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BOULEVARD-NEWS LESVOS
Mehr als 10 Jahre habe ich nun über Lesvos geschrieben.
Ich will nicht behaupten, dass ich alle Ecken und Winkel der Insel kenne
oder gar darüber berichtet habe, aber trotzdem ist für mich der
Zeitpunkt gekommen, dass es mir schwerfällt, jede Woche ein weiteres
interessantes Thema zu finden. Ein Lieblingssatz von mir ist: „ Die
Insel ist sooooooooooo schön“, womit ich einfach ausdrücken möchte, dass
Lesvos mich immer wieder begeistert und ich es genieße, hier zu sein…,
aber nunmehr in jeden News von sich färbenden Aprikosenblüten, zum
Himmel wachsenden Weinranken oder z.B. dunklen Wolken über dem Eiland zu
schreiben, geben Sie es zu, dass reißt Sie nicht wirklich vom Hocker.
Nun hat sich in diesem Sommer eine
Kulturanthropologin/Soziologin auf unserer Insel niedergelassen, und ich
habe diese Gelegenheit beim Schopfe gepackt und Sie gefragt, ob Sie
nicht Lust habe, für meine Seite zu schreiben. Sie hat zugesagt, und so
bläst mit einer anderen Perspektive auf die Insel frischer Wind durch
die Lesvos-News.
Nein, ich werde die Schreibfeder nicht ganz beiseite
legen, Sie werden zukünftig abwechselnd meine und die Kolumnen von Pip
an dieser Stelle finden. Hier nun ihr Starter:
Flughafen Mytilini
13.Mai 2014 - Ein Kommen und Gehen
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Die Freundin, die mich vom Flughafen Mytilini abholt,
erwartet mich nicht, wie man es doch eigentlich gewohnt ist, hinter
einer Glaswand, sondern gleich in der Halle, neben dem Gepäckband.
Während wir uns mit einer Umarmung begrüßen, sehe ich aus dem
Augenwinkel meinen Koffer vorbeirollen. Ich kann ihn noch so gerade eben
erhaschen, bevor er wieder nach draußen verschwindet und das nicht
einmal 5 Minuten nachdem mein Flieger gelandet und ich die wackeligen
Stufen aus dem Flieger, Typ „Havilland Bombardier“ heruntergegangen bin.
Es ist noch Vorsaison, ein Direktflug war nicht buchbar, so dass mich
dieses 2-motorige Kleinflugzeug von Athen aus nach Lesvos gebracht hat.
Tja, und der Name dieser sehr kleinen Maschine, erinnert mich an Bilder
aus dem Film „Casablanca“ : Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann in
dieser romantischen Schlussszene auf dem Flugfeld… Na, da steht auch so
eine Propellermaschine im Hintergrund, aber wenn man bedenkt, dass der
Film von 1942 ist und zu Zeiten des 2. Weltkriegs spielt, ist es schon
eine ziemlich ungewöhnliche Assoziation für mich und auch, dass ich
Ingrid Bergmann mit Olivia Havilland verwechsele, ebenfalls ein
Filmstar aus dieser Zeit, die aber nicht bei „Casablanca“ mitspielte,
sondern in dem Klassiker „Vom Winde verweht“, jedoch ohne Humphrey
Bogart. Noch befremdlicher sind meine Gedankenspiele, wenn man bedenkt,
dass ich erst sehr viel später nach Veröffentlichung dieses
Schwarz-Weiß-Films geboren bin und dieser, als ich ihn dann in einer
Wiederholung im TV sah, kaum Eindruck auf mich gemacht hat.
Eindruck auf mich gemacht hat jedoch die Landung der „Havilland“.
