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BOULEVARD-NEWS LESVOS

 

Wandmalerei in der Taverne "O Rofos"

 

25.Juni 2014 - Hilfe, ein Barrakuda!

Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski

 

Für viele Besucher, die im Mai und Anfang Juni nach Lesvos oder in andere Teile des Landes kamen, war wegen schlechten Wetters Untergangsstimmung angesagt. Auch für die Hartgesottenen, die Regen eigentlich nicht abschreckt, galt es an manchen Tagen drinnen zu sitzen und zu warten bis die Schleusen des Himmels sich wieder schließen. Tja, und das zu einer Zeit, in der nach Jahren der Krise endlich wieder viel mehr Touristen auf die Insel gekommen sind. Und was sagen einige von ihnen nun? Na, dass sie nie wieder nach Lesvos kommen, weil sie  die Sonne dort  nicht gesehen haben. Sehr ärgerlich, oder?

 

Glücklicherweise wissen die Menschen, die unsere Insel öfter besuchen, dass dieser Mai (und, nebenbei bemerkt, auch der April) eine Ausnahme war. Überall kann es passieren, dass das Wetter mal ungewöhnlich schlecht ist, so auch auf der so sonnenverwöhnten Insel Lesvos. Obwohl, in einem Griechenland-Blog, sieht das jemand anders. Er oder sie listet dort sogar seine/ihre Schlechtwettererfahrungen während des Urlaubs im Mai/Juni auf mehreren griechischen Inseln auf und endet mit dem gutgemeinten Ratschlag, um diese Jahreszeit immer festes Schuhwerk mit rutschfesten Sohlen im Gepäck zu haben, damit man unbeschadet und sicher über nassen Pflaster-, Marmor- oder Fliesenboden spazieren kann.

 

Die schweren Gewitter der letzten Zeit lieferten den Touristen jedoch fantastische Himmelsbilder und, begleitet vom Regen, waren es erfrischende Erlebnisse für sie. Das Phänomen bzgl. des schlechten Wetters war einfach, dass es nicht Tage sondern Wochen andauerte, und das ist selbst im Winter auf Lesvos eine Rarität. Tja, und somit waren nicht nur die Touristen die Leidtragenden, sondern auch die Bauern, denn sie konnten nicht auf ihrem Land arbeiten. Sie haben aber nicht die Möglichkeit, im nächsten Frühjahr einfach eine andere Insel zu wählen, sie müssen da durch und auf ihrem Grund und Boden bleiben…

 

Eigentlich muss man ja sagen, das Lesvos noch glimpflich weggekommen ist, denn auf dem Festland hat es dermaßen katastrophal geregnet, dass manch einem Bauern die Ernte nahezu weggespült worden ist. Und hier beginnt man jetzt, wo das Wetter endlich beständig und warm ist, erneut mit dem Jäten des schon einmal mühsam entfernten Unkrauts, denn der Regen hat ihm neues Leben eingehaucht.

 

Die Früchte an meinem Pflaumenbaum protestierten gegen all die Nässe, indem sie einfach platzten, und die Erdbeeren, die sich doch eigentlich immer über Wasserzufuhr freuen, haben sich von den nicht enden wollenden Regengüssen dermaßen verwirren lassen, dass sie wohl vergessen haben, wann sie eigentlich reif sein müssten. Seit 2 Monaten kann ich alle paar Tage nur ein armseliges kleines Schüsselchen mit roten Früchten füllen, während in den letzten Jahren die Ernte nur 14 Tage andauerte.

 

Angesichts meiner Missernte frage ich mich schon, wo die Tomaten herkommen, die in den Tavernen und Geschäften angeboten werden. Von den hiesigen Feldern bestimmt nicht, denn Tomaten können es gar nicht ab, wochenlang im Schlamm zu liegen. Nur die grünen Bohnen, Gurken und Zucchini waren offensichtlich begeistert vom aufgeweichten Boden und sind reif. Geht man derzeit in einer kleinen Taverne essen, wo Gemüse aus dem eigenen Anbau serviert wird, ist die Auswahl recht bescheiden.

