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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Großer Wollschweber (Foto:
http://www.natuur-forum.be)
4.April 2013 - Über Blümchen, aber mehr noch über Bienen
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Während Mittel- und Nordeuropa weiterhin über Eis, Schnee
und Kälte stöhnt, können wir uns hier im Süden glücklich schätzen: Der
vergangene Winter war zwar nass, aber warm und durch die Zugabe
herrlicher Frühlingstemperaturen ist nun daraus ein Cocktail entstanden,
der zu einer wahren Blumen-Explosion geführt hat. Und man glaubt es
kaum, es ist sogar inzwischen so warm, dass Wanderfreunde über die Hitze
klagen…
Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mich gar nicht so
über diese zeitige Blüte freue, denn zusammen mit der Blumenpracht
kommen auch die Insekten, und ich zähle zu den Menschen, die sie nicht
wirklich mögen. Was ich befürchtet habe, ist über mich gekommen, und so
ärgert mich allabendlich bereits ein hartnäckiges summendes und
stechendes Mückengetier, das es ganz eindeutig auf mein Blut abgesehen
hat. Schon jetzt versetzen mich durch unsere Zimmer huschende Spinnen in
allen Farben und Größen in Panik, und auch Ameisen haben sich vor
unserem Haus bereits in großer Zahl versammelt. Hallo? Was für
Invasionen werden da für den Sommer geplant? Nicht zu vergessen, die
Schlangen, welche die Spargelernte riskant machen, obwohl sie ja
wenigstens keine Insekten sind…
Die positive Seite des Insektenaufkommens will ich aber
auch nicht außer Acht lassen: Welch ein herrliches Gratiskonzert wird
uns da auf einer Blumenwiese oder unter einem Baum in seiner
Blütenpracht zu Gehör gebracht! Wie schön ist das Summen der fleißigen
Bienchen…oder sind es gar Wespen oder Hummeln?
Alle 3 zählen zu den Hautflüglern, eine Ordnung der
Insekten. Die Namensgebung bezieht sich auf die häutigen
(durchsichtigen) Flügel. Merkmale, um die Tierchen zu unterscheiden sind
folgende: Wespen sind kahl, Bienen haarig und Hummeln riesig und dick
behaart. Wespen treten modischer auf, dadurch, dass sie mit einer
beneidenswerten Taille ausgestattet sind, und diese bekannte
Wespentaille lässt sie schmaler und länger gegen die gedrungen wirkenden
Bienen aussehen.
Die Nahrung der Wespen besteht aus Nektar und Insekten,
die größeren Artgenossen, die Hornissen, zögern aber auch nicht, Ihnen
ein leckeres Häppchen Grillfleisch von Ihrem Teller zu stibitzen. Bienen
leben von Nektar und Pollen, werden Sie daher auch nicht bei einer
Mahlzeit belästigen, im Gegenteil, sie schenken uns ein beliebtes
Nahrungsmittel, den Honig.
Die Griechen nennen die Biene „Melissa“, das griechische
Wort für Honig ist „Meli“. Namensgeberin ist wahrscheinlich eine
griechische Nymphe, die den Menschen auf den Geschmack und die
Verwendung des Honigs gebracht hat. Eine der vielen Mythen über Melissa
erzählt, dass sie zu der Schar Nymphen gehörte, die damit beauftragt
waren das Baby Zeus zu versorgen. Sie ernährte ihn jedoch nicht mit
Milch sondern mit Honig, aber nicht, dass sie diesen langsam in seinen
Mund träufelte, nein, sie ließ diese Speise unmittelbar von den Bienen
in den kleinen Babymund liefern.
Ich war überrascht zu erfahren, dass diese lästigen
Krabbeltiere, die hinterhältig Häuser in Beschlag nehmen, von
Vorratskammern begeistert sind und Ameisen genannt werden, auch zu den
Hautflüglern gehören. Einst waren sie Wespen, jetzt flügellose Wespen
und genauso gemein und gierig wie ihre geflügelten Vorfahren. Ein
einziges Mal können Ameisen aber immer noch fliegen, dann, wenn sie ihr
Nest verlassen. Für diesen Akt wählen sie einen warmen trockenen Tag,
und wer kennt dieses Phänomen nicht, dass Fliegende Ameisen aus dem
Nichts in Massen erscheinen, meist dann, wenn Sie die Ruhe auf Ihrer
Terrasse genießen. Nun, man kann einen solchen Tag als eine Art
Königinnentag ansehen: Eine neue Herrscherin ist gewählt und kommt nun
mit ihrem Gefolge und viel Tamtam, um sich ein neues Reich zu errichten.
Tja, ich empfehle, sie alsgleich zu maßregeln, denn ansonsten kann es
passieren, dass Majestät entscheidet, dass Ihr Haus der zukünftige
Herrscherpalast sein soll.
Im Frühjahr vermisse ich hier auf Lesvos immer wieder die
wunderschönen Tulpen aus Holland, die selbst, wenn sie geschnitten sind
noch leben und ungezähmt und frei in einer Vase kunstvoll schnörkelig
wachsen. Ersatzweise pflücke ich mir große Sträuße von roten Anemonen,
die zwar nicht mehr, wie die Tulpen, weiterwachsen, aber man kann eben
nicht alles haben. Tja, und so ergab es sich, dass an einem Abend in
geselliger Tischrunde, eine lustige kleine Biene aus einer Anemone
herauskrabbelte: Sie war honigfarben, jedoch nicht gestreift, wollig und
sehr nett aber eher zu klein für eine Biene oder Hummel. Ich fragte
mich, ob Hautflügler auch klein zur Welt kommen und das wohl eine
Baby-Biene sei. Nach einigen Recherchen im Internet, verbunden mit
Gänsehaut beim Anblick mancher erschreckender Bienen- und
Wespenexemplare, und gerade da, als ich die Suche nach der
Kleinkindbiene schon aufgeben wollte, stieß ich zufällig auf eine Seite
über Fliegen und darauf war unser Tischgast abgebildet: Der Große
Wollschweber (Bombylius major). Diese Insekten sind wie kleine
Wollkugeln, die in der Luft schweben und sich ziemlich schnell von Ort
zu Ort bewegen. Eine Fliege also! Und was für eine. Nun, kein Wunder,
dass sie bei ihrem hummelartigen Aussehen so schwer zu identifizieren
war. So narrt sie die Vögel, die ja ihre natürlichen Feinde sind, und
auch, wie wir Menschen denken, dass sie zu den stechenden Tierchen
gehören. Der Wollschweber hat keinen Stachel und so ahmt er das Aussehen
einer Hummel nach. Dieses Naturphänomen nennt man Mimikry (engl. für
Nachahmung). Das Tierchen hat noch mehr Tricks auf Lager: Sie legt ihre
Eier in das Nest einer Sandbiene (Andrena), und so werden ihre Larven
mit der Nahrung aufgezogen, welche die Sandbiene für ihre Nachkommen
mühsam sammelt, und damit nicht genug, nachdem sie den Wirtslarven alles
weggefressen haben, saugen sich die Wollschweberlarven an ihnen fest und
verspeisen sie alsdann. Das ist dann der Dank dieser Brut-Parasiten.
Tja, unser GOTT hat schon seltsame Untermieter auf Erden
erschaffen. Sind die meisten Hummeln, Wespen, Bienen und Ameisen
harmlos, so hat es diese Fliege ja wohl faustdick hinter den Ohren. Die
Natur hat immer wieder Überraschungen für mich bereit und bringt mich
nach wie vor zum Staunen…
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