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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
13. Dezember – Tulpen aus Amsterdam
Aus
dem Englischen von Gabriele Podzierski
Das ist aber merkwürdig, werden Sie denken
– Tulpen mitten im Dezember. Nun, auch ich schaute reichlich verdutzt, als ich
Tulpenzwiebeln in unseren Garten pflanzte und die dicken Knospen von Narzissen
entdeckte. Das bedeutet, dass wir Weihnachten Weihnachts-Osterglocken haben
werden!
Zu meinem Geburtstag bekam ich ein großes
Paket, voll mit den verschiedensten Blumenzwiebeln. Eigentlich hatte ich nur
nach Tulpen aus Amsterdam gefragt, und der, der mich so reichlich beschenkte,
hatte wohl nicht realisiert, dass Krokusse, Iris, Anemonen und Narzissen hier auf
der Insel wild wachsen. Ich freue mich jedoch sehr über die Möglichkeit, die
fröhlich-bunten Krokusse in die Erde setzen zu können, denn die Herbstkrokusse
sind gerade verblüht, und Krokusse als Frühlingsboten kennt man hier nicht.
Die buttergelben Osterglocken aus Holland
werden ihren Platz direkt neben
ihren griechischen Gefährten bekommen, den blassgelben Narzissen. Mal schauen,
wenn sie aufgehen, werde ich monatelang ein Blütenmeer von Narzissen haben. Bei
dem Pflanzen der Anemonen, zögere ich jedoch. In ein paar Wochen wird diese
wild blühende Zwiebelblume ganzen Landstrichen eine herrliche Färbung geben.
Im letzten Jahr haben wir die ersten blühenden Exemplare am 1.Januar entdeckt.
Soll ich wirklich die kultivierten Anemonen neben ihre wilden Schwestern
setzen...Diese Zweifel habe ich auch bezüglich der Iris. Eine kleine Weile
noch, und wir werden von ihren herrlichen Blüten umgeben sein.
Was die Schneeglöckchen betrifft, da bin
ich überglücklich. Soweit ich weiß, kommen diese in der Natur von Lesvos
nicht vor. Das ist sehr schade, denn diese Blümelein mit ihren fragilen weißen
Blütenköpfen an den zarten grünen Stängeln sind ja wohl die entzückendsten
Verkünder des anstehenden Frühlings. Ich hoffe sehr, dass sie sich von unserem
derzeitigen Wetter nicht durcheinander bringen lassen. Nach einigen kalten
Tagen, schien die Sonne den kalten Nordwind einfach weg, und heute ist es
herrlich warm. Wie auch immer, sollten sich diese zierlichen weißen Schönheiten
hier wohl fühlen und sich vermehren, so dass man sie in ca. 10 Jahren überall
auf der Insel finden kann, nicht vergessen: Die ursprünglichen Zwiebeln sind
aus Amsterdam.
Die Blumenzwiebel, die ganz sicher aus
dieser Region stammt, ist die Tulpe. Die berühmten „Tulpen aus Amsterdam“
wurden im 16. Jahrhundert als kostbare Fracht aus der Türkei importiert (zu
dieser Zeit stand Lesvos noch unter türkischer Herrschaft). Mitte des 17.
Jahrhunderts brach eine regelrechte Tulpen-Manie in Holland aus. Die Zwiebeln
waren eine kostbare Handelsware, sie waren Gegenstand von Spekulationen und
total unsinnige Preise wurden für sie bezahlt. Für nur 1 Tulpenzwiebel gab ein
Mann damals her: 2 Ladungen Korn, 35 Liter Bier, 2 Ladungen Roggen, 1500 kg Butter, 4
fette Ochsen, 500 kg Käse, 12 große Schafe, 1 Silberbecher, 5000 Liter Wein
und 1 Ballen Stoff. Nachdem dieser Wahnsinn vorbei war, waren, wie bei einem Börsencrash,
viele Holländer bankrott. Nun redet niemand mehr von türkischen Tulpen. Die
Holländer haben den Handel übernommen und erlangten dadurch weltweit Berühmtheit.
In manchen Büchern steht geschrieben, dass
es auf Lesvos Tulpen geben soll. Sicher ist ein solches Vorkommen auf Chios,
aber ich habe nie welche gefunden. Wo versteckt sich die Tulpe hier?
Lesvos ist weder bekannt für seine Frühlingsblumen,
noch für die Zyklamen (Alpenveilchen), die die herbstliche Landschaft so
reizvoll machen. Lesvos ist berühmt für seine Oliven, und zur Zeit kann man
deren Ernte miterleben. Überall kann man das klickende Geräusch der Stöcke hören,
die gegen die Bäume geschlagen werden, das Schwatzen der Frauen, die die Oliven
von der Erde klauben, das Keuchen der Männer, die die schweren gefüllten Säcke
zu den Autos schleppen. Überall ist eine lebhafte Geschäftigkeit, und Tag für
Tag wächst an der Olivenpresse der Berg von Oliven.
Dieses
Jahr, ist ein gutes Jahr für Oliven. Aufgrund der schlechten Ernte in Spanien
und Italien, bekommen die Griechen eine guten Preis für das Kilo Olivenöl (in
Griechenland kennt man kein Liter-Maß, auch Flüssigkeiten werden in Kilogramm
gemessen), und die Bäume sind schwer beladen mit den dunklen blau- schwarzen Früchten.
Die Folge ist, dass beinahe alle Olivenbauern, Frauen und Männer als
Erntehelfer einstellen konnten. Diese Tagelöhner werden dieses Jahr für ihre
harte Arbeit mit 30 Euro/Tag sehr gut bezahlt , was alle glücklich macht.
Selbst das Wetter hilft mit, dass alles gut gelingt – es ist frühlingshaft
auf der Insel, und das ist das, was auch die Narzissen fühlen.
Copyright ©Julie Smit 2005
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