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BOULEVARD-NEWS LESVOS

 

Ag. Eirini, Neochori

 

20.Juni 2014 - Kulturkollisionen

Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski

 

Sind wir Gäste in anderen Ländern, so sind wir sicherlich offen für andere Sitten und Gebräuche. Wir sind interessiert und bereit, uns anzupassen. Richtig?

 

Wir unternehmen alle Anstrengungen, um die Sprache zu erlernen, auch wenn es nur einige wenige Worte sind. Die alte in schwarz gekleidete Frau, die es trotz Krückstock nur langsam schlurfend schafft, mit ihrem krummen Rücken über die Straße zu kommen, rührt uns, und wir warten geduldig, bis sie es sicher auf die andere Seite geschafft hat. Wie begeistert sind wir, wenn der authentische Dorfplatz, den wir gerade besuchen, durch eine Gruppe alter Männer, die in ihrem Brettspiel vertieft ist, ein perfektes Fotomotiv abgibt. Wird irgendwo in einer Taverne beim „Griechischen Abend“ Sirtaki getanzt, machen wir fröhlich mit, obwohl wir wissen, dass wir uns wahrscheinlich ein wenig zum Narren machen werden, und wie geschmeichelt fühlen wir uns, wenn uns jemand eine lokale Köstlichkeit anbietet, die wir auf gar keinen Fall ablehnen werden, obwohl wir eventuell mit Angst daran denken, uns den Magen verderben zu können… So erging es mir kürzlich, als ich aus Höflichkeit Feigen, gefüllt mit Nüssen, aus einem schmierigen Glas angelte, das auf einem noch schmierigeren Küchentisch stand, an dem die Dame des Hauses in abgetretenen Pantoffeln saß. Und? Meine Sorgen waren unbegründet: Die Feigen schmeckten einfach nur köstlich, meine Darmflora fühlte sich in keiner Weise angegriffen, und ich habe durch mein beherztes Zugreifen die liebe Frau nicht beleidigt.

 

Und trotzdem: Noch immer ist es doch so, dass wir unsere eigene Kultur und unsere Gewohnheiten als Richtlinien nehmen, wenn es heißt, andere Menschen zu beurteilen. Ich möchte nicht unterstellen, dass wir das bewusst machen, und doch stoßen wir  Einheimischen oft unmerklich vor den Kopf. Ich will gar nicht so ein krasses Beispiel anführen, wie die sich ins Koma saufenden und oben ohne tanzenden jugendlichen Urlauber in den Bars von Chersonissos auf Kreta, denn so etwas gibt’s  hier auf Lesvos nicht. Noch nicht. Aber bei diesem unmöglichen Verhalten kann man ja kaum von Kultur sprechen, sondern von skandalösem, obszönem Vandalismus.

 

Das, was ich als Beispiel nehmen möchte, hat auch was mit Moral zu tun: Während Inselbewohner hier in der Vorsaison wahrhaftig noch nahezu winterlich gekleidet sind, erblickt man die ersten Touristen in Trägershirts und kurzen Hosen, einfach nur glücklich darüber, ihre milchig-weißen Schultern und Waden endlich der Sonne Strahlen aussetzen zu können. Tja, und mit diesem Outfit huscht man dann auch schnell mal in ein kleines süßes  Kapellchen, obwohl doch allgemein bekannt ist, dass dies nicht wirklich geschätzt wird. In den größeren Kirchen und Klosteranlagen, die Anziehungspunkte für Touristen sind, ist man schon lange dazu übergegangen, Schals und Tücher bereitzulegen, damit die Blöße bedeckt werden kann, aber die kleinen unzähligen Kapellen, die unbeaufsichtigt dastehen, in deren Pforten der Schlüssel steckt, die frei zugänglich sind für jedermann, tja, die betritt man unangemessen bekleidet, denn es sieht ja keiner, und nur die Augen der Heiligen auf den Bildern sind auf uns gerichtet…aber die werden uns weder zur Rechenschaft ziehen, noch werden sie uns verraten, sie werden es für sich behalten, egal was sie darüber denken mögen.

 

Auch die sogenannten „Zugereisten“, ich meine diejenigen, die ein Haus im Ausland haben, können ein Lied vom Zusammenprall der Kulturen singen, egal ob es in der Toskana, an der Algarve oder gar auf einer griechischen Insel wie Lesvos steht, und zwar dann, wenn ein Handwerker gebraucht wird und dieser nicht zur gewünschten Zeit erscheint. Dann geht es nämlich los, das Gemecker über die Arbeitsmoral der Griechen, Italiener oder Portugiesen, ohne dass wir einmal darüber nachdenken, dass der beauftragte Handwerker einfach nur zu höflich ist, Sie mit der Information zu konfrontieren, dass dieser Termin einfach ungünstig ist und er ihn gar nicht einhalten kann, weil er z.B. entweder auf einen lokalen Feiertag fällt, er die erforderlichen Materialien nicht so schnell besorgen oder sie derzeit nicht bezahlen kann.

 

Auch mein erstes Zusammentreffen mit einem „Handyman“ auf Lesvos war ein Kulturschock: Die bestellte Waschmaschine wurde nämlich früher als vereinbart geliefert. Da ich nicht daheim war und der Lieferant vor verschlossener Tür stand (wahrscheinlich bin ich die einzige auf der Insel, die ihre Tür abschließt), kam er kurzerhand in mein Büro spaziert, um mich nachhause zu holen. Tja, und dann am nächsten Morgen, völlig unerwartet und sehr sehr früh, klopfte der Handwerker, um die Waschmaschine anzuschliessen.… es war ein SONNTAG! Anstatt nun dankbar zu sein, dass er seinen freien Tag für mich opferte, hätte ich ihm fast den Zutritt verweigert, denn in meiner Heimat ist es so gar nicht üblich, einen Handwerker im Nachthemd zu empfangen. Bevor man sich versieht, hat man dann nämlich einen schlechten Ruf weg und damit vielleicht jeden Sonntag einen griechischen Arbeiter auf der Veranda….

 

©Pip 2014