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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Eine alte Dampfmaschine am Milelja

Eine alte Dampfmaschine am Milelja

 

13.Februar 2013 - Ich hab´ den Tabak auf!

Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski 

 

Für einen hart gesottenen Raucher ist es arg schwer dem Nikotin zu entsagen, vor allem, wenn er in einem Land lebt, in dem die Behörden vergeblich versucht haben, öffentliche Räume und Restaurants rauchfrei zu bekommen und dessen Bevölkerung die größten Tabakkonsumenten Europas sind.

 

Überraschend sind diese Fakten nicht, da Tabak  tatsächlich auch in Griechenland angebaut wird. Auch auf Lesvos, vor allem um Kalloni, gab es einst solche Plantagen. Sind es heutzutage Olivenhaine und Schafs- und Ziegenweiden, die das Landschaftsbild formen, war der Anbau einst vielfältiger: Neben Tabak wurden in großem Maße Hülsenfrüchte, Baumwolle und Getreide angebaut, und auf den Exportlisten standen Wein, Feigen und Eicheln (für Gerbereien). Nun ja, man muss hier auch erwähnen, dass zu Beginn des 20.Jahrhunderts auch viel mehr Menschen auf unserer Insel lebten.

 

Es war die italienische Patrizierfamilie Gattilusio (1354-1462), die den Olivenöl-Handel von Lesvos ins Leben rief, denn vermutlich bauten die Insulaner davor nur für den Eigenbedarf an. Mit der Machtübernahme der Türken blühten die Geschäfte dann noch mehr  auf, und so wurden dann auch z.B. 1548 auf folgende Produkte Handelssteuern erhoben:  Weizen, Gerste, Bohnen, Kichererbsen, Feldbohnen, Sesam, Flachs, Baumwolle, Wein, Feigen, Mandeln, Maulbeeren, Oliven, Olivenöl, Honig, Schweine und Seide.

 

Ende des 17.Jahrhunderts erschien der Tabak auf den Feldern von Lesvos, also ungefähr ein Jahrhundert später, nachdem Columbus die Pflanze aus Südamerika mitgebracht hatte. Waren es doch die Indianer, die anlässlich eines Brandes bemerkten, dass Tabakrauch einen angenehmen Nebeneffekt hat und ihn von da an, bei ihren Ritualen einsetzten. Die Spanier nutzten Tabak als Sedativum, und im Jahre 1560 schickte ein Arzt, der in Portugal lebte, Tabakblätter an Catharine de Medici als Medizin gegen ihre Kopfschmerzen.

 

Aus der Arznei Tabak, entwickelte sich dieser recht bald zum Genussmittel, als man darauf kam, die Blätter zu Zigarren zu drehen, aber erst die Zigaretten machten die halbe Weltbevölkerung tabaksüchtig: Während des Krimkriegs (1853 – 1856) drehten und rauchten Soldaten die ersten Zigaretten und kurz darauf wurde in Amerika eine Maschine entwickelt, die 200 Glimmstängel in der Minute fertigen konnte. Jetzt war der Damm gebrochen und es gab kein Halten mehr: Die Amerikaner versorgten ihre Truppen mit ebensoviel Zigaretten, wie Munition, denn während der beiden Weltkriege verbreiteten diese die Zigaretten in der ganzen Welt.

 

Tja, und so fingen auch die Griechen an zu qualmen… und wie: In alten griechischen Filmen sieht man die Helden und Heldinnen fast immer recht werbewirksam mit einer Zigarette im Mund oder in der Hand agieren. Schauen Sie sich nur einmal Melina Mercouri in dem Film "Sonntags nie!" an, und ich garantiere Ihnen, Sie möchten sich sofort eine Zigarette anstecken.

 

Es gab so viele Tabakplantagen in Griechenland, auf denen verschiedene Sorten angebaut wurden, aber als das Rauchen in den 50er Jahren so richtig populär wurde, waren diese Felder leer.  Es lag daran, dass viele Griechen „den Kaffee auf hatten“ (hier kann man statt der deutschen die niederländische Redewendung  anwenden: „….den Tabak auf hatten“). Es gab eine Krise, und man wollte nicht mehr für einen Hungerlohn auf den Tabak- und anderen Feldern arbeiten, sondern nur noch weg: Ein Auswanderstrom kam in Gang.

 

1913 zählte die Insel 140.000 Einwohner und die Wirtschaft war, dank des Exports in den Osten, auf dem Höhepunkt. 1912, von den Türken befreit, war die Hauptstadt Mytilini weiterhin ein lebendiges Zentrum des internationalen Handels. Erst im Jahr 1922, als der Krieg  gegen die Türken verlorenging und die Insel mit Flüchtlingen aus der Türkei überrollt wurde,  versiegte der florierende Handel, da es Kleinasien als Absatzgebiet nicht mehr gab. Nun, jetzt wird das Chaos komplett gewesen sein und die Menschen von der Insel vertrieben haben, nur die große Zahl der Flüchtlinge verschönerte die Einwohnerstatistik, die sich 1940 noch 134.000 Menschen auswies. Danach ging wohl das Vertrauen in einen schnellen Wiederaufbau der Wirtschaft verloren, die Bevölkerungszahl sackte extrem ab, und so gab es 1981 nur noch 88.000 Insulaner. Trotz dem erneuten Exodus im vergangenen Jahr aufgrund der Krise, schätzt man nun im neuen Jahrtausend 90.000 Einwohner auf Lesvos.

 

Noch bevor das Rauchverbot in der Welt ausgerufen wurde, waren also auf Lesvos die Tabakpflanzen bereits verschwunden,  zusammen mit vielen anderen Produkten, die von den Ausfuhrlisten gestrichen wurden. Lesvos lebt heut hauptsächlich von den Erzeugnissen aus den Olivenbäumen und der Schafs- und Ziegenzucht, auch der Ouzo spielt noch eine bescheidene Rolle beim Export. Lediglich der Tourismus  ist neu im Spiel und sichert einen kleinen Teil des Inseleinkommens.

 

Ich frage mich, wo die Unternehmer von einst, die Lesvos reich gemacht haben, geblieben sind. Um 1900 war die Insel so wohlhabend, dass sie groß in Dampfmaschinen investieren konnte: 1888 sorgten 12 dampfbetriebene Olivenpresse für 60% der Ölproduktion, die restlichen 40% erzeugten 190 alte Pressen. 1908 sorgten 113 Dampfmaschinen  für  95% des Öls, und  97 andere Pressen machten die 100% voll. Die einzigen Investitionen, die heute getätigt werden, findet man in Sonnenkollektoren und Windrädern wieder, also in der Erzeugung von „grüner Energie“, aber wie viel  Profit die Insel davon tatsächlich hat, bleibt abzuwarten. Nun hab ich aber gesehen, dass die Arbeit in den Salinen von Polochnitos wieder aufgenommen wurde, aber wo ist jemand, der in den Handel mit Seealgen  investiert oder sich mutig der Schafswolle annimmt, um sie als isolierendes Baumaterial zu exportieren?

 

Ich selbst hätte gern ein Feld mit Tabakpflanzen an unserem Haus, denn Zigaretten aus dem eigenen Tabakanbau sind mit Sicherheit weniger schädlich für die Gesundheit, wäre da nicht ein seltsames altes Gesetz in Griechenland, das den Genuss von selbstangebautem Tabak verbietet. Also doch mit dem Rauchen aufhören? Seufz, seufz…