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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS
Das kleine Kirchlein "Panagia tis Amalis"
8.Januar 2013 - Kirchengesang
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Es
ist noch gar nicht solange her, dass die Mehrheit der Bevölkerung der
kommunistischen Partei ihre Stimme gab und Lesvos daher als „rote“ Insel
bezeichnet wurde. Eigentlich ziemlich verwunderlich angesichts der
unzähligen Gotteshäuser und der immer noch sehr traditionellen
Lebensweise: Kommunismus und Religion scheinen Hand in Hand zu gehen...
Schon vor langer Zeit wurden auf Lesvos außergewöhnlich viele Kirchen
gebaut, und Anthony Kaldellis erklärte es in seinem Werk „ Lesbos in
late Antiquity“ (Lesbos in der Spätantike)* damit, dass in früherer Zeit
die Bischöfe auf Lesvos eine etwas andere Lehre verbreiteten, als von
Konstantinopel vorgegeben, und so in einem Dorf eine oder gar mehrere
Gotteshäuser errichtet wurden: Einmal für die Anhänger von
Konstantinopel und das andere Mal für die der Bischöfe.
Ja,
die Menschen waren sehr fromm in dieser Zeit: Ioannis Moutzouris schrieb
in seinem griechischsprachigen Buch „Das Mönchtum auf Lesvos“ dass es um
die 35 Klöster in der Nähe von Mytilini gab und um Mithymna, dem
heutigen Molyvos, gar 44. Ich frage mich schon, wie er auf diese Anzahl
kommt, denn in der Umgebung von Molyvos ist weit und breit kein Kloster
zu sehen. Spuren schon, denn bei der Begutachtung alter Häuser ist manch
ein verarbeiteter Stein zu finden, der zu einem Klostergemäuer gehörte.
Auch Ausgrabungen geben Klöster und Siedlungen preis, es bedarf halt das
Studieren alter Dokumente.
So
ist es nach Moutzouris sehr wahrscheinlich, dass der Schutzheilige von
Molyvos, der heilige Theoktisti (s. Lesvos-News vom 2.8.2010), in einem
Frauenkloster in Mnos lebte, bevor er von Piraten entführt wurde. Es ist
nicht unüblich für die Einwohner von Molyvos, ganze Wortteile zu
schlucken, und so scheint es recht plausibel, dass sich Mnos von dem
Wort für Klosterleben, „monachismos“, ergibt. Viele denken, dass Mnos in
Eftalou zu finden war, und zwar vor dem dortigen ersten Hügel. Ein
Beweis dafür wäre, dass man bei Renovierungsarbeiten in der einstigen
Taverne „Angelos“ auf sehr alte Mauern stieß. Ausgrabungen jedoch
scheitern am Mangel finanzieller Mittel und außerdem gäbe es viel zu
viel offenzulegen. Wollte man die gesamte Geschichte Griechenlands
aufdecken, so müsste man das ganze Land auf die Schüppe nehmen…Naja, und
so wurden die Mauern von Mnos samt ihrer Geheimnisse wieder begraben.
(Ach, ja, beim Bau der Yogahalle von
Angela
Farmer und Victor van Kooten im „richtigen“ Eftalou kam es zu
eben solchen Funden, wie bei Angelos).
Mano, wenn es schon so viele Klöster gab, wie viele Kirchen gab es denn
dann erst? Nicht nur Lesvos ist voll davon, sondern ganz Griechenland,
abgesehen von den unzähligen kleinen Kapellen, die überall zu finden
sind, selbst an völlig abgelegenen Stellen. Diese, mitten im Nirgendwo
gelegenen Kapellen, „xoklisia“ genannt, stammen nicht alle aus dem
letzten Jahrhundert und nach einem
Studium der Landschaft von Kreta ist das Alter eines solchen
Gebäudes der Schlüssel zur Geschichte der Region, denn sie wurden nicht
unbedacht einfach irgendwo hingesetzt, sondern dienten als
Orientierungspunkt für einen Weg, eine Kreuzung, einen Brunnen, ein Feld
oder eine Siedlung.
Lesvos ist auch überfüllt mit kleinen Basiliken aus der frühchristlichen
Zeit, errichtet von der Kirche, gebaut mit oder auf den Resten antiker
Tempel. Kadellis Erklärung für die vielen Gotteshäuser: Als das
Christentum seinen Weg nach Lesvos fand (was sehr spät geschah, nämlich
erst im 5. Jahrhundert), brachten die Handelsleute, welche auch die Welt
außerhalb der Insel kannten, den Gottesdienst mit und sorgten dafür,
dass Kirchlein errichtet wurden, was zu dieser Zeit sehr populär war.
Die Bevölkerung wurde jedoch nicht gezwungen zu konvertieren, aber ganz
gemächlich ging der damalige heidnische Glaube in den christlichen über.
Also keine Zerstörung heiliger Bilder oder Denkmäler, sondern ein
langsamer Übergang von Tempeln zu Kirchen, wobei die Menschen heidnische
Riten mit der Glaubenslehre an den einen Gott vermischten. So bezieht
sich Kadellis auch auf das Opfern eines Stieres, eine Tradition, die bis
vor kurzem noch in Agia Paraskevi vollzogen wurde (inzwischen geschieht
dies nur noch symbolisch), heidnischen Ursprungs ist und nie ganz
verschwunden ist.
Allerdings wurden und werden die meisten „xoklisia“ nicht von der Kirche
gebaut, sondern von den Bürgern, z.B. zwecks Einlösung eines
Gelöbnisses, „tama“ genannt. Tama ist das Versprechen, welches man Gott
gibt, sollte er Gebete erhören und einer Bitte nach Heilung oder
sonstiger Hilfe und Beistand nachkommen. Auf Chios, der Insel der
Schiffsmagnaten ist es z.B. üblich, beim Kauf eines zweiten Schiffes zum
Zeichen der Dankbarkeit ein Kirchlein zu bauen.
Reich an Schiffsmagnaten ist Lesvos nicht, aber dafür an Schafen. Kann
doch sein, dass es unter den Bauern Brauch ist, bei jedem 100. Schaf ein
Kapellchen zu errichten… Fakt ist jedenfalls, dass immer noch, und das
trotz Krise, weitere Kirchlein gebaut werden und ich bin sicher, ist
diese überstanden, wird ein wahrer Kirchenbauboom Griechenland
überrollen.
*Aus dem Buch: Archaeology and history in Roman, medieval and
post-medieval Greece, Studien, Kapitel 10, von Anthony Kaldellis :
Lesvos in late Antiquity: Live Evidence and new Models for religious
Change.
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