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AUS DEM DSCHUNGEL

 

 

 

 

 

Kastanien und ein Bericht aus dem "Outback"

Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski 

 

Ich bin ziemlich neben der Spur. Hier auf Lesvos (und natürlich auch im restlichen Europa) hat der Herbst das Land fest im Griff, aber ich bin gerade aus Australien zurückgekehrt, wo schon wieder der Frühling wütete. An dem Tag, an dem ich aus 34 Grad zurückkehrte, zeigte hier das Thermometer 8 Grad an. Aber es sind nicht nur die Temperaturen, die Koalabären im Garten, die in allen Farben schillernden Regenbogenlarkieten (für diejenigen, die es – wie ich -  bisher nicht gewusst haben: das ist eine Vogelart, Anm. der Übersetzerin) und das Kängurusteak auf dem Grill, was den Unterschied zwischen dort und hier ausmachte: Frühling, das bedeutet Neuanfang und weckt eine Sehnsucht, ein Verlangen, nach was auch immer, und das lag auch in der Luft auf der Flaniermeile im Hafenviertel „Darling Habour“ in Sydney, welches nicht ohne Grund diesen Namen trägt. Tja, und Lesvos empfing mich dann nass, kalt und verlassen, na eben so, wie es für einen Herbst nur allzu natürlich ist.

 

So, und was fängt man nun mit seinen Frühlingsgefühlen in dieser Jahreszeit auf Lesvos an? Wir machen uns auf zum, in herbstlich rotbrauner Farbe gehüllten Wald, oberhalb von Agíassos, wo dann die Kastanien und, wenn man Glück hat, auch die Maronenröhrlinge (auch Braunkappen genannt) pflückreif sind.

 

In einem schlimmen träge faulen Zustand, braucht man nur die Tür eines tiefer gelegten Lada-Sport zu öffnen, probieren, darin bequem zu sitzen, Handschuhe zum Schutz vor Dornen und Stacheln anzuziehen, ein paar Plastiktüten einzupacken sowie die Schüppe vom Handfeger/Kehrschaufel-Set, und dann kann man alsbald die Kastanien so vom Weg wegschaufeln, wobei man natürlich das Schaufeln am besten seiner Begleitung überlässt. Selbst sollte man die Aufgabe übernehmen, darauf zu achten, nicht vom rechten Weg abzukommen.

 

In Agíassos findet auch alljährlich das große Kastanienfest statt, denn diese Feste sind in Griechenland – und somit auch auf Lesvos – sehr populär, da man Kastanien, rösten, kochen, in Brot, Nachspeisen und Gebäck verarbeiten kann. Außerdem sind sie auch, und das schon seit der Antike, das Mittel, um hartnäckigen Hustenanfällen entgegenzuwirken: Einfach eine Handvoll getrockneter Blätter in einem Liter kochendem Wasser ziehen lassen, dann absieben, etwas süßen und die Flüssigkeit in 3 Teilen trinken. Dieser schleimlösende Aufguss scheint auch beim Einsatz gegen Keuchhusten, Durchfall und Rheuma geeignet zu sein.

 

Also, die Edel- oder Esskastanie, lat.: Castane sativa Mill.*, habe ich in Australien nicht angetroffen. Logisch, denn da war ja Frühling und nicht Herbst. Aber ich habe auch keine Kastanienbäume gesehen. Recherchen waren angesagt, und die gaben auf die Frage nach Kastanienbäumen in Australien folgende Antwort: Ja und Nein! Die Edelkastanie ist nicht heimisch auf diesem Kontinent und war demnach auch bis vor ungefähr 150 Jahren dort nicht zu finden, bis die Engländer sie zwischen 1850 und 1860 mitbrachten und pflanzten. Das war die Zeit, als Australien den Goldrausch erlebte. Der Ertrag dieser klein angelegten Produktion gelangte dann auch nur in den Verkauf auf den örtlichen Obst- und Gemüsemärkten.

 

Heutzutage werden in Südwestaustralien und im Bundesstaat Victoria Kastanienplantagen in kleinem Rahmen angelegt. Edelkastanien gewinnen daher auch nur recht langsam an Bedeutung. Im Herbst ist jedoch in den Straßen von Melbourne das Angebot von Röstkastanien sehr groß, was aber nicht verwunderlich ist, wenn man weiß, dass Melbourne die drittgrößte Konzentration griechischsprachiger Einwohner in der Welt (800.000) nach Athen und Thessaloniki hat. Der Markt von Melbourne reagiert darauf und bietet neben Röstkastanien auch Chorta-Pitas, Ouzo, Olivenöl, Wein, byzantinische Ikonen und Heiligenbildchen aus Griechenland an.

 

Zur Namensgebung ist zu sagen, dass „Castanea sativa“ wahrscheinlich von der griechischen Stadt Kastana in Pontus, einer historischen Landschaft an der kleinasiatischen Küste des Schwarzen Meeres, herrührt. Die Römer latinisierten die alte griechische Bezeichnung dann zu „Castanea“. Der Zusatz „sativa“ im wissenschaftlichen Namen bedeutet kultiviert, nützlich oder sättigend.

 

Hier noch mehr Wissenswertes über Kastanien:

 

- Die Früchte enthalten 43% Stärke, 2,5% Fett und 39% Wasser.

 

- In Sirup kandierte Kastanien nennt man „Marrons glacés.

 

- Man kann aus Kastanienmehl nicht nur Stärke herstellen sondern es auch der Wäsche zufügen, die dadurch weißer wird.

 

- Ein Shampoo aus Kastanienblätter und –Schalen lässt Ihr Haar glänzen.

 

- Die Rinde der Kastanie sind reich an dem Gerbstoff Tannin.

 

- Die gelben, kätzchenähnlichen Blütenstände werden Tabak zur Aromatisierung beigefügt.

 

- Früher diente die Kastanie als Getreideersatz. So bereiteten die Römer daraus einen Brei, ähnlich einer Polenta, indem sie die Früchte langsam über einem offenen Feuer trockneten, dann zermahlten und Milch beifügten.

 

Das Holz der Kastanie ist sehr langlebig und wird – wie das Eichenholz – gerne genutzt als Material für Vertäfelungen und Balken.

 

 

Jan van Lent/10. November 2009

 

 

* Mill. = Dieses botanische Kürzel steht für den Briten Philip Miller (1691 – 1771). Miller war ein bedeutender Botaniker, der in der Zeit kurz vor und nach Linnaeus eine Anzahl botanischer Nachschlagewerke publizierte. Er gilt daher als erster bekannter Erstbeschreiber und Namensgeber einer Vielzahl von Pflanzen.