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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Der Hafen von Piräus
15.Juli 2012 - Die Reichen von Griechenland
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Tourismus und Schifffahrt sind die beiden Haupteinnahmequellen
Griechenlands, wobei das Tourismusgeschäft noch relativ neu und
offenkundig ist, während es die Schifffahrt schon seit Jahrtausenden
gibt und sich der wirtschaftliche Gewinn heutzutage für das Land recht
undurchsichtig darstellt, denn es lässt sich kaum ausmachen, wie viele
von den Booten, die man übers Meer gleiten und am Horizont verschwinden
sieht, einer griechischen Reederei zugeordnet werden können.
Die
Geschichte der griechischen Seefahrt begann schon lange bevor
Aristoteles Onassis aus Smyrna floh und in Griechenland den
Grundstein für seinen Reichtum legte. Bereits Jahrhunderte vor der
Geburt Christi, segelten Griechen über die Weltmeere, um Handelsgüter zu
transportieren, neue Länder zu entdecken und Kriege zu führen. Man
stelle sich nur mal vor, dass Troja von nicht weniger als 1.186 Schiffen
belagert wurde, von denen Agamemnon von Mykene 300 anführte und die
Inseln 80 stellten.
Mit
Anbruch der Dorischen Zeit, bauten verschiedene Städte und Inseln, z.B.
Chios und Samos, ihre eigene Handelsflotte auf und schickten Schiffe
nach Zypern, Syrien und selbst nach Russland ans Schwarze Meer.
Offensichtlich hatten die Römer kein solches See-Standbein, denn
eroberten sie einst auch die halbe Welt, so überließen sie das maritime
Treiben doch den Griechen, die nicht nur Waren transportierten, sondern
auch Soldaten, Handelsleute und schließlich auch die ersten Touristen,
zu deren Zielen auch Lesvos zählte, um Entspannung und Kultur zu finden.
Die
erste Schifffahrtsbank wurde im Jahre 803 von dem byzantinischen Kaiser
Nikiforos gegründet. Nun konnten die Reeder sich Geld leihen, aber der
sich davon versprochene Erfolg blieb aus, denn die Griechen verloren
immer mehr ihren Seehandel an italienische Stadtstaaten, wie Genua und
Venedig. Erst im 16. Jahrhundert, als sich das Osmanische Reich wie ein
Tintenklecks über ganz Europa ausbreitete, kehrte das Glück wieder zu
den Griechen zurück, denn, wie die Römer, fühlten sich die Türken nicht
wirklich daheim auf dem Meer und überließen dieses getrost dem
griechischen Seefahrervolk. Die Griechen konnten immer mehr Profit aus
diesem Geschäft schlagen, und auch die Privilegien blieben nicht aus,
und alsbald waren sie unter dem Schutz des Osmanischen Reiches wieder
die Herren des europäischen Seehandels. Tja, und es waren gerade die
„freien“ Seefahrer, die ihren Landsmännern Mut machten, sich von dem
Joch der Osmanen zu befreien.
Nun
zur modernen Geschichte der griechischen Seefahrt, die an dem Namen
Aristoteles Onassis nicht vorbeikommt, und das nicht nur wegen seines
Reichtums sondern auch wegen seiner Frauengeschichten. Wer erinnert sich
nicht an all den Klatsch und Tratsch über seine umstrittenen Ehen mit
der Opernsängerin Maria Callas und Jackie, der Witwe des einstigen
amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy. Aber zuvor heiratete er die
17-jährige Athina Livanos, Tochter des bedeutenden Reeders
Stavros G.Livanos, dessen andere Tochter, Eugenia, sich mit
Stavros Niarchos vermählte, der sich ein ebensolches
Schiffsimperium aufbaute, wie sein Schwiegervater und Onassis.
Na,
wenn das kein Stoff für ein Buch ist, dachte sich der
griechisch-amerikanische Buchautor und Enthüllungsjournalist Nicolas
Gage und schrieb die fiktive Geschichte "Die
goldene Flotte", die auf dem Leben der vorgenannten 3
Schiffsmagnaten basiert. Hier können Sie nicht nur nachlesen, wie man
als echter Glücksritter zu kapitaler Macht kommt, diese wieder
verliert und es alsdann wiederum schafft, ein riesiges Imperium
aufzubauen, sondern auch, wie man seine Geschäfte von London und Amerika
aus betreibt, überschattet von Kriegen und Krisen in Europa und der
Tatsache, sein Heimatland Griechenland einst im Elend verlassen zu
haben.
