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Voodoo-Lilie

 

16.Mai 2016 - Wer hat Angst vor Lesvos?

Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski

 

Seit Jahren versuche ich nun, meine Leser mit meinem Enthusiasmus für Lesvos anzustecken, indem ich unzählige unbekannte, traumhaft schöne Fleckchen  und die überwältigende Natur immer wieder in den Himmel gepriesen habe. Ich habe auch Inselbewohner porträtiert, Sie über Bräuche und landestypische Rezepte informiert, sei es hier an dieser Stelle oder in meinem Buch „Scatterlight Donkeys & Foxballs Ice Cream“ (Lesvos-News v. 9.2.2011), das meine Kolumnen und faszinierende Fotos enthält. Tja, und was hat all das Schreiben und Schwärmen gebracht? Kaum ein Besucher ist in diesem Sommer auf der Insel. Wer hat Angst vor Lesvos?

 

Zugegeben, Lesvos kann schon gruselig sein. Da gibt es Vulkane, die seit Millionen von Jahren schlafen, als Zeugnis für ihre Aktivität den versteinerten Wald zurückgelassen haben und, wer weiß es schon,  vielleicht  kurz davor sind aus ihren Träumen zu erwachen…

Im Meer schwimmen Fische, Seeigel, Steine aber auch Barrakudas (Lesvos-News 25.6.2014) und Haie, die auf Ihrem Teller landen können, genau so wie Unkraut: „Chorta-la-di-de“ (Lesvos-News v. 28.1.2013) und wildes Gemüse (Lesvos News 13.3.2006).

 

In der Nähe der Hauptstadt sind Gräber von Vampiren gefunden worden (Lesvos-News 16.2.2011), und – kann ja sein -  vielleicht treiben Sie in den Nächten immer noch ihr Unwesen. Im Kastanienwald von Agiassos lauert im Dickicht eine Pflanze mit dem furchteinflößenden Namen „Gemeine Drachenwurz“, auch Voodoo-Lilie genannt. Dieser kleine Riese kann bis zu einem Meter groß werden, hat ein lila- bis blutrotfarbenes Schutzblatt, dass sich um einen enormen Kolben wickelt. Also ehrlich gesagt, keine schlechte Wahl für einen Horrorfilm, diese kleine Version der größten Blume der Welt, der Titanenwurz (amorphophallus titanium), die bis zu 3 Meter in die Höhe schießen kann und, wie ihre kleine Schwester, einen ekeligen Aasgeruch absondert. Während die Titanenwurz auf Sumatra heimisch ist, können Sie der gruseligen Voodoo-Lilie jedoch überall auf Lesvos begegnen.

 

Ach, und in den vielen Wäldern von Lesvos droht sowieso Gefährliches: Sie können in giftigen  gelben Rhododendron fallen,  der ganze Armeen niedermähen kann (Lesvos-News 17.4.2010), in verborgene kleine Kapellchen stolpern, wo Sie nur beten können, wiedergefunden zu werden, sollten Sie sich verirren (Lesvos-News 13.8.29015). Es tun sich Wasserfälle auf, in die Sie stürzen können, und die eine und andere Grotte kann man nur unter äußerster Lebensgefahr besichtigen.

 

Tja, und die Straßen auf Lesvos zählen  mit zu den gefährlichsten auf der Welt, denkt man nur an unaufmerksame Verkehrsteilnehmer, wie streunende sture Esel, Schafsherden, sich in aller Ruhe unterhaltende Griechen, süße Igelchen, um Brot bettelnde Schildkröten und Vogelbeobachter, die durch so riesige Objektive starren, als würden sie Sterne beobachten.

 

Ich darf nicht vergessen, auf die Füchse hinzuweisen, die Schuhe und Telefone stehlen, kreischende Grillen und Zikaden, die Ihr Trommelfell zum Platzen bringen können (Lesvos-News 29.8.2015) und Armeen von Ameisen, die schon mal Ihr Bett besetzen. Obendrein erreichen die Insel Strahlen eines Planeten, die Ihre Haut schmerzhaft rot werden lassen kann, wenn Sie sich nicht schützen und sogar Allergien verursachen.

 

Besorgniserregend ist auch, dass die meisten Hotels auf Lesvos „all inclusive“ nicht im Angebot haben, so dass Sie sich selbst um Ihr Essen kümmern müssen. Tja, und die Tavernen bieten überwiegend nur Griechische Küche an und zu allem Übel wird der Fisch „ganz“ serviert, und ist er klein, so legt man Ihnen nahe, ihn mit Kopf und Schwanz zu verzehren…

 

Anstelle von Glückskeksen gibt es hier die Glücksvögel der Griechen,  die während Ihrer Mahlzeit gefährlich an Ihrem Kopf vorbeisausen (s. Lesvos-News 5.8.2014):  Die griechischen Seeschwalben.

 

Sie können in den Tavernen Zeuge werden, wie man Fleisch an gigantische Wespen verfüttert, um diese von Ihrem Tisch abzuhalten (Lesvos-News 8.6.2009) und ab und an müssen Sie in Deckung gehen, weil dem Tavernenwirt nichts anderes übrigbleibt, als seine Schrotflinte herauszuholen, um die Viecher mit einem ohrenbetäubenden  Knall zu vertreiben.

 

Vor dem allen kann man auf der Insel Angst haben, die im letzten Jahr durch Flüchtlinge „unsicher“ gemacht wurde. Ich erzähle Ihnen jetzt mal, dass letzte Woche die Straßen von Lesvos erneut unsicher gemacht wurden, und zwar durch Massen von Pilgern, die, wie vor Monaten die Flüchtlinge, auf ihnen in Kolonnen längst marschierten, nur in die andere Richtung nach Mandamados, zum „Taxiarchis-Kloster“, das zum alljährlichen Fest rief. Ich war kurz davor, mich den Pilgern anzuschließen, den Schutzheiligen der Insel, den Erzengel Michael, dessen Namenstag Anlass für die Wallfahrten war, um Hilfe anzuflehen, denn Lesvos hat Unterstützung bitternötig. Er ist ein recht kampflustiger Engel, der sich immer mutig für die Sorgen und Nöte der Erde eingesetzt hat. So schickte er im letzten Jahr seine Legion helfender Engel in Gestalt unzähliger Flüchtlingshelfer zu uns. Nun, wo keine Flüchtlinge mehr ankommen, die Strände, Straßen und Plätze aufgeräumt sind, verschärfen die ausbleibenden Besucher die wirtschaftliche Krise, in der die Inselbewohner eh schon stecken.

Also, lieber verehrter Erzengel Michael, könntest Du bitte  Touristen auf die Insel schicken?

 

Wie dem auch sei, liebe Leser, auch wenn ich bereits 500 Kolumnen über Lesvos geschrieben habe, ich werde weitermachen, über dieses verbotene Paradies, die versteckte Perle der Ägäis zu schreiben, da offensichtlich immer noch Menschen Angst vor der Insel haben.