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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Ophrys (fusca ssp.) sancti-isidorii
25.Februar 2013 - Die schönste
Frühlingsblume
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Es
dauerte etwas, aber nun haben die Mandelbäume endlich ihre Blüten
entfaltet, zwar recht spät im Vergleich zu den Vorjahren, aber das
Ergebnis wunderschön, wie eh und je:
Die
Insel präsentiert sich in einem zauberhaften Kleid, mit Tupfen von
rosa-weißen Wölkchen auf grünem Grund. Ich muss verwundert feststellen,
wie viele Mandelbäume es doch auf Lesvos gibt. Es ist die beste Zeit sie
zu zählen, sind sie doch die ersten Obstbäume, die ihre fragilen Blüten
in voller Pracht an den Zweigen tragen. Die Pflaumenbäume zeigen erst
ganz vorsichtig ihre zarten Knospen, und später werden Pfirsich- und
Aprikosenbäume mit ihrer Pracht folgen.
Ich
frage mich schon, was man mit all den Mandeln macht. In den
Frauenkooperativen fertigt man daraus, wie auch aus den Walnüssen,
Marzipan, aber nicht längst alle Bäume werden abgeerntet. Ich muss
ehrlich zugeben, dass ich zwar die Früchte von den Bäumen rund um unser
Haus hole, aber da das Mandelknacken eine sehr zeitraubende
Beschäftigung ist, stehen diese Früchte sackweise in unserem Haus herum,
obwohl ich weiß, dass wir sie nie alle essen werden.
Die
ersten Blüten des Jahres verzieren jedoch nicht die Bäume, sondern
stecken ihre Köpfchen aus der Erde, und zwar tatsächlich schon bevor das
neue Jahr Einzug hält: Bereits im Dezember sind die frühen Anemonen zu
finden. Den Höhepunkt ihrer Blüte, dann wenn auf den Wiesen prächtige
weiß-violette Teppiche aus ihnen ausgerollt sind, haben sie genau dann,
wenn auch die Mandelbäume ihre Hochzeit feiern: Eine Farbenpracht, die
warme Frühlingsgefühle aufkeimen lässt.
Nach diesen Vorboten geht es in raschem Tempo weiter: Es folgen die
blauen Traubenhyazinthen, Iris, rote Anemonen, Löwenzahn und
Butterblumen fügen die gelben Farbtupfer hinzu, und alsbald verliert man
den Überblick darüber, was als nächstes folgt, denn es ist zuviel, was
seine Farbenpracht präsentiert.
Aber da gibt es noch andere Blumen, die sich zusammen mit der
Mandelblüte und den Anemonen ganz früh im Jahr zeigen: Die wilden
Orchideen. Ganz bescheiden stehen sie in der Landschaft, ja gar
unauffällig, und wenn man nicht gerade nach ihnen sucht, sind sie leicht
zu übersehen. Ganz heimlich tragen die wilden Orchideen ihre Farben ins
Landschaftsbild und sind so klein, dass kaum jemand sie zu Beginn des
Jahres wahrnimmt. Jan van Lent, Fotograf und ein Orchideenspezialist,
hat sie jedoch entdeckt: Am 31. Januar kamen ihm einige
Ophrys (fusca ssp.) sancti-isidorii´auf dieser Insel vor die
Linse und höchstwahrscheinlich auch eine Ophrys (fusca ssp.) lindia.
Erstaunt darüber, dass diese Blumen, wie Mandel und Anemonen, zu den
Frühblühern des Jahres zählen, eröffnete Jan sofort die Orchideenjagd
und das erfolgreich: Am 13. Februar stieß er auf eine blühende
Himantoglossum robertianum (Riesenknabenkraut auch die „große
Robertsorchidee“), die größte Orchidee Griechenlands.
Man
muss schon ein großer Wilde-Orchideen-Fan sein, sollen einem diese Namen
etwas sagen, aber betritt man diese Welt, dann eröffnet sich einem ein
völlig neues Universum aufgrund der unzähligen
Orchideen,
unterteilt in Familien, Arten, und Unterarten. Für einen Laien ist es
schier unmöglich, Unterschiede zu erkennen, es sind die
Orchideen-Spezialisten, denen das durch Studium und ständigen Austausch
mit anderen Kennern gelingt.
Es
ist etwas ganz Einzigartiges, was Orchideen von anderen Blumen
unterscheidet: Sie entwickeln immer wieder neue Arten. Es ist eine
Blumenwelt in ständiger Bewegung, was auch Orchideenjäger dauernd auf
Trapp hält, denn es ist so, dass neue Blumen einen Namen bekommen, und
es gibt Orchideenfinder, die ihnen diesen geben. Also, wenn Sie gerade
eine Orchidee gefunden und ermittelt haben, welche es ist, aber Ihnen
die neuesten Veröffentlichungen noch nicht bekannt sind, kann es Sie
schier in den Wahnsinn treiben, denn es kann vorkommen, dass Professor X
sie so nennt und Professor Y ihr einen anderen Namen gibt, tja, und
wer ist der Orchideenpapst?
Nun, Jan van Lent macht diese ganze Praxis schier verrückt, und er fragt
sich, mit welchem Recht, Menschen Blumen umbenennen dürfen. Das wäre ja
so, als ginge man in ein Geschäft und fragt nach Erdnussbutter und
bekommt dann Butterstreusel, weil es jemandem in den Sinn kam, den Namen
Erdnussbutter in Butterstreusel zu ändern. Diese Namensgeberei ist schon
eine sehr befremdliche Welt für sich mit viel Gezänk.
Orchideen werden übrigens auch gegessen, und zwar ihre Knollen. Sie
werden ausgegraben und zu Mehl verarbeitet, um daraus z.B.
"Salepi"
herzustellen, eine Art „Powertrunk“, der früher viel konsumiert wurde,
als den Menschen der Kaffee noch zu teuer war. Ungeachtet dessen, dass "Salepi"
in Europa verboten ist, sieht man in Athen noch stets Straßenhändler mit
ihren Karren, die versuchen, das Getränk an den Mann zu bringen. Nur ist
es zweifelhaft, ob es wirklich um ein Erzeugnis aus Salep handelt, dem
Extrakt aus den getrockneten Wurzelknollen von Orchideen, wollen wir
hoffen, dass sie ein Gemisch aus Milch und Maisstärke anbieten
(s. Lesvos-News v. 8.4.2010).
Orchideen gehören zu den geschützten Pflanzen, also, nur anschauen,
nicht anfassen! Aber wenn Sie sich einmal auf ihre Spur begeben, werden
auch Sie in Ihnen Juwelen der Natur erkennen, die es allemal wert sind,
sich nach ihnen auf die anstrengende Suche zu machen, naja, so wie eben
auch nach Pilzen und dem Wilden Spargel, die auch so mühevoll zu finden
sind.
Also, sollten Sie schon ein begeisterter Anhänger der Orchideen sein,
oder ich hier Ihr Interesse für diese einzigartigen Schmuckstücke
geweckt habe, so bietet Lesvos im Frühling und in den frühen
Sommermonaten die Möglichkeit, sich von ihnen begeistern zu lassen. Wer
suchet und findet, dem zeigen sie sich von Januar bis Ende Juni (im
Frühsommer eher in den Bergen) in ihren bizarren Formen und herrlicher
Pracht. Wollen Sie Ihr Studium über Orchideen auf Lesvos aufnehmen?
Dann klicken Sie auf den Blog von
Jan van Lent.
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