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AUS
DEM DSCHUNGEL
Hunger
Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski
Heute morgen um 6 Uhr scheuchte mich eine Horde Mücken aus dem Bett.
Natürlich habe ich so ein Anti-Mücken-Dingsbums für die Steckdose, aber
das hatte ich am Vorabend in den Müll geschmissen, weil ich dachte, dass
es nicht funktioniert, denn, obwohl es einen Monat lang Tag und Nacht
unter Strom stand, hat sich der Flüssigkeitspegel darin nicht auch nur
um 1 mm gesenkt (es war eine griechische billige Version des
Anti-Moskito-Steckers von Bayer – eigentlich hätte ich gewarnt sein
sollen).
Nun, Sie fragen sich sicherlich, was das mit der Überschrift „Hunger“ zu
tun hat. Also: Wir haben am gestrigen Abend vergessen, unseren
Brotbackautomat einzustellen, unser Minimarket bekommt erst um 9 Uhr
ochtaspero (wörtlich 8 weiße???) Vollkornbrot von seinem Bäcker
geliefert, und ich schrieb dies um 6.30 Uhr! Aber, halt, was war das
denn? Da sah ich doch direkt vor meiner Nase im Garten ein paar
Feigensträucher stehen. Leider sind es junge Bäume und die tragen noch
keine Früchte. Macht aber nichts, denn es brachte mich auf die Idee,
dass ich, wenn ich einen Spaziergang mit unserem Hund mache, bestimmt an
10 Feigenbäumen vorbeikommen würde und vorgestern, auf meiner
„Kräuterwanderung Lesvos Spezialitäten“ (im Volksmund: „Schlendern mit
Jan“) haben wir das erste Mal in diesem Jahr die Früchte direkt von den
Bäumen essen können. Gesagt, getan: Die ersten 10 Feigen haben meinen
Hunger gestillt – aber darüber später mal mehr...
Vor
den Feigen standen auch einige Fenchelpflanzen in Blüte. In der Antike
bändigten die Griechen ihren Hunger damit, indem sie Blüten, Samen oder
Stängel dieser Pflanze kauten und hatten sie eine Mahlzeit, so zerkauten
sie den Samen danach, um Mundgeruch zu beseitigen. Offensichtlich hilft
Fenchel auch unterstützend bei einer Diät, denn der griechische Name ist
„Márato“ oder „Amarathia“ und beide stammen ab von dem Verb „marainome“,
was soviel, wie dünner werden bedeutet. Die wissenschaftliche
Bezeichnung „Foeniculum vulgare Mill.“ kommt aus dem Lateinischen und
steht letztlich für „Heu gewinnen“ oder „Heu für das Volk“ („Foeniculum“
abgeleitet von griech. „Fenum“ = Heu und „vulgare“ = gewöhnlich oder
Volk). Fenchel riecht also nach Heu. Tja, und wer hat das in die Welt
gesetzt? Ein Mister Philipp Miller. Herr Miller lebte von 1691 – 1771
und war ein bedeutender Pflanzenkundler. Er publizierte eine Anzahl
botanischer Werke zur Zeit von Linnaeus und dachte sich für seine
Beschreibungen eine Menge Namen aus (wie Linnaeus auch), die sich auf
„Aussehen“, „Geruch“, „Farbe“, etc. bezogen. Sein offizielles
botanisches Autorenkürzel lautet „mill.“, also, es ist nicht das
englische Wort für „Mühle“.
Nun, meiner Meinung nach, riecht Fenchel einfach nur nach „Ouzo Mini“,
und das ist nicht die Abkürzung für einen griechischen Botaniker aus der
Antike, sondern eine Ex-griechische-Ouzomarke (jetziger Erzeuger „Pernod
Ricard Hellas“, vormals Epom S.A.). Mini = klein, stellte sich die
Frage, ob sie vielleicht die Ersten waren, die jene kleinen 200
ml-Ouzofläschchen einführten?
Weiter las ich in einem meiner griechischen Kräuterbücher, dass der
Fenchel bereits auf den „Linear-B-Tafeln“ (älteste Schriftform 1450 –100
v.Chr.) erwähnt wird und dass er als Opfergabe für die Götter verwendet
wurde. In „Ta chorta“ von Myrsini Lambraki steht, dass der Name
“Marathóna“ aus dem Persischen kommt (490 v. Chr.) und in einem anderen,
dass Fenchel in damaliger Zeit als Insektenvernichtungsmittel genutzt
wurde. Resümee: Opfergabe, Ouzo, Insektenkiller = sollte Fenchel
vielleicht auch gegen Mücken helfen? Ich werde es heute Abend einfach
mal ausprobieren...
Jan van Lent/17. August 2009
P.S.
1: Über die mythologischen, kulinarischen und medizinischen Aspekte des
Fenchel könnte ich Bücher füllen. In meinem taschenformatigem Büchlein
„Mit anderen Augen“
(eine fotografische Kräuterwanderung auf Lesvos) habe ich mich
bemüht, es auf eine einzige Seite zu beschränken. Vielleicht sollte ich
diesen Blog in „Berichte aus dem Fenchel-Urwald“ umbenennen und Sie
wöchentlich mit Geschichten über den Fenchel langweilen...
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