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BOULEVARD-NEWS LESVOS
Agiassos
22.September 2015 - Wiegende Brüste
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
„Das einzige Aufeinandertreffen mit A…löchern in Griechenland, erlebten
wir in einer zauberhaften Kapelle in Agisassos: Eine Jungengang im
Teenageralter warf mit Steinen nach uns und spuckte uns an, als wir aus
dem Gotteshaus kamen.“ Ich war geschockt über diesen Facebook-Eintrag.
Niemals zuvor, habe ich von einem solchen Geschehen auf unserer Insel
gehört.
Mir
kam alsdann in den Sinn, dass vor einigen Jahren eine Freundin mir
gegenüber die Bemerkung fallen ließ, dass die Menschen aus Agiassos ein
wenig verrückt seien. Ich stand dieser Behauptung ziemlich skeptisch
gegenüber, zumal ich eh ein misstrauischer Mensch bin, der nicht gleich
jedermann Glauben schenkt. Solchen Gerüchten gibt bestimmt die ehemalige
altertümliche psychiatrische Klinik in dem Ort Nahrung, die, obwohl
nunmehr schon seit Jahrzehnten geschlossen, immer noch Sanatorium
genannt wird. Naja, vielleicht sind die Bewohner von Agiassos wirklich
ein klein wenig anders, denn ihre Art Karneval zu feiern ist die
ausschweifenste auf der Insel, die Theaterkunst wird von ihnen wahrhaft
gelebt, und sie wehren sich mit allen Mitteln gegen einen jeden, der sie
in ihrer Freiheit beschränken will.
Ein
bekanntes Sprichwort auf Lesvos besagt, dass man sich bloß keinen Esel
und keine Frau aus Agiassos anschaffen solle. Blödsinn! Denn ich kenne
einige Frauen aus dem Ort und kann bestätigen, dass diese sehr
sympathisch sind. Und Esel? Nun, inzwischen ist es schon so um die 10
Jahre her, dass Massen dieser Grautiere noch das Landschaftsbild
prägten, und das besonders rund um Plomari. Inzwischen zählen sie, neben
Wildschweinen, Bergziegen, Wildpferden und Delphinen zu den „Großen
Fünf“ von Lesvos (ausgenommen die, die für die Eselsafaris rund um
Molyvos engagiert sind). Tja, es sieht wohl so aus, dass sie alsbald auf
der Liste der aussterbenden Tierarten auftauchen werden, obwohl
inzwischen der eine oder andere Bauer angesichts der Krise gezwungen
ist, sein Kraftfahrzeug wieder gegen den Vierbeiner auszutauschen. Die
immer so freundlich anmutende Seite Griechenlands hat Risse bekommen,
auch hier auf dem Eiland. So zeigten sich viele der hier auf der Insel
lebenden Menschen aus anderen Ländern der Welt und auch von denen, die
seit Jahren immer wieder auf die Insel kommen (sie stellen immerhin die
Hälfte der Bewohneranzahl dar) doch reichlich schockiert, als sie
Versammlungen besuchten, in denen es um die Flüchtlingshilfe ging. So
wie die Europäer, zeigten auch die Bewohner von Molyvos bei diesen
Diskussionsrunden ihr wahres Gesicht. Die Griechen ein so liebenswertes
Völkchen? Ich befürchte, dass das nicht wirklich auf alle zutreffend
ist. Fakt ist ja eh, dass die Molyvos-Dörfler den Ruf weg haben,
arrogant zu sein, was überwiegend in den benachbarten Ortschaften die
Runde macht.
Letztens erzählte ich einer Nachbarin von dem Vorhaben, in dem Bergdorf
Klio eine Zwischenstation für Flüchtlinge einzurichten, was sie damit
kommentierte, dass schon ihre Mutter immer sagte, dass dort und in Sigri
die nettesten Leute der Insel leben würden.
Na,
ist doch gut zu wissen, dass es auf Lesvos auch Ortschaften mit
Gutmenschen gibt.
Was
ist mit den Touristen? Alle nur lieb? Nein, bei weitem nicht. Der August
ist gefürchtet angesichts des katastrophalen Touristenverhaltens. Ganz
vorne dabei das der Griechen aus den Großstädten, die nur zu gerne an
den Tag legen, die Insulaner herumzuscheuchen wie die Esel, und trotzdem
wurden sie, da die Krise sie an ihrem Urlaub hier hinderte, schmerzlich
vermisst.
Juli und August sind auch die Monate, an denen hier unter den Besuchern
dass Sonne-Strand-Pool- und Meervolk überwiegt, Menschen, die nicht
weiter wie 50 Meter von ihrer Unterkunft wegkommen. Solange ihnen die
Sonne auf den Pelz scheint, ist es ihnen völlig egal, ob sie abends
Paella, Souvlaki oder Döner serviert bekommen. Sie bewegen sich von
ihrem Bett auf die Sonnenliege und haben auch keine Hemmungen das
Bräunungsbad gänzlich unbekleidet zu nehmen, selbst wenn eine
griechische Familie mit ihren Kindern gleich neben ihnen am Strand die
gemeinsame Zeit genießen will.
Letzte Woche kam mir an meinem „Familienstrand“ im Dorf eine Lady mit
entblößten baumelnden Brüsten entgegen. Sichtlich Sonne und Meer
genießend, war sie sich wohl gar nicht ihres rücksichtslosen Verhaltens
bewusst. Erst ein Tag zuvor liefen mir just an dieser Stelle Tränen
übers Gesicht, als wieder einmal ein nicht enden wollender
Flüchtlingsstrom an mir vorbei zog. In der sengenden Hitze zählte ich
neunzehn (!!) Boote die angelegt hatten. Frauen, Kinder und hunderte
junger Männer liefen müde aber dennoch glücklich aufeinander einredend
diesen Strand entlang, manch einer aus einem Kulturkreis, in dem eine
Frau noch nicht einmal einen nackten Zeh zeigen darf… Stellen Sie sich
vor, diese Menschen wären auf diese barbusige Frau getroffen.
Das
in den Medien veröffentlichte Foto des ertrunkenen kleinen Jungen, der
an die türkische Küste bei Bodrum gespült wurde, hat der Welt einen
gehörigen Schock versetzt und sie wohl endlich wachgerüttelt. Seitdem
ist die Zahl der Helfer explodiert, aber auch viele von ihnen kleiden
sich – wahrscheinlich unwissend – nur mit kurzen T-shirts oder gar
knappsten Bikinis. An den FKK-Stränden geht es noch grotesker zu: Da
rekeln sich die Nudisten wohlig auf ihren flauschigen Badetüchern in der
Sonne, während neben ihnen ein vollbesetztes Flüchtlingsboot strandet
und machen keinerlei Anstalten, sich wenigstens in dieser Situation
anstandshalber zu bekleiden.
Es
gibt so viele Unterschiede zwischen der westlichen und arabischen Welt.
Hier ein lehrreiches Handbuch über die Menschen, die täglich zu
tausenden auf Lesvos ankommen, um sich dann weiter aufzumachen auf ihren
harten Weg nach Nordeuropa.
http://fas.org/irp/agency/army/arabculture.pdf.
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