Es hat nicht viel gefehlt und alle 40 Passagiere hätten sich im Cockpit
wiedergefunden, denn die Landebahn auf Lesvos ist dermaßen kurz, dass
der Pilot ziemlich fest in die Bremsen gehen musste. Ebenfalls
beeindruckt hat mich dann der Aufwand, dass uns für die gerade mal
hundert Meter zur Ankunfts-Abflugshalle ein Bus zur Verfügung gestellt
wurde. Tja, was für ein Kontrast zu anderen europäischen Zielen, wo man
den Flieger über Fluggastbrücken verlässt, die einen nach 1,5 km
Fußmarsch zum Gepäckband führen, an dem man dann noch eine halbe Stunde
auf seinen Koffer warten muss. Ich kann nur sagen, dass das
Ankunftsprozedere auf dem Flughafen Mytilini rasendschnell vonstatten
geht, denn nach 10 Minuten stand ich bereits mit Sack und Pack vor dem
Gebäude. Am 1. Mai beginnt offiziell die Touristensaison, und mit ihr
werden Briten, Skandinavier, Türken, Niederländer (Anm. der
Übersetzerin: und auch Deutsche) per Direktflug in größeren Flugzeugen
und Anzahl auf die Insel strömen. Ich hoffe, dass auch sie dann so
schnell „abgefertigt“ werden und sie der erste Blick vor dem
Flughafengebäude auf das direkt gegenüberliegende idyllische Kapellchen
und das Meer genau so angenehm überraschen wird, wie mich.
Der Rückflug ist wieder eine andere Geschichte. Hier
wurde mir der Unterschied zwischen einem großen Flughafen und so einem
kleinen Inselflughafen, wie dem von Lesvos, noch deutlicher vor Augen
geführt: Die Automatisierung ist noch sehr primitiv, das Kontrollieren
von Personalien und Gepäck benötigt Zeit. Viel Zeit. Die Tatsache, dass
von Fluggesellschaft zu Fluggesellschaft die Vorschriften für das
Handgepäck anders sind, macht dem Flughafenpersonal die Arbeit nicht
gerade einfach. Auch die Aufgabe des Reisegepäcks läuft nicht ohne
Probleme ab. Das Band hinter dem Check-in-Schalter wurde entfernt, weil
es so oft versagte, und das bedeutet nun für die Passagiere, dass sie
eigenhändig ihre Koffer von der Waage hieven und zum einige Meter
entfernten Gepäckscanner schleppen müssen. Einen Meter vor dem
Einscheckschalter stehen zwar Schilder, die verdeutlichen, dass ein
gewisser Abstand eingehalten werden muss, bis man an der Reihe ist, aber
dieser Aufforderung scheint nicht wirklich irgendjemand nachzukommen.
Tja, sobald die Koffer im Hotel gepackt sind, fallen Reisende leicht
zurück in einen recht ungeduldigen Zustand. Alles muss wieder nur noch
schnell, schnell gehen. Die griechische Mentalität und das den Urlaub
so angenehm entspannend machende „siga, siga“ (langsam, langsam), löst
nun das Gegenteil aus, nämlich Stress. Ein jeder will so schnell wie
möglich vorankommen und als erster dabei Unterstützung erfahren. So
entsteht unweigerlich ein Wirrwarr aus Menschen und wegversperrenden
Gepäckstücken. Der Weg zum Scanner, mit den schweren Koffern, wird zum
komplizierten Slalomlauf, und umso mehr Zeit verstreicht, umso größer
wird die Irritation in diesem Chaos… und das sicht- und hörbar!
Das von der Insel stammende weibliche Bodenpersonal am
Check-in-Schalter haben ziehen sich glücklicherweise nichts von dem
Gemecker und den bösen Blicken der Passagiere an. Sie bleiben ganz
ruhig, verrichten sicher und freundlich ihren Job und haben selbst ein
Lächeln für diejenigen, die es nahezu lächerlich finden, 2 Stunden vor
Abflug am Flughafen zu erscheinen und mit ihrem Mietwagen wie
selbstverständlich im letzten Moment ankommen und dann in Panik
geraten, weil sie den Mann von der Autovermietung nicht antreffen.
Geduldig öffnen Sie den schon geschlossenen Schalter wieder für die
Nachzügler, na, zumindest wenn diese nicht zuviel Druck ausüben, denn
das wirkt hier auf Lesvos so gar nicht, damit hat man auf Sand gebaut,
denn dann wird wieder nach Vorschrift gearbeitet. Also: Mit
Freundlichkeit, Geduld und Lächeln öffnen sich die Türen hier, damit
wird alles gut, sogar der Rückflug.
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