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BOULEVARD-NEWS LESVOS
Der Friedhof von Molyvos
23.Januar 2015 - Abschied nehmen
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Vor den Toren des abgelegenen Bergdorfes
Amphipolis, im Norden Griechenlands, wurde im letzten Jahr ein riesiges
Grab freigelegt. Die Grabanlage, bewacht von einem Löwen und zwei
Sphinxen, ist die größte, die jemals in Griechenland entdeckt wurde und
besteht aus mehreren abgedichteten Kammern. Nach und nach verschafft
sich ein Archäologenteam Zugang zu den Räumen, die jahrhundertelang der
Menschheit verschlossen waren. Die Frage stellt sich, wer denn nun dort
begraben liegt, und die Bevölkerung hofft, dass es Alexander der Große
ist, obwohl dieser im Jahre 323 v.Chr. weit weg in Babylon den Tod
fand, aber vielleicht ist es ja auch seine Ehefrau Roxanne?
So brodelten in der Medienküche im
letzten Sommer die Spekulationen und Nachrichten über Amphipolis, aber
in der Zwischenzeit hat die Welt andere Sorgen, und Schlagzeilen über
die Auswirkungen der Wahlen in Griechenland haben die Ausgrabungen von
den Titelseiten verdrängt. Verwunderlich, denn erst kürzlich stieß man
auf 5 Skelette. Kann es wirklich sein, dass es niemanden interessiert,
wer die über 60jährige Frau ist und die beiden Männer zwischen 35 und 45
Jahren waren? Und das Kind? Wichtige Leute müssen es gewesen sein bei
den Ausmaßen des Grabes, den kostbaren Mosaikböden, den Statuen, den
vielen Zimmern.
Damals in der Antike hatten die Griechen
freie Hand bei dem Begräbnis ihrer Angehörigen: Sei es bei
menschenreichen Prozessionen durch die Straßen oder beim Anheuern von
möglichst laut lamentierenden „Klageweibern“, und die Größe des Grabes
war nur vom Inhalt des Geldbeutels abhängig.
Aber im 6. Jahrhundert trat der
athenische Staatsmann Solon auf die Bildfläche, der den Ablauf von
Beerdigungen gesetzlich regelte. Seine Reformen hatten z.B. zum Inhalt,
dass die Lautstärke bei den Bestattungen so reduziert werden musste,
dass sie das öffentliche Leben nicht mehr störte und das ein Grab zwar
gebäudegleich sein konnte, aber innerhalb von 3 Tagen von 10 Arbeitern
fertig gestellt sein musste. (Anmerken möchte ich hier, dass das Grab
bei Amphipolis sicherlich mehr Bauzeit in Anspruch genommen hat). Seit
den Solonischen Gesetzen wurden die Gräber einfacher, ausgestattet mit
Grabsteinen oder Pfeilern (Stele), die das Bildnis des Verstorbenen
trugen.
Etwa zur selben Zeit entstanden die
Traditionen, die auch die Römer größtenteils für ihre Begräbnisse
übernahmen: Die Vorbereitung und Aufbahrung des Verstorbenen daheim (prothesis),
der Trauerzug zum Friedhof (ekphora), die Beerdigung und der
„Leichenschmaus“ (perideipnom), um sich bei allen Teilnehmern zu
bedanken. An diesem Ablauf hat sich bis zum heutigen Tag kaum etwas
geändert.
Die Griechen der Antike begruben ihre
Toten manchmal mit ihren Sklaven, Frauen und/oder Pferden, und in dem
einen oder anderen Grab wurden auch Haustiere gefunden. Später waren es
Grabbeigaben, die dem Toten zur Reise in den Hades (Unterwelt) nützlich
sein konnten, wie Nahrungsmittel oder die Münze für den Fährmann Charon,
die dem Verstorbenen unter die Zunge oder in die Hand gelegt wurde.
