BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Das
Paradosiako an der Loutropoli Thermi.
21.November – Das
Wohnzimmer des Bürgermeisters
Aus
dem Englischen von Gabriele Podzierski
Wie auch im restlichen Europa, hat der
Winter in Griechenland Einzug gehalten. Im Norden des Landes liegen einige Meter
Schnee, und das Thermometer sank weit unter Null Grad. Auf
Lesvos trägt der Berg Lepétymnos eine weiße Schnee-Schicht, wie mit
Puderzucker überzogen. Eigentlich sehr unüblich für diese Jahreszeit.
Bevor die Temperaturen an diesem Montag auf
minus 2 Grad sanken, hatten wir einige Tage Regen, der dringend auf der Insel
gebraucht wurde, da alles viel zu trocken war. Trotzdem war nicht jeder glücklich
über den Niederschlag. Mit der Olivenernte wurde dieses Jahr sehr früh begonnen, und zwar
hat man angefangen, dann haben sich die Schleusen des Himmels geöffnet. Das bedeutet jedoch, dass man zuhause bleiben kann, denn
Oliven erntet man nur bei trockenem Wetter.
So ergab sich eine gute Gelegenheit, in eine
Kneipe zu gehen, wovon es im Winter in Molyvos nur einige wenige gibt. Eine der
besten zur Zeit ist die vom Bürgermeister: „Paradosiako“, auch das Kafenion
oder das Wohnzimmer des Bürgermeisters genannt.
Molyvos hat einen Bürgermeister, der arg
wenig Schlaf nötig hat, und darum seine Zeit bis tief in die Nacht in Kneipen
verbringt. Aber man kann sagen was man will, früh morgens ist er fit und macht
sich an seine Arbeit. Man kann von ihm nicht sagen, daß er ein
Nachtschwärmer ist.
So vor zwei Jahren verbrachte er seine Nächte
in der „Brasserie“, was für die Besitzer ein Albtraum war, denn, wenn der Bürgermeister
um 1 Uhr erschien, bedeutete das für sie, dass sie vor 3 Uhr nicht schließen
konnten, auch dann, wenn der Bürgermeister der einzige Gast war. Seit vorigem
Jahr jedoch, hat sich dieses Problem von selbst gelöst: Der Bürgermeister eröffnete
seine eigene Kneipe!
Damit schlug er 2 Fliegen mit einer Klappe:
An anderen Plätzen wird man von Kafenions erschlagen, ich meine, diese, durch
fluoreszierenden Lampen grell ausgeleuchteten Läden. Wie auch immer, in Molyvos
ist nicht ein Kafenion, obwohl jedes Dorf eines haben sollte.
Es ist der Treffpunkt für die älteren
Griechen, die dort ihr Gläschen für die Hälfte des Preises trinken können.
So eröffnete der Bürgermeister auf dem
halben Weg zur Agora sein eigenes Kafenion und bekam dadurch zugleich ein neues
Wohnzimmer. Das „Paradosiako“ sieht nicht wirklich wie ein traditionelles
griechisches Kaffeehaus aus, es heißt nur so. Anstatt weißer Wände und
greller Beleuchtung, wird man von angenehmen
Licht empfangen, und die Wände, sind in einem warmen Orange und einem zarten
Gelb gestrichen. Das ganze Lokal ist so eingerichtet, dass es an ein gemütliches
Zimmer für die Familie erinnert.
Nun kann man den Bürgermeister jeden Abend
im „Paradosiako“ finden. Wie eine große Familie, sitzt er zusammen mit
vielen anderen Dorfbewohnern.. Durch die kulturellen Bilder an der Wand, dem
dunkelbraunen Holz und dem großen Balkon, kommt man sich vor wie in einem
Schweizer Chalet. Aber für alle anderen ist es echt griechisch.
Ich weiß nicht, auf welche Art und Weise
die Griechen die Einrichtungen für ihre Kneipen entwerfen, aber es scheint,
dass sie dafür nicht das richtige Händchen haben. In dem neu eröffneten
Restaurant von Babis, ist die Musikanlage auf einem riesigen Kühlschrank
positioniert. Das bedeutet, wenn man Musik hören möchte, muss man sich einen
Stuhl nehmen, diesen an den Kühlschrank stellen, dann auf den Stuhl
steigen und die Musik anmachen.
Befinden sich anspruchsvolle Gäste im
Lokal, die alle fünf Minuten andere Musik hören möchten, heißt das: Stuhl
holen, an den Kühlschrank stellen, draufklettern, CD wechseln, runtersteigen
und den Stuhl zurückstellen. Wenn man dieses Geschehen mindestens zehnmal
hintereinander beobachtet, ist es, als schaue man einen Slapstick-Film.
Das Restaurant „Sykaminia“ von Vangelis
in Skala Sykaminia ist nicht das neueste, aber es hat seine Eis- und
Kaffeemaschine irgendwo auf der
anderen Seite der Straße aufgestellt. Das heißt, dass Du Vangelis und seinen
Bruder andauernd die Straße auf und ab rennen siehst, Kaffeetassen oder
Eisbecher in den Händen.
Auch das neue Wohnzimmer des Bürgermeisters
ist nicht wirklich geschickt eingerichtet. Der Kühlschrank mit den Kaltgetränken
steht an der Wand gegenüber der Bar. Vor dem Kühlschrank befindet sich ein
Tisch. Da das Wohnzimmer des Bürgermeisters nicht sehr groß ist, sitzen dort immer
Gäste an dem Tisch. Im Winter ist es auch der Spieltisch für die
Kartenspieler. Das Kartenspiel ist eine der Hauptbeschäftigungen der Einwohner
von Molyvos in der Winterzeit. An diesem Tisch ist es jedoch nicht möglich, in
Ruhe Karten zu spielen, weil andauernd irgendjemand etwas aus dem Kühlschrank möchte.
Es ist schon peinlich, wenn das Spiel gerade voll spannend ist, und Du möchtest
gerne eine neue Flasche Retsina haben.
Aber ich muss sagen, so trinkt man
wenigstens nicht zu viel und abgelenkt wird man durch gute Live-Musik, die man
regelmäßig hier genießen kann. Und dann tanzt der Bürgermeister und seine
Frau. Man sieht also: Der Bürgermeister von Molyvos ist Tag und Nacht für
seine Bürger da........
Copyright ©Julie Smit 2005
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