Das
Land liegt derzeit wieder im Elend dar, während seine Handelsflotten im
Geld schwimmen. Zwar treten die reichen Reeder nicht mehr so in die
Öffentlichkeit, wie ihr Urvater Onassis, aber ab und an tauchen sie
doch in der Regenbogenpresse auf, wenn z.B. die Hochzeit mit irgendeinem
berühmten Fotomodell ansteht. Inzwischen beschränken sich ihre
Aktivitäten nicht nur auf den Schiffsbau, sondern auch auf die
Errichtung von Museen, Ferienparks, Forschungsinstituten und
Krankenhäusern.
Die
Inousses, eine Inselgruppe in der Nähe von Chios, ist Wohnsitz einiger
bedeutender Reederfamilien und somit eine der reichsten Gemeinden
Griechenlands. Für seine ca. 800 ständigen Einwohner gibt’s ein
nautisches Museum, ein Jungeninternat, eine Marineakademie und ein
modernes Stadion. Tja, und Chios steht sowieso an erster Stelle, was die
Abstammung berühmter Seeleute betrifft, wie z.B. Stavros Livanos. Manch
einer behauptet sogar, dass dort einst die Wiege von Christoph
Kolumbus, gestanden habe.
Lesvos schneidet eher mager ab, was historische maritime Annalen
betrifft und kann an berühmten Seemännern nur die
Piratenbrüder Barbarossa präsentieren. Mehrere Jahrhunderte
machte die Piraterie südeuropäische Meere unsicher, und im
16.Jahrhundert war es auch für Händler nicht ungewöhnlich mit diesen
Räubern zu kooperieren, und so verdanken ihnen Inseln, wie z.B. Mykonos
und Milos, ihren wirtschaftlichen Wohlstand. Vielleicht zählte auch
Lesvos dazu, und hat deshalb keinen Platz in der griechischen Geschichte
der Seefahrt gefunden. Erst 1972 wurde eine Schifffahrtsgesellschaft von
der Insel selbst gegründet: „Nel Lines“, vor allem bekannt durch die
Fähren, die viele griechische Inseln mit dem Festland verbinden.
Fakt ist, dass die echten Schiffsmagnaten dort zu finden sind, wo die
Steuerbelastung für sie am geringsten ist, was nun mal leider heutzutage
zum normalen Geschäftsgebaren gehört. Wären alle Reedereien in
Griechenland ansässig, würden hier ihre Steuern zahlen, so wäre
Griechenland vermutlich nicht so tief in die Krise gerutscht.
Ich
vermute mal, das „Nel Lines“ immer noch hier im Lande sitzt, auf jeden
Fall reicht das Unternehmen in diesem Sommer der griechischen
Bevölkerung die Hand, indem es die Preise für die Fährverbindungen
massiv gesenkt hat. (Na, vielleicht doch nicht ein ganz so selbstloses
Agieren und mehr ein Konkurrenzkampf mit anderen Gesellschaften). Tja,
die Fluggesellschaften sollten sich ein Beispiel daran nehmen. Nehmen
wir die benachbarte Insel Limnos, die letzte Woche Beschwerde bei der
Regierung einlegte, da die Flugpreise auf und von der Insel schier
unbezahlbar geworden sind (Athen/Limnos 300-500 Euro!). Wie will man so
den Fremdenverkehr ankurbeln, und, darüber hinaus, was ist mit den
Einwohnern, die zwecks medizinischer Versorgung oder geschäftlicher
Angelegenheiten regelmäßig notgedrungen in die Metropole müssen?
Wohlhabende Griechen bringen ihre Dankbarkeit für ihre glückliche
Lebenssituation am liebsten zum Ausdruck, indem sie ein Kirchlein bauen.
Hier auf der Insel hat dieses Bauen trotz Krise nicht aufgehört, und
inzwischen gibt’s so viele hier, dass es den Anschein hat, dass alsbald
auf jeden Einwohner eine Kapelle kommt. Tja, unabhängig davon, dass so
ein Kirchenbau zwar etwas Arbeit bringt, kommen mir da die Kosten in
den Sinn und die Frage, ob man das Geld nicht besser für was anderes
nutzen könnte. Wenn die griechischen Reeder schon ihrem Staat nicht aus
der Schuldenkrise helfen, sollten sie doch wenigstens ihren Landsleuten
das Leben etwas erleichtern, so z.B. mit einem kostenlosen Transfer zu
den Inseln, wo es sich, im Vergleich zu den Städten, billiger, leichter,
kühler und angenehmer leben lässt.
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