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BOULEVARD-NEWS LESVOS
Yamas
5.Juli 2014 – Integration beginnt mit einem Mittagsschlaf
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Nach einigen Monaten auf der Insel, integriere ich mich
nun so allmählich, und zwar auf die Weise, dass die Tage, an denen ich
einen Mittagsschlaf halte, mehr werden und meine abendliche
Dinner-Ausgehzeit sich weiter nach hinten verschiebt. Zwar fängt mein
Magen schon so um 19 Uhr herum an zu knurren, aber vor 21.30 Uhr gebe
ich seinem Drängen, ihn endlich zu füllen, nicht nach. Dies bringt mit
sich, dass die Zeiten, in denen ich allein am Tisch saß, endlich vorbei
sind und damit auch die mitleidigen Blicke der Touristenpärchen an den
benachbarten Tischen, die ihr Stifado oder Moussaka pünktlich um 19 Uhr
bestellen.
Verstehen werde ich nie, wieso jemand, der allein in ein
Restaurant essen geht, so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht und wieso
ein Pärchen, das gemeinsam essen geht, sich nahezu während der ganzen
Zeit schweigend gegenüber sitzt. Ich frage mich immer wieder, woran es
wohl liegt, dass sie sich so gar nichts zu sagen haben. Es ist noch
nicht lange her, da habe ich in so einem Fall die Paare angesprochen und
gefragt, ob sie nicht Lust hätten, mit mir zusammen zu esse... leider
vergebens. Obwohl es mir nur darum ging, einen schönen gemeinsamen
Abend mit guten Gesprächen zu haben, wurde dieser gut gemeinte Vorschlag
immer wieder von der jeweils weiblichen Hälfte abgelehnt. Warum? Keine
Ahnung!
Was soziale Kontakte angeht, da können wir uns mehr als
eine Scheibe von dem Verhalten der Griechen abschneiden. In ihrem Land
ist das Essen ein gesellschaftliches Ereignis par excellence. Sie nehmen
ihr Mahl nie früh am Abend und nur äußerst selten alleine ein. Während
die meisten Touristenpaare am Samstagabend bereits wieder ihren Rückweg
in ihr Urlaubsdomizil angetreten haben, füllen sich die Tavernen ein
zweites Mal, und zwar mit Einheimischen: Jeder kennt jeden, und immer
wieder kommt es zum Zusammenstellen von Stühlen oder auch Tischen. So
kann es passieren, dass ich um 22 Uhr mit Nikos im Hafen vor einem
Teller Sardinchen sitze, sich Stavros dazugesellt, um einen „ladotiri
saganaki“ zu bestellen, Manolis uns später auf einen Ouzo Gesellschaft
leistet, Maria an den Tisch kommt, um mich zu begrüßen, uns der Fischer
nur mal eben ganz stolz den Tintenfisch zeigen will, den er gerade
gefangen hat, und dann, wenn der Abend sich dem Ende neigt, kommen
vielleicht auch noch der Restaurantbesitzer und sein Koch dazu, um sich
nach getaner Arbeit in geselliger Runde noch ein wenig zu entspannen.
Je später es wird, umso munterer wird’s und desto mehr
kommt mir zu Ohren, was so im Dorf passiert ist. Ich höre von den
Fischen, die gestern bei Vollmond im Wasser tanzten und von dem
arroganten Mann, der mit seinem Katamaran im Hafen vor Anker liegt und
der ein „malaka“ (A…loch) ist, weil er niemandem erlaubt, seine Gangway
zu nutzen, um den Kai zu erreichen. Ich erfahre, dass die Tochter von
Eleni nun einen Freund hat, dass der störrische Esel von Michalis mal
wieder durchgebrannt ist, Yannis seinen Bart abrasiert hat und auch,
dass das Restaurant „Captain`s Table“, das ja gleich zu Beginn der
Saison durch eine Gasexplosion zerstört wurde, alles daransetzt, um bald
wieder neu durchzustarten.
Tja, und dann, wenn jeder weiß was los ist, so viele
leere Ouzoflaschen auf dem Tisch liegen, dass man sie kaum noch zählen
kann, so manch nicht ganz stubenreiner Witz erzählt ist und der
Uhrzeiger sich der 2 nähert, ist es Zeit heimzugehen, denn obwohl der
nächste Tag ein Sonntag ist, wartet in einem Touristenort die Arbeit,
wie jeden Tag, zumindest am Vormittag und ab dem späten Nachmittag, denn
die Mittagszeit ist für die Siesta reserviert, da man ansonsten das
Leben, wie es hier funktioniert, nicht durchsteht. Die späten Abende
sind für das Pflegen sozialer Kontakte da. Seit ich später essen gehe,
verstehe ich viel mehr von der griechischen Lebensart und bekomme viel
mehr mit vom Inselleben.
Also, wenn Sie sich integrieren möchten, machen Sie sich
einfach den Mittagsschlaf zur Gewohnheit!
© Pip
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