|
BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Foto Internet (Seetang: Ein Meer von Möglichkeiten)
21.Mai 2012 - Seegras
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Es
sind vor allem die Medien, die in diesen schwierigen Zeiten Unruhe und
Besorgnis mehr und mehr Nahrung geben, indem sie unentwegt die dunklen
Wolken thematisieren, die sich über Europa, und insbesondere über
Griechenland, zusammengebraut haben, und schweres Unwetter
prognostizieren, welches alsbald über die Länder hereinbrechen wird. Ein
Experte nach dem anderen wird vor die Mikrofone gezerrt, um seine
Meinung darüber zu äußern, was denn nun passieren wird und was gut für
Griechenland ist, und da es hierzu nicht wenige Meinungen gibt, werden
uns Tag für Tag andere Szenarien nahe gebracht. Finanzexperten rechnen
aus, was es uns kosten wird, wenn Griechenland den Eurostaaten verloren
geht, versäumen aber dabei den Blick in die Portemonnaies der Griechen.
Das
griechische Volk, von seiner Regierung und den internationalen Banken
hinters Licht und fast in den Ruin geführt, bekam eine riesige
europäische Sahnetorte vorgesetzt, hat davon gegessen und kriegt nun
aufs Butterbrot geschmiert, dass es ja eigentlich niemals hätte davon
naschen dürfen. Die Griechen, in den Medien als Faulenzer und Profiteure
hingestellt, sind ausgebrannt ob all dieser Kritik, Betrügereien,
Korruptionen und Sparmaßnahmen und haben längst den Glauben an ihr Land
und an Europa verloren.
Ich
werde nicht mehr über triste Zeiten schreiben, denn Berichte und
Geschichten darüber gibt’s mehr als genug, ich halte es für wesentlich
besser, nach vorn zu schauen und sich die Zeit nach der Krise mit neuen
Horizonten vor Augen zu führen, denn Griechenland hat doch genug
Potential, um wieder ein gesundes Mitglied Europas zu werden. Ist das
Land doch eine große grüne Energiebombe: Sonne, Wind, Thermalquellen,
und ein jeder weiß doch, dass darin die Zukunft liegt. Tja, und dann
gibt’s da noch ein Produkt, das in diesem Land ein wenig in
Vergessenheit geraten ist und welches nicht auf den Exportlisten neben
Feta und Olivenöl auftaucht:
Die
Erfolgsgeschichte des Straßenverkäufers Paul Efmorfidis begann vor
Jahren an einem Tag in Athen, als ihn ein Niederländer fragte, wo er
denn eine Matratze kaufen könne. Inzwischen hat Paul Efmorfidis in der
letzten Woche seinen x-ten Laden eröffnet, dieses Mal in der Mercer
Street, Soho, New York:
"Coco-Mat"
heißt das Erfolgsrezept, Geschäfte, die unter diesem Namen Matratzen
anbieten, die mit Bio-Materialien, darunter auch Seegras, gefüllt werden
und inzwischen auf der ganzen Welt zu finden sind.
Früher mied ich Sandstrände, die mit Algenresten übersät waren, aber
inzwischen habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Seegrashaufen eine
fantastisch komfortable Liegefläche fürs Sonnenbaden darstellen und kann
mir deshalb nur allzu gut vorstellen, dass es sich auf einer Matratze
mit diesem Material herrlich schlafen lässt, denn Seegras ist nicht nur
weich sondern zudem auch äußerst gesund.
Asien ist weltweit der größte Algen-Konsument, und in mehreren
asiatischen Ländern werden diverse Sorten als Delikatesse in Form von
Salaten und Begleitern von Fischgerichten serviert. Erst kürzlich ist
der thailändische Teenager Chen Jingwen mit seinem Betrieb
"Tao Kae
Noi" zum Millionär geworden: Er produziert Nori-Snacks, die in
kürzester Zeit rasend populär wurden.
In
Europa ist man im Bezug auf Seetang noch recht zurückhaltend. Die alten
Griechen und Römer nutzten es in der Medizin und als Tierfutter, und
auch die Iren verfütterten es ans Vieh, düngten aber hauptsächlich ihre
Felder damit. Noch heute wird Seetang zu diesem Zweck gesammelt und
gezüchtet, aber einige Köche prophezeien bereits, dass es bald der
neueste kulinarische Trend in Europa sein wird.
In
den griechischen Geschäften sind Algen noch ein unbekanntes Phänomen,
obwohl sie doch bei den meisten Griechen im „Garten hinterm Haus“
gedeihen. Auch Thalasso-Institute sind hier weitgehend unbekannt. Die
Thalasso-Therapie basiert auf allerlei Seetang-Kuren, angefangen
bei Bädern bis hin zu Masken. Meeresalgen, die unter anderem reich an
Jod sind, machen die Haut weich und zart, regen Zellerneuerung und
Stoffwechsel an, lösen Fette schneller auf und sind damit gleichzeitig
ein „Schlankheitstipp“.
Hier auf der Insel sind die Strände mit Seetang überschwemmt. Manch
einer nutzt es als Dünger: Im Herbst gesammelt, bleibt es im Winter
einfach draußen liegen, so dass der Regen das Salz herausspült, und im
Frühjahr gibt’s dann einen hervorragenden Nährstoff fürs Gemüse. Ich,
für meinen Teil, habe mir vorgenommen, zukünftig Algenbäder zu nehmen.
Warum muss ich dafür einen Kurort aufsuchen? Ich werde das heiße
Wannenbad mit Tang anreichern und das grüne Zeug als Gesichtsmaske
verwenden, in der Hoffnung, dass all seine gesunden Inhaltsstoffe tief
in meine Poren dringen. Jetzt, wo die Temperaturen langsam aber sicher
nach oben gehen, habe ich zudem die Möglichkeit, mich Tag für Tag ein
Stündchen am nahe gelegenen Strand kostenlos auf ein weiches
Seegrasbettchen zu legen, was meine Neugier hinsichtlich einer „Coco-mat-Matratze“
mehr und mehr steigen lässt, so wie auch den Anreiz, Algensnacks
herzustellen. Ich denke aber, dass dafür noch einige Studien notwendig
sind, denn ich kann mir kaum vorstellen, dass man die aus dem Meer
gefischten Algen einfach in die Pfanne hauen kann…
Eine weitere Nutzungsform des Seetangs will ich nicht unerwähnt lassen,
nämlich die, als Energie produzierende Biomasse. Also, eine weitere
griechische Energiequelle, neben Wind, Thermalquellen und Sonne.
Ich
hoffe inständig, dass nicht alle jungen Griechen in der derzeitigen
schwierigen Situation das Land verlassen werden, sondern angesichts der
vielen Möglichkeiten, die ihre wunderschöne Heimat bietet, ausharren und
die Chancen nutzen. Mögen die hier aufgezeigten Erfolgsgeschichten des
Straßenverkäufers und des thailändischen Teenagers ihnen Hoffnung machen
und ermutigen, mit Innovationen die Wirtschaft wieder anzukurbeln.
Noch ein Wort an die Touristen, die Griechenland nun fernbleiben: Sie
verpassen eine Menge! Das Wort „Thalasso“ ist auf die griechische Göttin
Thalassa zurückzuführen, und thalassa ist mit „die See“ zu übersetzen.
Ist auch derzeit kaum Geld in den Kassen Griechenlands, so ist doch
gewiss: Sonne, Meer und Seetang gibt’s zuhauf hier, was Basis für einen
gesunden Urlaub ist, in dem Sie sich eine ganz auf Ihre Bedürfnisse
abgestimmte Thalassotherapie zusammenstellen können.
|