 

Letzte Woche habe ich mit meiner Familie einen Ausflug nach Gavathas gemacht und bekam nach dem Schwimmen großen Appetit auf Fisch und Ouzo. Bei der Fahrt durch das Dorf entdeckte ich zufällig ein mir bislang nie aufgefallenes kleines Fischrestaurant, eine „Psarotaverna“, benannt nach einem sehr leckeren Fisch: „O Rofos“ (Brauner Zackenbarsch).

In der Tür stand eine Griechin, und ich war nicht ganz sicher, ob sie auf Kundschaft wartete oder ob sie plante, die Steintreppen zu wischen. Ich beschloss nachzufragen, und natürlich war die Taverne geöffnet. Wir bekamen einen wundervollen Platz auf dem Balkon, mit herrlichem Ausblick über das Dorf und die Bucht von Gavathas.

 

Wie es so üblich ist, wurde eine Papiertischdecke aufgelegt,  die alsdann fröhlich im Wind flatterte und uns munter um die Ohren flog, was die Gastgeberin offensichtlich verwirrte, denn sie wusste nun nicht mehr, was sie zuerst machen sollte: Die Getränke servieren? Eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Speisen machen? Oder doch besser die Tischklammern suchen, die – mit einer Ausnahme – vom Winde verweht waren? Sie entschied sich für keine der 3 Möglichkeiten sondern griff zum Telefon. Während wir die Tischdecke einfach entfernten, Bier und Ouzo serviert bekamen (es gab keinen Retsina oder anderen Wein), sahen wir jemanden in einem Affenzahn die Straße entlang rasen: Es kam Verstärkung in Gestalt des Sohnes der Wirtin. Stolz präsentierte dieser uns 2 Platten voll mit Fisch, den er am Morgen frisch gefangen hatte und erläuterte genau, an welcher Stelle in der Bucht.

 

Wir hatten die Wahl zwischen „gavros“ (eine Sardellenart), „kefalos“ (Meeräsche) und einem mittelgroßen Fisch mit einer langen Schnauze, den ich noch nie zuvor gesehen, geschweige denn gegessen hatte, mit Namen „loutsos“ (sagte der Fischer). „Ein Hecht!“ rief da jemand aus unserer Runde. Entschuldigung, aber wie bitte soll ein Süßwasserfisch aus dem Meer kommen? Nun, wir waren hungrig und uns einig, dass dieses Exemplar sicherlich auch einen lokalen Namen haben wird und rundeten unsere Bestellung auf mit dem, was noch im Angebot war: Pommes frites, einen Teller mit Bohnen, Gurkensalat und etwas Feta. Ich befürchte, dass wir damit das Mittagessen der Familie vertilgt haben.

 

Unter den Augen eines rauchenden „rofos“ (das große Wandgemälde auf dem Balkon), speisten wir wie die Könige. Der „loutsos“, in Scheiben geschnitten und frittiert, war ausgezeichnet, die Bohnen zum Finger ablecken und der Feta salzig und lecker. Solch eine einfache Mahlzeit, die dermaßen köstlich ist, findet man in kleinen Tavernen, wo noch Muttern in der Küche steht und der Sohn die Netze auswirft.

 

Der „loutsos“ ließ mir nach unserer Rückkehr aber doch keine Ruhe, und nach einigen erfolglosen Internetrecherchen bei Eingabe dieses Namens, stieß ich auf das Bild eines Hechts. Nicht nur, dass er eine gewisse Ähnlichkeit mit dem von uns verspeisten Fisch hatte, den 2. Teil seines lateinischen Namens „Esox lucius“ könnte man auch wie loutsos aussprechen. Ja ist denn soviel Regen auf Lesvos niedergeprasselt, dass  selbst Hechte in der Bucht von Gavathas überleben können? Totaler Quatsch!!! Ein Freund fand schließlich des Rätsels Lösung und wies mich auf den Barrakuda („Sphyraena“) hin. Dies ist ein Raubfisch mit einer langen spitzen Schnauze, den die Griechen „loetsos“ nennen, und der einen sehr schlechten Ruf genießt. Zwar sind laut Wikipedia  die Geschichten über Menschen angreifende Barrakudas schlicht weg Seemannsgarn, aber es ist dennoch irgendwie seltsam, ihn auf dem Teller zu haben. Aber, ich sage Ihnen ganz ehrlich: Für mich gehört er auf die Liste der delikatesten Fische!

 

©Julie Smit