 1965 bestehenden
„Theophilos-Museum“ Im „Tériade-Museum“ sind vornämlich Bücher
zu sehen, die Stratis Eleftheriades publizierte. Neben ausgestellten
Bildern von Picasso, Miro, Matisse und anderen Künstlern befinden sich
auch die Originallithographien, die Marc Chagall für den Hirtenroman
„Daphnis und Chloe“
anfertigte.
Die Strecke vom Kastell in Mytilini bis zu den Museen in
Varia soll nun anlässlich des Festivals deutlich durch verschiedene
Künstler gekennzeichnet werden, indem sie leere Wände und Mauern auf
diesem Weg mit ihren Gemälden schmücken. Das wird ein Fest! Auch Sie
können der Stadt Ihren Stempel aufdrücken: Graffiti-Workshops werden
angeboten.
Ein weiterer Grund zum Mytilini-Festival zu kommen sind
die
50 Gruppen, die ihre Musik dort auf mehreren Bühnen zum Besten
geben werden. Die Hauptstadt wird swingen und bestimmt noch eine
geraume Zeit „nachswingen“, denn wenn die Graffiti-Arbeiten so
eindrucksvoll werden wie die in Vatera, werden wir uns noch lange Zeit
nach Ende des Festivals daran erfreuen können.
Auch im Norden der Insel darf nach Klängen rhythmischer
Musik ausgelassen getanzt werden: Seit dem letzten Wochenende hat der
prestigeträchtige hypermoderne Openair-Club
“OXY“ seine
Pforten geöffnet (nicht „orchi“ ausgesprochen, wie das griechische
„Nein“, sondern wie oxygen). Auf dem bootsähnlichen Konstrukt der
ehemaligen Disko „Gataluzzi“, hoch oben auf einem Berg zwischen Molyvos
und Petra, bietet der Club auf einer enormen Plattform einen Pool,
Sitzgelegenheiten, ein Restaurant, eine Vip-Lounge und vieles mehr. All
das wird zukünftig bis weit nach Mitternacht sicherlich die Massen zum
Swingen bringen. Für diejenigen, die ruhigere Nächte bevorzugen:
Tagsüber ist die Anlage eine gehobene Lounge mit Pool, die einen
atemberaubenden Blick über die Ägäis bietet.
Der „OXY-Club“ hat dem wohl bekanntesten leerstehenden
Gebäude im Inselnorden ein gelungenes Facelifting verpasst und es so
wiederbelebt. Auch das „Beach Street Festival“ wird nicht nur eine
Brücke zwischen älterer Kultur (Theofilos) und moderner Graffitikunst
schlagen, sondern sicherlich weiteren leerstehenden und dem Verfall
überlassenen Gebäuden eine neue Bestimmung geben. Als beispielhaft zu
bezeichnen sind z.B. die Umbauten der alten Olivenmühlen in Molyvos
(Hotel „Olivepress“), Skala Loutron („Hotel Zaira“),
Agia Paraskevi und
Papados (Olivenmuseen).
Ach, es gibt noch – verteilt auf der ganzen Insel - so
viele interessante leer stehende Gebäude: Denken Sie nur an das „Hotel
Arion“ in Molyvos, das alte Strandhotel „Sarlitza-Palace“, die
geschlossene Diskothek bei Skala Sikaminia, das Schulgebäude mit dem
herrlichen Ausblick in Ypsilometopo und die diversen Fabriken in Plomari
und Perama. Ich hoffe auf kreative Köpfe, die erkennen, was für ein
Potential in diesen Gebäuden brachliegt und mit ihren Ideen den
einstigen Glanzstücken der Insel neue Gesichter geben. So wird Lesvos
wieder funkeln, strahlen und swingen und anziehend für den modernen
Tourismus werden.
©Smitaki
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