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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Eine kriechende Kiefer

Eine kriechende Kiefer

 

3.Januar 2013 - Oh Tannenbaum!

Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski 

 

Redet man über Griechenland, sind Nadelbäume nicht wirklich Gesprächsthema, obwohl Griechenland über ausgedehnte Kiefernwälder verfügt. Das ganze Jahr hindurch färben sie auch auf Lesvos das Herz der Insel grün.

 

Auch in der griechischen Mythologie nimmt dieser Baum einen kleinen Platz ein.  König Theseus traf auf seinen Reisen auf den Banditen Sinis, der die schlechte Angewohnheit hatte, Menschen, die seinen Weg kreuzten, gefangen zu nehmen, an beiden Enden einer herunter gebogenen Kiefer festzubinden, um sie dann hochschnellen zu lassen, so dass sie in der Luft zerrissen. Theseus, der Held, der ja schon  den Minotaurus zur Strecke brachte, tötete Sinus auf genau diese Weise und machte somit den Weg nach Athen wieder sicher.

 

Der Hirtengott Pan hatte neben seiner Leidenschaft für Nymphen auch einen Narren an der Kiefer gefressen. Eines Tages verliebte er sich in die schöne Nymphe mit dem Namen Pitys oder auch Pinus, auf die jedoch auch der Gott des Nordwindes, Borea, ein Auge geworfen hatte.  Als dieser dann erfuhr, dass Pinus sich zu Pan hingezogen fühlte, ließ er sie von einem hohen Felsen fallen. Pan fand sie leblos vor und verwandelte sie in eine Kiefer, die fortan ihren Namen trug. Und noch immer, wenn der starke Nordwind an ihren Ästen reißt, vergießt sie bittere harzige Tränen um ihre Liebe, die für den Retsina verwendet werden.

 

Das Harz der Kiefer ist für allerlei nützlich und wurde auf Lesvos noch bis spät in die 60er Jahre weitverbreitet geerntet (s. Lesvos-News vom 13.7.2010).  

 

Auch Weihnachtsbäume gehören zu der großen Familie der Kiefer (Pinaceae), jedoch wachsen Fichten oder Tannen, welche im westlichen Europa fürs Fest geschmückt werden, nicht auf Lesvos. Als Alternative und durchaus auch als Christbaum geeignet, gibt’s hier die Aleppo-Kiefer, die Schwarzkiefer und die Pinie, auch Schirmkiefer genannt. Naja, zugegeben, diese Exemplare haben schwächere Zweige und nicht so viele Nadeln, wie die originale Weihnachtstanne, und so braucht man schon Geschick  und Geduld, sie so zu schmücken, dass nicht die Kugeln nach getaner Arbeit wieder herunterfallen.

 

Auch die Zapfen dieser Bäume sind ein beliebter Weihnachtsschmuck und sehen sowohl gold- und silberlackiert, als auch unbearbeitet sehr schön aus. Darüber hinaus sind sie ein hervorragendes Brennmaterial für Grill und Kamin. So ganz gedankenlos sollte man sie jedoch nicht ins Feuer werfen, denn immerhin dauert es 1,5 – 3 Jahre bis diese Baumfrüchte ausgewachsen sind. Eine Erklärung, warum die Pinien, die um unser Haus wachsen, seit 2 Jahren keine Kerne geben, ist es für mich nicht. Soll ich es so verstehen, dass sie alle gleichaltrig sind und so lange sie brauchen, um erwachsen zu werden, sie mir keine Pinienkerne schenken werden?

 

Kiefern haben  noch mehr Eigenarten. Nehmen wir mal die Kriechkiefer. Ich dachte, dass das die Bäume seien, die knapp über dem Boden gedeihen. Offiziell jedoch zählen sie zu der Pflanzenart der Bergkiefer (Pinus mugo), etwas buschige niedrige Nadelbäume, die hoch in den Bergen wachsen, also völlig anders, als diese, die in der Nähe unseres Hauses im rechten Winkel oder horizontal, manchmal sogar auf dem Boden kriechend, wachsen. Ist das Seitwärtswachsen nun eine Laune der Natur oder ist es eine spezielle Kiefernart?

 

Ach, wie gut kann ich Pans Liebe zu diesem eigenwilligen, immergrünen und gut duftenden Baum verstehen. Als ich kurz vor Weihnachten einen Ausflug zum Wasserfall von Pesa machte, wurde ich traurig, denn nur ein dünner Strahl suchte sich den Weg nach unten. Anscheinend lässt man die Bauern, die dort illegal das feuchte Nass abzapfen, immer noch gewähren. Als mich aber dann der Weg durch den Nadelwald führte, an dessen Bäume noch die rostigen Eimerchen hingen, um Pitys harzige Tränen aufzufangen, fand ich Trost, denn es strömte dank des feuchten Wetters ein herrliches Tannenaroma in meine Nase und versetzte mich in Weihnachtsstimmung.

 

Über Weihnachten wurde das Wetter schön, die Temperaturen stiegen und das Festmahl konnten wir windgeschützt unter freiem Himmel einnehmen.  Auch in den folgenden Tagen blieb es so, und man hatte  Gelegenheit, seine Bräune in den warmen Sonnenstrahlen noch einmal aufzufrischen.  In den Nächten schenkte der volle Mond viel Licht und lud ein zu romantischen Spaziergängen in einer märchenhaften Landschaft, geschmückt von Kiefern, die funkelten, als wären sie mit brennenden Kerzen besetzt.

 

Jetzt steht bereits der 6. Januar vor der Tür, der 2. Festtag des Jahres. In vielen Ländern der Tag der Heiligen Drei Könige und in Griechenland auch der Tag, an dem das Meer, die Boote und das seefahrende Volk durch den Priester gesegnet werden: „Epiphanias“ (s. Lesvos-News vom 6.1.2008). Es ist auch der offizielle Termin, an dem die Tannenbäume aus den Häusern entfernt werden sollen, die dann zukünftig ohne diesen herrlichen Geruch auskommen müssen. Aber es gibt ja reichlich Kiefern auf der Insel, genug, um auch außerhalb der Weihnachtszeit diesen unverkennbaren wunderbaren Duft schnuppern zu können: Süß und frisch, anregend für das neue Jahr!!