Zurück in die Gegenwart, in der die
Särge nur noch mit Blumen gefüllt werden, und in der man in Griechenland
nicht wirklich auf einem Friedhof die ewige Ruhe findet, denn nach 3
Jahren ist es hier damit vorbei. Um Platz zu sparen, hat der griechische
Staat angeordnet, dass nach Ablauf dieser Zeit die Toten aus den Gräbern
geholt, die Knochen mit Wein gewaschen und der Familie übergeben werden
oder ins Beinhaus kommen. Zu den berühmten Beinhäusern auf der Welt
gehört sicherlich das im tschechischen Sedletz, einem Ortsteil von Kutna
Hora, 70 km von Prag. Hier hat man die menschlichen Knochen zu
Dekorationen und Einrichtungsgegenständen für das Kirchengebäude
verarbeitet. Erwähnenswert hier auch die portugiesischen Städte
Alcantarilha, Pechora und Evora, in denen es Kapellen gibt, deren Wände
aus Knochen sind. Hat ein Toter keine Familie oder wurde vergessen, wird
sein Skelett einfach auf einen Haufen geworfen oder zerstört.
Es ist ein Aberglaube, der besagt, dass,
wird die Leiche ausgegraben, die Knochen weiß und sauber sein müssen, da
anderenfalls der Tote zu Lebzeiten ein Sünder war, oder noch schlimmer,
gar ein Vampir. In Mytilini, der Hauptstadt unserer Insel, gibt es
einige berühmte Gräber, die diesen Blutsaugern zugeschrieben werden.
Voller Angst vor der Auferstehung der Vampire bohrten die Menschen
Holzpflöcke in die Herzen der Verstorbenen (s.
Lesvos-News vom 16.02.2011).
Tja, Sie fragen sich jetzt sicherlich
auch, warum zur Lösung des Platzproblems in Griechenland heutzutage die
Feuerbestattung kein Thema ist, zumal dies in diesem Land in der Antike
genauso üblich war, wie die Erdbestattung. Es gab sogar einmal einen
Zeitabschnitt in dem es eine Ehre für Soldaten war, nach dem Ableben
verbrannt zu werden, und viele Helden des trojanischen Krieges sind so
zu Asche geworden. Es waren also in der Tat die Griechen, welche die
Einäscherung in Europa eingeführt haben, und jetzt verbieten die Gebote
der orthodoxen Kirche sie strengstens und bestrafen sie mit dem
Ausschluss aus der Glaubensgemeinschaft. Immerhin sind Feuerbestattungen
nach dem Gesetz seit 2006 legal, was jedoch nichts an der Tatsache
ändert, dass es bislang kein einziges Krematorium im Lande gibt und die
Menschen, deren verstorbenen Angehörigen, nach dem Ableben verbrannt
werden möchten, dafür in Nachbarländer, wie z.B. Bulgarien reisen
müssen.
Es sind harte Zeiten angebrochen und die
Selbstmordrate in Griechenland steigt stetig. Seit Jahresbeginn haben
sich auf Lesvos bereits 3 Menschen entschieden, ihrem Leben ein Ende zu
setzen. Obwohl dies ein Tabu für die orthodoxe Kirche ist, hoffe ich,
dass die Krise Grund genug für sie ist, diesen verzweifelten Menschen
einen würdevollen Abschied zu geben.
GIORGOS GIANNAKOS starb am 18. Januar
2015 an einer Lungenentzündung. Molyvos wird ihn schmerzlich vermissen,
diesen lieben Freund, der die Natur so liebte, sie durchstreifte auf der
Suche nach Chorta und Pilzen, er kannte sich aus, auch mit den Fischen,
ob in der Ägäis oder den Gewässern Afrikas, er kannte alle ihre Namen,
war er doch seelenverwandt mit dem Meer. Wen mag es da überraschen, dass
ihn seine letzte Reise zunächst nach Bulgarien führen wird und dann,
wenn seine Asche zurück nach Molyvos kommt, er Ruhe findet im größten
Grab der Welt: Im Meer!!
Adieu GIORGOS!
Beyond the sea, beyond the sea,
My heart is gone, far, far from
me;
And ever on its track will flee
My thoughts, my dreams, beyond
the sea.
Beyond the sea, beyond the sea,
The swallow wanders fast and
free:
Oh, happy bird! were I like
thee,
I, too, would fly beyond the
sea.
Beyond the sea, beyond the sea,
Are kindly hearts and social
glee:
But here for me they may not be;
My heart is gone beyond the sea.
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