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Das Aquädukt von Moria

 

10.Januar 2016 - Ich will meine Insel zurück!!

Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski 

 

Letzte Woche jammerte jemand auf Facebook, dass er  seine Insel zurück haben möchte. Die von griechischen Familien gerade im Sommer so beliebten von Tamarisken beschatteten Strände, sind nun übersät mit Schiffswracks und so nicht wirklich mehr ein geeigneter Spielplatz für ihre Kinder. Tja, und nun hat man  tatsächlich vorgeschlagen, dass die freiwilligen Flüchtlingshelfer doch dort auch aufräumen könnten.

 

Also, ich kenn noch viel mehr Menschen, die etwas zurück haben möchten:  Ihr Zuhause, die Familie und ihr Leben! Ich gebe zu, ich möchte auch Lesvos zurück, wie es vor der Europäischen Periode war, als die Tavernen von unbeschwerten Griechen gut besucht waren, die ihr Leben genossen und das Geschirr von den Tischen tanzten, zu einer Zeit, als das Dasein noch nicht überschattet war von geschichtsträchtigen Ereignissen, die jetzt in unfassbarer Schnelligkeit die gesamte Welt erschüttern. Aber wir müssen akzeptieren, dass es keinen Weg zurück gibt, es sei denn eine Zeitmaschine würde erschaffen.

 

Lesvos ist uralt, und wenn ich die Möglichkeit hätte, mir eine Zeit auszusuchen, in der ich dem Eiland einen Besuch abstatten möchte, so würde mir diese Entscheidung sehr schwer fallen, denn es gab hier so viele faszinierende Perioden.

 

Stellen Sie sich vor, kürzliche Ausgrabungen haben gezeigt, dass vor 2,6 Millionen Jahren hier schon Menschen versuchten,  am Leben zu bleiben. Die Insel war noch nicht vom gegenüberliegenden Festland abgelöst, und es stampften prähistorische Monster umher, wie Mastodonten, Mammuts und Riesenschildkröten. Na, begegnen wollte ich diesen Tierchen nicht wirklich.

 

Während der Belagerung von Troja (1184 v. Chr.) saß man auf Lesvos in der 1.Reihe. All die legendären Helden paradierten hier vorbei. Es folgte eine Zeit verschiedener hellenischer Vorherrschaften, in der die Insel erblühte zu einer einflussreichen Seemacht und sich weiter bereicherte mit Küstenteilen der gegenüberliegenden Türkei. Ach, was hätte ich mich erfreut daran, den einst regen Schiffsverkehr zwischen Lesvos und der sogenannten „Küste der Mytilinians“ zu beobachten. Eftalou war derzeit bestimmt ein quirliges Dorf mit einem Fischmarkt.

 

Dann kamen die flamboyanten Perser, die ein Reich hatten, so groß, wie das gesamte Konfliktgebiet des Mittleren Ostens von heute. Aber auch dieser Großmacht war nicht das ewige Leben geschenkt und sie wurde zerschlagen von den Arabern und Griechen. Na, und auf Lesvos ging es hoch her, man war sich uneins und erklärte sich gegenseitig den Krieg, wie z.B. Molyvos und Mytilini. Nicht wirklich eine günstige Besuchszeit, obwohl der Hirtenroman „Daphnis und Chloe“ sie als romantisch beschreibt (s. Lesvos-News vom 9.2.2008).

 

Schließlich machten die Römer kurzen Prozess mit den griechischen Kampfhähnen und brachten die Insel als ein touristisches Paradies auf den Markt und das, obwohl sie auch nicht wenige Exilanten hier hinschickten. Schon seltsame Vögel diese Römer, aber ich hätte sie schon gern hier herumstrolchen gesehen. Ich stelle mir vor, wie sie mit ihren fetten Bäuchen an einer reich gedeckten lesvoranischen Tafel liegen und an Flamingo-Züngchen saugen (s. Lesvos-News vom 17.3.2009), einst eine römische Delikatesse, und sich danach aufmachen, um in Agiassos Wildschweine zu verdrücken. Aber zwischen all den leiblichen Genüssen fanden sie immerhin die Zeit,  Aquädukte, die die Jahrhunderte überdauerten, wie das in Moria, zu bauen.

 

Aber wiederum kam ein großes Imperium zu Fall und das glorreiche Byzanz erblühte. Seine brokatbehängten Oberhäupter scherten sich den Teufel um Lesvos und so kam es dazu, dass einige machtgierige Menschen versuchten, die Insel zu vereinnahmen, wie die Familie Gattilusio, welche sie ein jahrhundertlang im Griff hatte. Keine gute Zeit hier hinzureisen, denn all die Dörfler an den Küsten waren in dauernder Angst vor den berüchtigten Piraten, die töteten, plünderten und Sklaven nahmen. Die Burgen in Molyvos und Mytilini wurden derzeit nicht ohne Grund als Festungen zur Verteidigung wieder aufgebaut.

 

Die Osmanen beendeten sowohl die byzantinische Macht als auch die der Gattilusios und obwohl Lesvos Jahrhunderte besetzt war, glückte es der Insel, erneut zu erblühen. Mytilini war im letzten osmanischen Jahrhundert eine lebhafte Handelsstadt und mit Sicherheit eine Reise wert. Man sagte, dass zu dieser Zeit die schönsten Frauen des Morgenlandes in den Straßen flanierten, inmitten einer Schar internationaler Kaufleute. Viele Länder hatten ihre Botschaft auf Lesvos, und das Handelsgebiet erstreckte sich bis hin zum Schwarzen Meer. Es war das letzte goldene Jahrhundert für die Insel. Lesvos konnte sich 1912 wieder „griechisch“ nennen, aber Glück und Geld haben die Insel wieder verlassen  und seine verarmte Bevölkerung konnte kaum den Kopf über Wasser halten, so dass sich ein großer Teil zur Auswanderung in ferne Lande, wie Australien, Argentinien und Südafrika entschloss.

 

Als Griechenland dann in europäische Hände fiel, konnten die Menschen anfangen, ihre Albträume von Hunger und Leid zu vergessen und die Regale der Supermärkte füllten sich langsam mit mehr und mehr Produkten.  Die Großmacht Europa war zwar nicht so grausam, wie manch anderer Herrscher, aber die auferlegte Steuerlast ließ doch an manch osmanischen Pascha denken, der sein Volk gnadenlos aussaugte.

 

Tja, und nun hat es den Anschein, als seien die Perser wieder zurückgekehrt. Zu tausenden fallen Flüchtlinge aus den südöstlichen Ländern auf der Insel ein. Diese Armee von Schlachtopfern  internationaler Machtspielchen wird –sowie es menschenmöglich ist – aufgefangen. Sie bilden die Vorboten einer erneuten Wendung in der Geschichte, und das nicht allein auf Lesvos sondern besonders in Europa, das Griechenland gründlich vernachlässigt und an den Rand des Ruins gebracht hat.